(Bild: Quelle)
„Joseph Smith, der Prophet und Seher des Herrn, hat mehr für die Errettung der Menschen in dieser Welt getan als irgendein anderer Mensch, der je auf ihr gelebt hat – Jesus allein ausgenommen.“ (Lehre und Bündnisse 135:3).
Diese machtvollen Worte John Taylors gehören zu den ehrfürchtigsten Bekenntnissen der Kirchengeschichte. Sie sind nicht Übertreibung aus Schmerz, sondern Ausdruck tiefster Erkenntnis: In Joseph Smiths Leben und Tod erfüllt sich der göttliche Auftrag, die Fülle des Evangeliums wiederherzustellen – und sie mit dem höchsten Opfer zu besiegeln.
Lehre und Bündnisse 135:1–4 – Joseph Smith, der Prophet und Seher des Herrn, wurde ermordet …
Vers 1 – Das Besiegeln des Zeugnisses
Der Abschnitt beginnt mit der Verkündigung:
„Um das Zeugnis dieses Buches und des Buches Mormon zu besiegeln, geben wir den Märtyrertod … bekannt.“
Hier wird das Martyrium nicht nur als tragischer Abschluss verstanden, sondern als Akt des Besiegelns. Im biblischen Sinn bedeutet „besiegeln“ (vgl. Offb 7:3; Eph 1:13), dass etwas bestätigt, beglaubigt und unverrückbar gemacht wird. Joseph und Hyrum starben nicht lediglich als Opfer eines Mobs, sondern als Zeugen, deren Blut zum „Siegel“ ihrer Botschaft wurde.
Der Ausdruck erinnert an die Propheten alter Zeit, deren Zeugnis erst durch Verfolgung und Tod vollendet wurde. Wie Abinadi, der vor König Noah stand und „sein Zeugnis mit dem Blut besiegelte“ (Mosia 17:20), so bestätigten auch Joseph und Hyrum die Wahrheit des wiederhergestellten Evangeliums. Ihr Tod wurde damit nicht das Ende, sondern der letzte Beweis ihrer Sendung – eine Erfüllung göttlicher Vorsehung, die ihr Werk unvergänglich machte.
Vers 2 – Das Zeugnis der Überlebenden
John Taylor, der Verfasser des Abschnitts, spricht in Vers 2 als Augenzeuge:
„John Taylor und Willard Richards … waren zu der Zeit die Einzigen im gleichen Raum …“
Diese persönliche Note verleiht dem Bericht Authentizität und Gewicht. Taylor überlebte schwer verwundet; Richards blieb unverletzt. Beide verstanden dies als Ausdruck göttlicher Bewahrung, damit das Zeugnis weitergetragen werde. Ihr Überleben war Teil des Plans: Sie sollten das Geschehen aufzeichnen und bezeugen, dass die Propheten unschuldig gestorben waren.
Taylor stellt klar, dass kein menschliches Gericht ihre Unschuld hätte verneinen oder ihr Werk zerstören können. Ihr Blut auf dem Boden von Carthage wurde so zum „unwiderlegbaren Zeugnis“ (Vers 7). Hier offenbart sich ein geistliches Prinzip: Wenn irdische Gerichte versagen, spricht das Blut der Gerechten – wie das Abels (Hebr 12:24) – lauter als jedes menschliche Urteil.
Vers 3 – „Mehr getan für die Errettung der Menschen …“
Dieser Satz ist in seiner theologischen Tiefe kaum zu überschätzen:
„Joseph Smith … hat mehr für die Errettung der Menschen getan als irgendein anderer Mensch – Jesus allein ausgenommen.“
John Taylor vergleicht hier nicht Josephs Menschlichkeit mit der Göttlichkeit Christi, sondern betont die einzigartige Rolle des Propheten im Heilsplan dieser letzten Zeit. Während Jesus Christus die Quelle der Erlösung ist, war Joseph das Werkzeug ihrer Wiederherstellung. Durch ihn wurde die Fülle des Evangeliums, die in Jahrhunderten der Dunkelheit verloren gegangen war, erneut auf die Erde gebracht.
Taylor zählt diese Werke auf:
– Übersetzung und Veröffentlichung des Buches Mormon
– Verkündung der Fülle des immerwährenden Evangeliums
– Sammlung der Heiligen und Gründung von Zion
– Offenbarungen und Gebote, die das Buch Lehre und Bündnisse bilden
– Aufbau einer Gemeinschaft der Gläubigen
Diese Leistungen werden in nur zwanzig Jahren zusammengefasst – ein erstaunlicher Zeitraum, in dem Joseph vom ungebildeten Bauernjungen zum Propheten und Kirchenführer wuchs. Der Satz, dass sein „Name nicht getötet werden kann“, hat sich prophetisch erfüllt: Millionen erkennen heute sein Wirken an, sein Zeugnis wird in über hundert Sprachen verkündet, und sein Einfluss auf den Glauben unzähliger Menschen bleibt lebendig.
