(Bild: Quelle)
„Jede Abteilung soll gemäß der verteilbaren Menge ihres Eigentums einen im Verhältnis gleichen Anteil aufbringen, um die Armen, die Witwen, die Vaterlosen und die Familien derer, die im Heeresdienst stehen, mitzunehmen, damit nicht die Schreie der Witwen und der Vaterlosen dem Herrn gegen dieses Volk in die Ohren heraufkommen.“ (Lehre und Bündnisse 136:8).
Lehre und Bündnisse 136:1–24 – Prinzipien der göttlichen Ordnung
Was lehrt uns die Organisation der Wanderung über Führung, Verantwortung und Einigkeit?
L&B 136 beginnt mit einer der eindrucksvollsten organisatorischen Offenbarungen der Kirchengeschichte. Nach dem Tod Joseph Smiths stand Brigham Young 1847 vor der gewaltigen Aufgabe, Tausende von Heiligen sicher durch das weite, unerschlossene Gebiet des amerikanischen Westens zu führen. In diesem entscheidenden Moment offenbarte der Herr eine göttliche Ordnung: „Alles Volk … soll sich in Abteilungen organisieren, mit dem Bündnis und Gelübde, alle Gebote und Satzungen des Herrn … zu befolgen“ (Vers 2). Diese göttliche Anweisung war weit mehr als ein logistischer Plan; sie war eine geistliche Schule in Disziplin, Treue und Gemeinschaft.
Wie einst das Israel unter Mose (vgl. 2. Mose 18:13–26), wurden die Heiligen in Gruppen gegliedert – Hundertschaften, Fünfzigschaften und Zehnerschaften. Jede Abteilung hatte einen Führer mit klarer Verantwortung, und jeder Führer diente seinen Brüdern und Schwestern. Diese Struktur spiegelte göttliche Weisheit wider: Ordnung inmitten von Unsicherheit, Verantwortung inmitten von Prüfung. Jethros Rat an Mose lautete, fähige Männer einzusetzen, „die Gott fürchten, die Wahrheit lieben und unrechten Gewinn hassen“ (2. Mose 18:21). Auch Brigham Young folgte diesem Prinzip – nicht persönliche Macht stand im Vordergrund, sondern Dienst an einem heiligen Ziel.
In Vers 3–4 gebot der Herr, dass „jeder Mann“ Rechenschaft vor seinem Hauptmann ablege, und dass die Führer ihrerseits dem Propheten Bericht erstatten. Diese göttliche Hierarchie war kein Machtgefälle, sondern Ausdruck von Verantwortung, Vertrauen und gemeinsamer Richtung. Das Prinzip bleibt bis heute gültig: In der Kirche Jesu Christi wird Führung stets als Dienst verstanden, nicht als Herrschaft. Der Herr selbst sagte: „Wer der Größte unter euch ist, der sei euer Diener“ (Matthäus 23:11).
Die Verse 5–11 legen großen Wert auf praktische Vorbereitung – das Sammeln von Vorräten, Werkzeugen und Lebensmitteln. Doch dahinter steht ein geistliches Prinzip: Wer dem Herrn folgen will, soll sowohl geistig als auch materiell vorbereitet sein. Der Glaube schließt Voraussicht nicht aus, sondern erhebt sie. So wie die Heiligen ihre Wagen beluden und Vorräte sammelten, sollen auch wir heute unsere „geistigen Vorräte“ füllen – durch Schriftstudium, Gebet und Gehorsam.
In Vers 9 heißt es: „Die Heiligen sollen aufeinander achten, damit niemand Hunger oder Kälte leidet.“ Diese schlichte Anweisung trägt eine tiefe Lehre in sich: Das Volk des Bundes ist dazu berufen, sich gegenseitig zu tragen. Hier klingt die frühe Kirche in Jerusalem an, von der es heißt: „Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele“ (Apostelgeschichte 4:32). Wo Liebe und gegenseitige Verantwortung herrschen, dort ist der Geist des Herrn gegenwärtig.
