Mittwoch, 26. November 2025

Ihr unschuldiges Blut ist ein großes Siegel

 

(Bild: Quelle)

„Und ihr unschuldiges Blut auf dem Fußboden des Gefängnisses zu Carthage ist ein großes Siegel, das dem ‚Mormonismus‘ beigefügt wurde und das von keinem Gerichtshof auf Erden verworfen werden kann.“ (Lehre und Bündnisse 135:7

Warum lässt der Herr manchmal zu, dass das Zeugnis Seiner Propheten erst durch ihr Leiden und ihr Blut unübersehbar wird? 

Lehre und Bündnisse 135:5–7 – Das Zeugnis des Blutes 

Vers 5 – Das Wort des Abschieds 

Der fünfte Vers verknüpft die letzten Handlungen Hyrum Smiths mit dem Buch Mormon: 

„Hyrum … las den folgenden Absatz kurz vor Ende des zwölften Kapitels von Ether …“ 

Dieser Moment ist von tiefer Symbolik erfüllt. Hyrum, der Patriarch der Kirche, öffnet die Schrift nicht zufällig, sondern als geistlich vorbereiteter Zeuge. Der gewählte Abschnitt (Ether 12:36–38) spricht vom Gebet um Nächstenliebe, von der Reinigung der Kleider und von einem Abschied „bis wir uns vor dem Richterstuhl Christi begegnen“. 

Damit deutet Hyrum sein eigenes Ende als Heimkehr und Zeugnis zugleich. Seine gefaltete Seite im Buch Mormon wird zu einem stillen Symbol: Das Wort, das er gelesen hat, bleibt im Buch eingeschlagen – als ewige Erinnerung an den Preis der Wahrheit. So wie das Buch Mormon durch göttliche Macht hervorgebracht wurde, wird es nun durch das Blut seiner Zeugen besiegelt. 

Hier begegnen wir einem uralten biblischen Motiv: Das Wort Gottes wird durch das Opfer seiner Boten bestätigt. In Hebräer 9:16–17 heißt es: „Ein Testament tritt erst in Kraft nach dem Tod dessen, der es gemacht hat.“ John Taylor greift dieses Bild ausdrücklich auf, wenn er schreibt: „Die das Testament gemacht haben, sind nun tot, und ihr Testament ist in Kraft.“ 

Damit wird klar: Das Werk Josephs und Hyrums war nicht beendet, sondern vollendet. Ihr Tod war kein Scheitern, sondern die Aktivierung des Bundes – so wie Christus durch sein Blut das neue Testament besiegelte, so bekräftigten diese Brüder den Bund der Wiederherstellung. 

Vers 6 – Das Blut des 19. Jahrhunderts 

„… hinfort werden ihre Namen unter die der religiösen Märtyrer eingereiht werden, und der Leser in jeder Nation wird daran erinnert werden, dass das Buch Mormon und dieses Buch, Lehre und Bündnisse … das beste Blut des neunzehnten Jahrhunderts gekostet haben.“ 

Hier spricht John Taylor nicht mehr als Chronist, sondern als Prophet des Gedächtnisses. Seine Worte sind zugleich Klage und Weihe: Das Evangelium wurde auf Kosten „des besten Blutes“ hervorgebracht. 

Diese Formulierung trägt doppelten Sinn. Einerseits meint sie den hohen moralischen Rang der Männer, die starben – rechtschaffene, tugendhafte Männer. Andererseits verweist sie auf den geistlichen Wert ihres Blutes als Zeugnisblut. Taylor deutet es als „Preis“, durch den das Evangelium der Welt gebracht wurde. 

Historisch gesehen war das Martyrium ein Wendepunkt. Die Kirche stand vor einer Bewährungsprobe: Sollte sie zerfallen oder sich unter göttlicher Führung erneuern? Der Tod der Brüder entfachte keinen Zerfall, sondern sammelte den Glauben der Heiligen. Brigham Young sprach später davon, dass die Märtyrer „die Saat“ waren, aus der Zion wachsen konnte. 

Spirituell gesehen ist hier von der Reinigungskraft des Blutes der Zeugen die Rede. Ihr Opfer brannte die Wahrheit in das Bewusstsein der Kirche ein. Wie Christus für die ganze Welt starb, so gaben Joseph und Hyrum ihr Leben für das fortgesetzte Werk der Errettung in der letzten Zeit. 

Wenn John Taylor sagt, ihr Blut sei „das beste Blut des neunzehnten Jahrhunderts“, dann meint er nicht weltliche Größe, sondern geistliche Würde. Das 19. Jahrhundert brachte industrielle und politische Revolutionen hervor – doch in Carthage geschah eine Revolution anderer Art: eine geistige Neugeburt, in der die Wahrheit teurer war als das Leben. 

Vers 7 – Das dreifache Zeugnis des Blutes 

Der letzte Vers ist zugleich Höhepunkt und Schlussakkord dieses heiligen Berichtes: 

„Und ihr unschuldiges Blut auf dem Fußboden des Gefängnisses zu Carthage ist ein großes Siegel … und ihr unschuldiges Blut auf dem Wappen des Staates Illinois … und ihr unschuldiges Blut auf dem Banner der Freiheit … ist ein Botschafter für die Religion Jesu Christi …“ 

Dreimal wiederholt John Taylor die Wendung „ihr unschuldiges Blut“ – jedes Mal mit neuer Bedeutung. 