Vers 4 – „Ich gehe wie ein Lamm zum Schlachten …“
Die Worte, die Joseph wenige Tage vor seinem Tod sprach, zeigen eine Haltung, die an Christus selbst erinnert:
„Ich gehe wie ein Lamm zum Schlachten, aber ich bin so ruhig wie ein Sommermorgen; mein Gewissen ist frei von Schuld gegenüber Gott und allen Menschen.“
In dieser Gelassenheit spiegelt sich tiefer Glaube und völliges Vertrauen in Gottes Plan. Joseph wusste, dass sein Weg nach Carthage in den Tod führen würde. Doch anstatt zu fliehen, ging er bewusst – nicht getrieben von Angst, sondern getragen von der Gewissheit seiner Berufung. Diese Ruhe entspringt einem reinen Gewissen und einer Liebe, die selbst vor dem Tod nicht zurückweicht.
Das Bild des „Lamms“ ruft unweigerlich den Opfertod Christi in Erinnerung. Joseph folgt dem Beispiel des Erlösers, nicht in erlösender Funktion, sondern in Nachfolge und Zeugenschaft: Er legt sein Leben nieder für das Werk, das Christus ihm anvertraut hat.
Das gemeinsame Zeugnis der Brüder
John Taylor betont mehrfach die Einheit von Joseph und Hyrum:
„Im Leben waren sie vereint, und der Tod hat sie nicht getrennt!“
Diese Formulierung hebt nicht nur ihre familiäre, sondern auch ihre geistliche Verbindung hervor. Hyrum war Patriarch, ein väterlicher Lehrer und Stütze Josephs. Ihr gemeinsames Sterben symbolisiert, dass das Prophetentum und das Patriarchat gemeinsam das Fundament der Kirche bilden – Offenbarung und Beständigkeit, Führung und Familie, Lehre und Zeugnis.
Dass Hyrum vor seiner Abreise aus Nauvoo aus Ether 12 las, wo von Glauben, Schwäche und Reinigung der Kleider die Rede ist, verleiht seinem Tod tiefe symbolische Bedeutung. Es ist, als hätte der Herr selbst ihn vorbereitet und gestärkt, um sein Zeugnis zu vollenden.
Das Blut als Siegel der Wahrheit
Im gesamten Abschnitt steht das Bild des Blutes als Siegel im Mittelpunkt. Im Alten und Neuen Testament wurde das Blut des Opfers als Zeichen des Bundes verstanden – zuerst in den Tieropfern Israels, schließlich im Blut Christi, das „für viele vergossen“ wurde (Matthäus 26:28).
So wird auch das Blut der Propheten zu einem Bundeszeichen. Es besiegelt das Werk, das sie verkündet haben, und macht ihre Botschaft unantastbar. John Taylor beschreibt, dass dieses Blut „auf dem Banner der Freiheit“ und „auf der Magna Charta der Vereinigten Staaten“ ein bleibendes Zeugnis ist. In dieser Sprache verbindet sich Patriotismus, Glaube und Prophetentum – die Märtyrer stehen für das göttliche Recht auf Wahrheit und Glaubensfreiheit.
Geistliche Lehren
- Wahrheit hat ihren Preis.
Göttliche Wahrheit fordert Opfer. Wer ihr treu ist, muss bereit sein, Anfeindung zu tragen. Josephs und Hyrums Tod erinnert daran, dass wahre Jüngerschaft Mut verlangt.
- Zeugnis wird durch Treue bestätigt.
Ihr Beispiel lehrt, dass das stärkste Zeugnis nicht im Wort, sondern im Leben – und im Sterben – gegeben wird.
- Gott macht das Opfer fruchtbar.
Was in Carthage geschah, führte nicht zur Zerstörung, sondern zur Ausbreitung der Kirche. Der Herr verwandelte Leid in Wachstum und Tod in Zeugnis.
- Friede des Gewissens ist die höchste Gabe.
Josephs Worte „mein Gewissen ist frei von Schuld“ zeigen, dass innerer Friede nicht von äußeren Umständen abhängt, sondern vom Wissen, in Gottes Willen zu stehen.
Schlussgedanke
L&B 135:1–4 lädt uns ein, das Martyrium nicht als Katastrophe, sondern als Krönung des Zeugnisses zu verstehen. Joseph und Hyrum besiegelten ihr Werk durch das Blut des Glaubens – und machten so sichtbar, dass Gottes Wahrheit stärker ist als Gewalt und Tod.
Wie kann mein eigenes Zeugnis – in Worten, Taten und Treue – zu einem lebendigen Siegel für die Wahrheit des Evangeliums werden?

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