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“Darum soll kein Mensch sich des Menschen rühmen, sondern er soll sich Gottes rühmen, der sich alle Feinde untertan machen wird unter seine Füße.” (Lehre und Bündnisse 76:61).
Zusammenfassung und heutige Anwendung von Lehre und Bündnisse 76:54-93
Die Herrlichkeiten des Himmels: Eine Vision des ewigen Schicksals
Die Offenbarung von Joseph Smith und Sidney Rigdon im Februar 1832, die heute als L&B 76 bekannt ist, ist eine der tiefgründigsten Visionen der Wiederherstellung. In den Versen 54–93 wird die Herrlichkeit der verschiedenen himmlischen Reiche geschildert – ein theologischer Wendepunkt, der die damalige christliche Vorstellung eines zweigeteilten Jenseits radikal erweiterte. Statt nur Himmel oder Hölle offenbart der Herr hier drei Grade der Herrlichkeit: die celestiale, terrestriale und telestiale Welt – jede mit ihrer eigenen Bestimmung, Voraussetzung und Segnung.
Die Celestiale Herrlichkeit: Das Reich Gottes und Seiner Erstgeborenen (Verse 54–70)
Die Verse 54–70 beschreiben die höchste Stufe des Himmels: die celestiale Herrlichkeit. Ihre Bewohner gehören zur Kirche des Erstgeborenen (Vers 54) – ein Begriff, der nicht mit der irdischen Organisation der Kirche Jesu Christi gleichzusetzen ist, sondern vielmehr eine Gemeinschaft heiliger, gereinigter Menschen bezeichnet, die „alle Dinge überwinden“ (Vers 60) und durch den Mittler Jesus Christus vollkommen gemacht wurden (Vers 69).
Diese Menschen sind Priester und Könige (Vers 56), geweiht nach der Ordnung Melchisedeks (Vers 57) – einer priesterlichen Ordnung, die mit der des Sohnes Gottes selbst verbunden ist. Sie haben von Gottes Fülle empfangen, sind „Götter, ja, Söhne Gottes“ (Vers 58), und alles gehört ihnen: Leben und Tod, Gegenwart und Zukunft – sie gehören Christus, und Christus gehört Gott (Vers 59).
Diese Verse sind nicht nur eine Beschreibung himmlischer Belohnung, sondern auch ein Aufruf zur geistigen Vervollkommnung. Das Ziel des Evangeliums ist es, die Menschen nicht bloß zu retten, sondern sie zu verherrlichten Kindern Gottes zu machen – Miterben mit Christus (Römer 8:17). Der Weg dorthin führt über Glauben, Umkehr, die heiligen Bündnisse und ein Leben im Gehorsam, das durch den Heiligen Geist versiegelt wird (D&C 132:7).
Die Terrestriale Herrlichkeit: Die Ehrenhaften, aber Nicht-Vollkommenen (Verse 71–80)
In den Versen 71–80 öffnet sich der Blick auf die terrestriale Herrlichkeit – eine Herrlichkeit, die sich zur celestialen Herrlichkeit so verhält wie der Mond zur Sonne (Vers 71). Diese Welt ist für diejenigen bestimmt, die zwar ehrenhaft lebten, aber das volle Evangelium nicht angenommen haben.
Zu ihnen gehören:
- Menschen, die ohne Gesetz starben (Vers 72) – also solche, die das Evangelium nie kannten.
- Diejenigen, die im Gefängnis auf das Evangelium trafen und es dort annahmen (Vers 73–74).
- Ehrenhafte Männer und Frauen, die durch die „List der Menschen“ geblendet wurden (Vers 75).
- Und besonders jene, die nicht standhaft im Zeugnis Jesu waren (Vers 79).
Diese Gruppe hat nicht die „Fülle des Vaters“ empfangen, sie leben aber in der Gegenwart des Sohnes (Vers 77) – ein gewaltiger Trost, der zeigt, dass Gottes Barmherzigkeit viele Formen kennt. Diese Menschen sind gute, gerechte Seelen, denen es aber – aus verschiedensten Gründen – nicht gelang, den ganzen Weg des Evangeliums zu gehen. Dennoch hat der Herr auch für sie einen Ort bereitet, der frei von Qual ist und erfüllt von göttlicher Herrlichkeit – wenn auch nicht in ihrem vollen Maß.
Die Telestiale Herrlichkeit: Die Letzten, doch nicht Verlorenen (Verse 81–88)
Die telestiale Welt, beschrieben in den Versen 81–88, ist der niedrigste Grad der Herrlichkeit, aber dennoch ein Ort der Erlösung und Herrlichkeit. Die Bewohner dieser Welt haben das Evangelium nicht angenommen (Vers 82), weder zu Lebzeiten noch im Geistgefängnis. Und doch haben sie den Heiligen Geist nicht geleugnet (Vers 83), was bedeutet, dass sie sich nicht endgültig und bewusst gegen Gott gewandt haben.
Diese Menschen werden zunächst in die Hölle gestoßen (Vers 84), was hier den Zustand der Reue und Reinigung meint – kein ewiger Ort, sondern ein temporärer Zustand der Läuterung. Erst bei der zweiten Auferstehung werden sie erlöst (Vers 85). Aber selbst diese niedrigste Stufe des Himmels ist ein Ort, der „durch Engel bedient“ wird und in dem der Heilige Geist wirkt (Verse 86–88).
Es ist bemerkenswert, dass selbst diese Gruppe als Erben des Heils bezeichnet wird (Vers 88). Der allmächtige Gott verwirft nicht – er vergibt, erlöst und segnet bis zur letzten Grenze seiner Gerechtigkeit.
Der abschließende Vergleich: Dreifache Herrlichkeit, ein Ursprung (Verse 89–93)
Die letzten Verse (89–93) schließen die Vision mit einer Beschreibung der unaussprechlichen Herrlichkeit aller drei Reiche. Die telestiale Herrlichkeit „übersteigt alles Verstehen“ (Vers 89), die terrestriale übertrifft die telestiale in allen Dingen (Vers 91), und die celestiale überstrahlt sie alle – dort regiert Gott, der Vater, auf seinem Thron in Ewigkeit (Vers 92).
Diese aufsteigende Struktur zeigt, dass selbst die niedrigste Form göttlicher Belohnung unbeschreiblich herrlich ist. In einer Welt, in der viele mit Angst vor ewiger Verdammnis leben, bietet diese Vision Trost, Hoffnung und Motivation: Gott hat für alle einen Platz – entsprechend ihrem Glauben, ihrer Erkenntnis und ihrer Bereitschaft, ihn anzunehmen (Johannes 14:2).
Brigham Young berichtete, dass diese Lehre für viele frühe Heilige ein „Anstoß“ war – sie wollten nicht glauben, dass Gott so barmherzig ist. Doch genau darin liegt die Größe dieses Evangeliums: Es ist nicht eine Religion der Verdammung, sondern der Verherrlichung.
Fazit
Die Verse 54–93 in Lehre und Bündnisse 76 eröffnen einen tiefen Einblick in das Herz des Plans Gottes. Er ist nicht darauf aus, möglichst viele zu verdammen, sondern möglichst viele zu erlösen – jeder nach seinem Maß, seiner Erkenntnis und seiner Entscheidung. Die Herrlichkeit, die allen zuteilwird, ist nicht nur gerecht, sondern auch gnädig. Und für jene, die den Weg des Evangeliums ganz gehen, wartet die größte aller Segnungen: ewiges Leben in der Gegenwart Gottes, als Söhne und Töchter in seiner Herrlichkeit.