  1. Auf dem Fußboden des Gefängnisses – das persönliche, greifbare Zeugnis. Es verweist auf den konkreten Ort des Martyriums, an dem Himmel und Erde sich berührten. Dieses Blut ist das sichtbare Siegel für alle, die zweifeln. 
  1. Auf dem Wappen des Staates Illinois – das gesellschaftliche Zeugnis. Es erinnert an die gebrochene Zusicherung des Gouverneurs, die den Mord ermöglichte. Damit wird die Schuld der irdischen Macht zum Teil der Botschaft: Kein menschlicher Verrat kann göttliche Wahrheit entkräften. 
  1. Auf dem Banner der Freiheit und auf der Magna Charta der Vereinigten Staaten – das universelle Zeugnis. Hier erhebt sich das Blut zum Symbol für Religionsfreiheit und Wahrheit in allen Nationen. Es wird zum „Botschafter“, der die Herzen ehrlicher Menschen überall berührt. 

Diese dreifache Symbolik entfaltet eine prophetische Vision: Das Blut der Gerechten ruft über Generationen hinweg. Es klagt nicht zur Rache, sondern zum Gedächtnis – damit die Welt erkenne, dass göttliche Wahrheit nicht ausgelöscht werden kann. 

Die letzte Wendung greift die Offenbarung des Johannes auf: 

„Ihr unschuldiges Blut wird zusammen mit dem unschuldigen Blut aller Märtyrer, die Johannes unterhalb des Altares sah, zum Herrn der Heerscharen schreien …“ 

Dieses apokalyptische Bild (Offenbarung 6:9–11) verbindet Carthage mit der himmlischen Geschichte der Zeugen Gottes. Joseph und Hyrum stehen in derselben Reihe wie Abel, Abinadi, Stephanus und unzählige andere, deren Blut Gott als heiliges Zeugnis annimmt. 

Das Siegel der Wahrheit 

John Taylor nennt das Blut der Brüder ein „großes Siegel“. In antiken Kulturen war das Siegel das Symbol der Beglaubigung – unauflösbar, verbindlich, unwiderruflich. Durch ihr Opfer wurde das Werk Josephs von Gott selbst besiegelt. Kein menschliches Gericht kann dieses Siegel brechen. 

In dieser Perspektive ist Carthage nicht das Ende der Geschichte, sondern der Punkt, an dem das irdische Zeugnis in himmlische Gewissheit übergeht. Das, was Menschen zu vernichten suchten, wurde durch ihr Verbrechen bestätigt. Ihre Tat sprach unbeabsichtigt für die Wahrheit dessen, was sie bekämpften. 

Taylor formuliert das mit schneidender Klarheit: 

„… und das von keinem Gerichtshof auf Erden verworfen werden kann.“ 

Hier verschmelzen historische Realität und göttliches Recht. Die Erde mag ihre Urteile sprechen, aber der Himmel setzt sein Siegel – und das Blut der Märtyrer ist die Tinte dieses ewigen Dokuments. 

Geistliche Lehren 

  1. Das Blut der Zeugen ruft zum Glauben, nicht zur Vergeltung. 
    Josephs und Hyrums Opfer bezeugen, dass Gottes Reich nicht durch Gewalt verteidigt, sondern durch Treue und Liebe bestätigt wird. Ihr Blut ruft nicht nach Rache, sondern nach Nachfolge. 
  1. Wahrheit wird durch Leiden glänzend. 
    In einer Welt, die Macht über Recht stellt, offenbart das Leiden der Gerechten die Kraft der Wahrheit. Wenn das Licht bekämpft wird, leuchtet es umso heller. 
  1. Göttliche Bestätigung übersteigt irdische Macht. 
    Kein politisches System, kein Gericht, keine Verleumdung kann das göttliche Werk annullieren, das mit Blut besiegelt wurde. 
  1. Erinnerung ist Teil des Bundes. 
    John Taylor lädt jede Generation ein, sich zu erinnern. Das Gedächtnis an Carthage ist nicht Vergangenheitsbewältigung, sondern Bundesbewahrung – die Verpflichtung, die Wahrheit weiterzutragen. 

Schlussgedanke 

L&B 135 endet mit dem Wort „Amen“ – ein einfaches, aber gewaltiges Schlusswort. Es bedeutet: So sei es. Es ist bestätigt. John Taylor beendet seinen Bericht damit nicht nur literarisch, sondern feierlich. Dieses „Amen“ steht stellvertretend für das Siegel Gottes über dem Leben der Märtyrer und über dem Werk der Wiederherstellung. 

Carthage bleibt in der Erinnerung der Heiligen nicht als Ort des Todes, sondern als Ort des Siegels. Dort wurde das Evangelium endgültig als wahr erklärt – nicht durch Worte, sondern durch Blut. 

 
findechristus.org

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