Die Offenbarung unterstreicht mehrfach das Prinzip der gegenseitigen Hilfe. In Vers 10–11 heißt es, niemand solle sich „über den anderen erheben“. Der Herr erinnert sein Volk daran, dass alle gleichwertige Kinder Gottes sind, und dass Macht nur gerecht ausgeübt wird, wenn sie von Liebe und Sanftmut getragen ist (vgl. LuB 121:41–46). Brigham Young selbst verkörperte diesen Geist, indem er als erster half, Wagen zu bauen, Nahrung zu teilen und den Mutlosen Trost zu spenden.
Ein weiteres Leitmotiv der Verse 12–15 ist der Fleiß: „Wenn die Menschen fleißig sind, sollen sie gesegnet werden.“ Der Herr verbindet Segen mit Arbeit – eine Lehre, die sich durch die gesamte Schrift zieht. Adam sollte „im Schweiße seines Angesichts“ den Erdboden bebauen (1. Mose 3:19), und auch die Heiligen auf dem Weg nach Westen mussten ihren Glauben durch Tat bezeugen. Fleiß ist nicht nur körperliche Anstrengung, sondern geistige Zielstrebigkeit – die Bereitschaft, Gottes Willen täglich umzusetzen.
In Vers 16–18 wird das Prinzip des Glaubens hervorgehoben: „Wenn sie auf den Herrn vertrauen, wird er sie führen.“ Diese Zusage erinnert an die Wolken- und Feuersäule in der Wüste, die Israel den Weg wies (2. Mose 13:21–22). Auch die Heiligen der Letzten Tage wurden durch ein unsichtbares, aber spürbares Licht geführt – durch Offenbarung, Zeugnis und prophetische Führung. Inmitten von Entbehrung, Krankheit und Tod blieb der Glaube ihre größte Stütze.
Vers 19–20 erinnern an das Gebot, Freude zu bewahren: „Die Heiligen sollen fröhlich sein … sie sollen singen und beten.“ Diese Worte zeigen, dass der Herr auch in Prüfungen Freude gebietet. Freude ist hier kein oberflächliches Gefühl, sondern Ausdruck tiefer Zuversicht – das Vertrauen, dass Gott gegenwärtig ist, selbst in Mühsal. So wie Paulus im Gefängnis sang (Apostelgeschichte 16:25), so sangen die Heiligen am Lagerfeuer in den Ebenen Iowas Loblieder.
Die letzten Verse des Abschnitts (21–24) mahnen zu Einigkeit und Friedfertigkeit. „Wenn ihr Streit habt, so endet ihn schnell“, heißt es sinngemäß. Das erinnert an Jesu Lehre in der Bergpredigt: „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5:9). Auf einer langen Wanderung konnte Uneinigkeit verheerend wirken – doch in geistlicher Hinsicht ist das nicht anders: Nur ein vereintes Herz kann Zion aufbauen.
Insgesamt offenbaren die Verse 1–24 ein umfassendes Muster göttlicher Ordnung: Organisation mit geistiger Zielrichtung, Verantwortung in Liebe, Fleiß aus Glauben und Freude trotz Mühsal. Diese Prinzipien bleiben zeitlos. Auch heute fordert der Herr seine Jünger auf, sich „in Abteilungen zu organisieren“ – sei es in Familien, in Gemeinden oder in kirchlichen Berufungen. Struktur, wenn sie von Liebe durchdrungen ist, schafft Freiheit und Frieden.
Die Offenbarung in Winter Quarters ist damit nicht bloß ein Relikt der Pioniergeschichte, sondern ein Lehrplan für jede Generation von Heiligen. Sie zeigt, dass der Weg nach Zion – ob durch Prärien oder durch das Leben – stets dieselben Eigenschaften erfordert: Glauben, Ordnung, gegenseitige Hilfe und die Bereitschaft, dem Herrn in allem zu folgen. So wie die Heiligen 1847 das verheißene Land erreichten, werden auch wir Zion erreichen, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen – organisiert im Glauben, vereint in Liebe, geführt vom Herrn selbst.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen