Samstag, 13. Dezember 2025

Priestertum für alle würdigen männlichen Mitglieder

 

(Bild: Quelle)

„Demnach können alle würdigen männlichen Mitglieder der Kirche ohne Rücksicht auf Rasse oder Hautfarbe zum Priestertum ordiniert werden.“ (Spencer W. Kimball, 1978) 

Amtliche Erklärung 2 – Alle sind gleichberechtigt, das Priestertum zu empfangen“ 

„Er hat unsere Gebete vernommen“ – Der Moment der Offenbarung 

Die Ereignisse des 1. Juni 1978 markieren einen Wendepunkt in der Geschichte der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Nach Jahren des Nachsinnens, intensiven Gebets und demütigen Ringens empfing Präsident Spencer W. Kimball im Oberen Raum des Salt-Lake-Tempels eine Offenbarung, die den jahrzehntelangen Ausschluss von Männern schwarzer Abstammung vom Priestertum beendete. Die Worte der Amtlichen Erklärung 2 beginnen mit der Wahrheit, die das Fundament der Offenbarung bildet: „Alle sind vor Gott gleich, seien sie schwarz oder weiß, geknechtet oder frei, männlich oder weiblich“ (2 Nephi 26:33). Damit wurde bekräftigt, was das Buch Mormon von Anfang an gelehrt hatte: das Heil in Christus kennt keine ethnische, nationale oder soziale Grenze. 

Diese Offenbarung kam nicht plötzlich oder isoliert. Präsident Kimball hatte bereits in den Jahren zuvor immer wieder öffentlich betont, dass er für alle Kinder Gottes betete. Er studierte die heiligen Schriften intensiv und suchte im Tempel um göttliche Einsicht. Sein Vorgehen erinnert an die biblische Szene, in der Petrus in Joppe durch Offenbarung lernt, „dass Gott die Person nicht ansieht, sondern dass in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt, ihm willkommen ist“ (Apostelgeschichte 10:34–35). Wie Petrus durch den Geist erkannte, dass Heiden ebenfalls in die Kirche aufgenommen werden sollten, so verstand Präsident Kimball durch dieselbe göttliche Quelle, dass der Zeitpunkt gekommen war, alle treuen Männer zum Priestertum zuzulassen. 

Historischer und sozialer Kontext – das Warten auf den „langverheißenen Tag“ 

Die Offenbarung von 1978 ist nur verständlich im Licht der Geschichte. In den Anfangsjahren der Kirche wurden vereinzelt Männer schwarzer Hautfarbe ordiniert – darunter Elijah Abel, ein treues Mitglied der frühen Gemeinschaft. Doch bald entstand eine Praxis, die ihre Ordination ausschloss. Der Ursprung dieser Beschränkung ist in den Aufzeichnungen unklar, aber sie spiegelte auch die gesellschaftlichen Spannungen und rassistischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts wider. 

Über Jahrzehnte suchten die Führer der Kirche, wie es in der Erklärung heißt, „im Gebet um Führung“, da sie wussten, dass nur Gott selbst diese Praxis ändern konnte. In dieser Hinsicht zeigt sich das Muster, das alle Offenbarungen kennzeichnet: „Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart“ (Glaubensartikel 9). Die Kirche bewegt sich nicht durch gesellschaftlichen Druck, sondern durch göttliche Weisung. Zugleich zeigt die Geschichte, dass der Herr seine Werke nach einem ewigen Zeitplan offenbart – „Zeile um Zeile, Vorschrift um Vorschrift“ (LuB 98:12). 

Als Präsident Kimball und seine Ratgeber wochenlang im Tempel beteten, geschah das, was die Schrift als himmlisches Muster beschreibt: die Offenbarung wurde „einstimmig gutgeheißen“ durch die Kollegien der Kirche. Damit wurde sie nicht nur persönliches Zeugnis eines Propheten, sondern das bestätigte Wort des Herrn an seine Kirche (vgl. LuB 1:38). 

Das universale Heil in Christus 

Die Offenbarung von 1978 bekräftigt die ewige Wahrheit, dass Jesus Christus das Heil für alle Menschen bereitet hat. Der Apostel Paulus schrieb an die Galater: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Galater 3:28). Diese Worte sind nicht bloß poetisch, sondern beschreiben die geistige Wirklichkeit des Reiches Gottes – eine Familie, in der alle dieselbe göttliche Herkunft, denselben Mittler und dasselbe Erbe teilen. 

Das Priestertum, das durch Offenbarung allen würdigen Männern offensteht, ist Ausdruck dieser universalen Gnade. Es ist die Macht, im Namen Christi zu dienen, zu segnen und zu heilen. In der Sprache der heiligen Schriften bedeutet das: „Der Herr lädt alle ein, zu ihm zu kommen und seiner Güte teilhaftig zu werden“ (2 Nephi 26:33). Diese Einladung gilt ausnahmslos jedem, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder gesellschaftlicher Stellung. 

Zugleich weist die Offenbarung über das Priestertum hinaus auf eine tiefere Wahrheit: Auch die Segnungen des Tempels, der ewigen Familie und der Siegelung werden allen gewährt, die gläubig und würdig sind. So erfüllt sich das Wort des Herrn, dass „die Schleier, die das Verständnis der Menschen verdunkeln, hinweggenommen werden“ (LuB 101:32–33). Das Licht Christi erreicht jedes Herz, das sich öffnet. 

Die prophetische Vorbereitung Spencer W. Kimballs 

Präsident Kimball war ein Mann des Gebets und des Mitgefühls. Schon als Apostel hatte er erklärt, dass er für den Tag bete, an dem „alle Menschen, gleich welcher Herkunft, die Segnungen des Priestertums empfangen“ können. Sein langes Ringen im Tempel erinnert an Jakobs Nacht am Jabbok, als dieser mit Gott rang, bis der Segen kam (vgl. Genesis 32:25–31). 

In den Berichten seiner Mitarbeiter wird deutlich, dass die Offenbarung mit machtvoller geistiger Gegenwart begleitet war. Viele Zeugen beschrieben sie als „Pentekost-Erfahrung“, vergleichbar mit dem Pfingsttag in Apostelgeschichte 2. Der Geist Gottes fiel auf die Versammelten, und alle wussten, dass der Herr gesprochen hatte. 

Diese Erfahrung zeigt, wie lebendig Offenbarung in der Kirche wirkt. Sie ist kein Überbleibsel früherer Zeiten, sondern das fortdauernde Prinzip, durch das Gott sein Werk führt. Präsident Kimball stand in der Linie der Propheten, die den Himmel suchten, um die Erde zu erleuchten. 

Das Reich Gottes in einer geeinten Menschheit 

Mit der Aufhebung aller Einschränkungen öffnete sich die Kirche für eine wahrhaft weltweite Zukunft. Heute stehen Träger des Priestertums und Führer der Kirche auf allen Kontinenten. Die Offenbarung von 1978 war damit nicht nur ein Akt der Gerechtigkeit, sondern ein entscheidender Schritt in der Vorbereitung auf das zweite Kommen Christi. Der 10. Glaubensartikel spricht von der „buchstäblichen Sammlung Israels“ und dem „Reich Christi auf Erden“. Diese Sammlung geschieht durch das Priestertum – die Macht, Menschen durch Bündnisse zu Christus zu führen. 

In diesem Sinn ist die Offenbarung auch eine Erfüllung der prophetischen Worte: „Das Evangelium wird allen Nationen, Geschlechtern, Sprachen und Völkern gepredigt werden“ (Offenbarung 14:6). Das Werk des Herrn ist universal, und seine Kirche spiegelt diese Universalität wider. 

Anwendung: Niemand soll ausgeschlossen bleiben 

Die Worte der Amtlichen Erklärung 2 stellen auch heute eine bleibende Einladung dar. Jeder Jünger Christi ist aufgerufen, im eigenen Umfeld dafür zu sorgen, dass niemand von den Segnungen des Evangeliums ausgeschlossen wird – nicht durch Vorurteil, nicht durch Gleichgültigkeit, nicht durch soziale Schranken. Paulus lehrte: „Gott hat uns den Dienst der Versöhnung gegeben“ (2 Korinther 5:18). Dieser Dienst bedeutet, Brücken zu bauen, Herzen zu öffnen und Gemeinschaft zu schaffen. 

LuB 121:41–46 beschreibt das Muster wahrer geistiger Führung: durch Liebe, Sanftmut, Güte und reinen Beweggrund. Wer im Geist Christi dient, sieht im anderen ein Kind Gottes, nicht eine Kategorie. 

Schlussgedanke 

Die Offenbarung von 1978 ist ein Zeugnis davon, dass der Himmel weiterhin spricht und dass die Kirche durch lebendige Offenbarung geführt wird. Sie bestätigt den Glaubensartikel 9 – „Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart“ – in seiner machtvollsten Form. 

Wenn wir heute die Worte der Ersten Präsidentschaft lesen – „Er hat unsere Gebete vernommen“ – dann erkennen wir, dass sich in ihnen der Charakter Gottes offenbart: Er hört, Er antwortet, Er segnet. In seinem Reich gibt es keinen Vorrang, keine Trennung, keine bevorzugte Linie. Alle, die Glauben ausüben und sich dem Bund anschließen, werden Teil seines Volkes. 

So erfüllt sich die Verheißung: „Der Herr wird für alle Nationen ein Zeichen aufrichten“ (2 Nephi 21:12). Die Offenbarung von 1978 ist ein solches Zeichen – ein Symbol der Hoffnung, dass in Christus wahrhaft alle eins sind.

Freitag, 12. Dezember 2025

Eheschließungen nur im Rahmen der Landesgesetze

 

Marriage of Jacob and Rachel by Workshop Pietro da Cortona at Ringling Museum of Art .jpg
(Bild: Quelle)

„Und nun erkläre ich öffentlich, dass ich den Heiligen der Letzten Tage den Rat erteile, von jeder Eheschließung, die durch das Gesetz des Landes verboten ist, Abstand zu nehmen“ – Präsident Wilford Woodruff, 1890 

Amtliche Erklärung 1 – Das Ende der Mehrehe und die Bewährung des Gehorsams 

Historischer Hintergrund der Mehrehe und ihr Ende 

Die Mehrehe war für viele frühe Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ein Prüfstein ihres Glaubens. In den 1840er Jahren offenbarte der Herr Joseph Smith die Lehre von der ewigen Ehe und – unter besonderen Umständen – der Mehrehe (siehe LuB 132). Diese Praxis, die im biblischen Zeitalter zeitweise von Männern wie Abraham, Jakob, Mose und David ausgeübt wurde (vgl. 2. Samuel 12:7–8), diente damals bestimmten göttlichen Zwecken, unter anderem der Erhöhung des Volkes Israel und der Einführung heiliger Bündnisse. 

  • Die Einführung der Mehrehe im frühen 19. Jahrhundert wurde von Joseph Smith und den frühen Heiligen verstanden als Teil der „Wiederherstellung aller Dinge“, die in Apostelgeschichte 3:20–21 verheißen wird 

Der Herr erklärte jedoch, dass die Einehe seine bleibende Richtschnur sei, „solange er nichts anderes verkündet“ (Jakob 2:27, 30). Damit wurde bereits in den heiligen Schriften der Grundsatz gelegt, dass der Herr in bestimmten Zeiten Gebote anpassen oder einschränken kann, je nach den Umständen seines Volkes und den Zielen seines Werkes. 

Als die Heiligen im 19. Jahrhundert die Mehrehe lebten, stießen sie in der amerikanischen Gesellschaft auf massiven Widerstand. Zwischen den 1860er und 1880er Jahren verabschiedete der Kongress mehrere Gesetze, die Polygamie unter Strafe stellten und das Eigentum der Kirche bedrohten. Viele Männer wurden inhaftiert, Familien getrennt und Tempel in Gefahr gebracht. Die Situation wurde so zugespitzt, dass der Fortbestand heiliger Handlungen – besonders der Tempelarbeit – auf dem Spiel stand. 

In diesem Kontext suchte Präsident Wilford Woodruff im Gebet den Willen des Herrn. Im September 1890 empfing er Offenbarung und veröffentlichte das, was heute als „Manifest“ bekannt ist – die Amtliche Erklärung 1. Darin erklärte er, dass die Kirche keine Mehrehen mehr eingehe und er die Heiligen ermahne, sich den Gesetzen des Landes zu fügen. 

Diese Entscheidung war keine politische Kapitulation, sondern ein Akt gehorsamer Offenbarung. Präsident Woodruff bezeugte später: „Der Herr hat mir durch Vision und Offenbarung genau gezeigt, was geschehen würde, wenn wir mit der Ausübung nicht aufhörten.“ Er sah den drohenden Verlust aller Tempel, die Gefangennahme der Führer und das Erlöschen des Tempelwerks. Der Herr zeigte ihm einen Weg, die Kirche und das Werk des Heils zu bewahren. 

Offenbarung und der Geist der Bewährung 

Die Einführung wie auch die Beendigung der Mehrehe zeigen, dass Gott sein Volk in verschiedenen Zeiten auf unterschiedliche Weise prüft. Abraham wurde geprüft, ob er bereit sei, seinen Sohn Isaak zu opfern (1. Mose 22). Nephi wurde vom Herrn beauftragt, Laban zu töten, obwohl das Gebot „Du sollst nicht töten“ ihm wohlbekannt war (1. Nephi 4:10–18). Beide handelten im Gehorsam gegenüber einer persönlichen Offenbarung, die den allgemeinen Grundsatz in einer außergewöhnlichen Situation aufhob. 

So auch die frühen Heiligen: Sie mussten bereit sein, eine Praxis anzunehmen, die der Welt widersprach – und Jahrzehnte später, dieselbe Praxis aufzugeben, als Gott es forderte. Beide Male war der Prüfstein Gehorsam

Präsident Woodruff lehrte in dieser Hinsicht: „Der Herr wird niemals zulassen, dass ich oder irgendein anderer Mann, der Präsident dieser Kirche ist, Sie in die Irre führt.“ Damit bekräftigte er das Prinzip der fortdauernden Offenbarung und des Vertrauens in den lebenden Propheten (LuB 1:38). 

Der Gehorsam gegenüber dem lebenden Propheten ist also nicht blinder Folgsamkeit gleichzusetzen, sondern Ausdruck des Vertrauens, dass der Herr seine Kirche führt und notfalls selbst korrigiert. Dieses Vertrauen wird besonders dann bewährt, wenn göttliche Führung mit menschlichen Erwartungen oder kulturellen Überzeugungen kollidiert. 

Die Bewahrung des Werkes Zions 

Präsident Woodruff verstand das Manifest als Maßnahme zur Bewahrung Zions. Hätte die Kirche weiter gegen die Gesetze der Nation gehandelt, wären ihre Tempel beschlagnahmt worden, und das Werk der Erlösung für die Toten hätte stillgestanden. Der Herr hatte jedoch beschlossen, dass „die Errettung der Lebenden und der Toten“ in den Bergen Zions fortgesetzt werden solle. 

Dieser Gedanke erinnert an die Worte des Herrn in LuB 121:36, 41–42, wo die Ausübung priesterlicher Vollmacht untrennbar an Rechtschaffenheit und Sanftmut gebunden ist. Gehorsam gegenüber der göttlichen Führung, selbst in schwierigen Zeiten, bewahrt die Macht des Priestertums und ermöglicht, dass das Werk Gottes fortbesteht. 

Die Entscheidung von 1890 war daher kein Ende göttlicher Führung, sondern ihr lebendiger Ausdruck. Der Herr prüfte, ob sein Volk bereit war, sich durch Offenbarung lenken zu lassen, selbst wenn diese dem bisherigen Verständnis widersprach. 

Gesetzestreue und Gewissensfreiheit 

Ein weiterer Aspekt der Amtlichen Erklärung 1 ist das Verhältnis zwischen göttlichem Gebot und staatlichem Gesetz. Der 12. Glaubensartikel bekräftigt “das Gesetz zu beachten, zu ehren und für es einzutreten.“ 

Diese Haltung wurzelt in biblischen Prinzipien, wie sie Paulus lehrte: „Jedermann sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan; denn es gibt keine Obrigkeit außer von Gott“ (Römer 13:1). Auch Christus selbst sagte: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ (Matthäus 22:21). 

In der Balance zwischen göttlichem Gesetz und irdischer Ordnung wird der Gläubige aufgerufen, beides zu ehren: die Gesetze des Landes zu achten, ohne den Glauben zu verleugnen. Präsident Woodruff handelte genau in diesem Geist – er brachte die Kirche in Einklang mit den irdischen Gesetzen, ohne das himmlische Werk zu gefährden. 

Parallelen und heutige Anwendung 

Die Geschichte der Mehrehe lehrt, dass Gottes Wege nicht immer unseren Vorstellungen entsprechen. Was er einst gebot, kann er auch wieder beenden. Der Schlüssel liegt darin, sein Wort aus der Hand seiner bevollmächtigten Diener zu empfangen, gleich wie schwer die Botschaft sein mag. 

Viele Gläubige jener Zeit fühlten sich innerlich zerrissen, manche sahen in der Aufhebung einen Widerspruch zur früheren Offenbarung. Doch der Herr offenbarte, dass sein Werk in der Hand derer bleibt, die er berufen hat. So wie Abraham, Nephi oder Petrus lernen mussten, in neuen Situationen auf neue Eingebungen zu vertrauen, so lernten auch die Heiligen der Letzten Tage, dass wahrer Glaube Gehorsam in Wandelzeiten bedeutet

Heute stehen Gläubige anderen Herausforderungen gegenüber – nicht durch Gesetze zur Mehrehe, sondern durch gesellschaftliche Spannungen, ethische Fragen und Glaubensprüfungen persönlicher Art. Doch das Muster bleibt: Vertrauen auf den Herrn, Gehorsam gegenüber seinen lebenden Propheten und die Bereitschaft, das eigene Denken dem Licht der Offenbarung zu öffnen. 

Die Botschaft dieser Erklärung bleibt zeitlos: Der Herr führt seine Kirche. Er lenkt sie durch lebende Propheten (seit 14. Oktober 2025 Dallin H. Oaks). Und wenn er ruft, ist der Weg des Gehorsams stets der Weg des Friedens. 

findechristus.org

Donnerstag, 11. Dezember 2025

Wir glauben, dass Gott noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird

 

Christus im Kirtland Tempel 
(Bild: Quelle)

„Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart; 
und wir glauben, dass er noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird, 
was das Reich Gottes betrifft.“ (Glaubensartikel 1:9). 

Glaubensartikel1:9–13 – Freiheit, Hoffnung und das kommende Reich 

Die letzten fünf Glaubensartikel öffnen den Blick über die Wiederherstellung hinaus in die Zukunft des Reiches Gottes. Sie verbinden Glauben mit Verantwortung, Offenbarung mit Freiheit und Hoffnung mit tätiger Tugend. Im neunten Glaubensartikel klingt das Herzstück der Wiederherstellung an: Gott spricht weiterhin zu seinen Kindern. Dieses Vertrauen auf fortdauernde Offenbarung unterscheidet die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage seit ihren Anfängen. Als Joseph Smith diese Worte formulierte, stand er inmitten einer Zeit religiöser Starre, in der viele Christen glaubten, dass die himmlische Offenbarung mit der Bibel abgeschlossen sei. Der Prophet bezeugte dagegen mit aller Klarheit, dass Gott „noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird“. Diese Erwartung durchzieht das ganze Werk der Letzten Tage. In LuB 1:30 nennt der Herr die Kirche „die einzige wahre und lebendige Kirche auf dem Antlitz der ganzen Erde“, gerade weil sie unter göttlicher Führung „aus der Wüste hervorkommt, leuchtend wie der Mond, klar wie die Sonne“. 

Fortdauernde Offenbarung bedeutet, dass der Himmel nicht schweigt. Sie geschieht nicht nur in den großen Visionen der Propheten, sondern auch im stillen Wirken des Geistes in jedem suchenden Herzen. „Suchet Belehrung, ja, durch Studium und auch durch Glauben“ (LuB 88:118), lehrt der Herr. Damit beschreibt er das fortwährende Zusammenspiel von göttlicher Führung und menschlichem Lernen. Offenbarung ist dynamisch: sie entfaltet sich, während das Reich Gottes wächst. Der Heilige Geist offenbart „Zeile um Zeile, Weisung um Weisung“ (Jesaja 28:102 Nephi 28:30). Wer also glaubt, öffnet sein Herz nicht nur für das, was Gott einst gesagt hat, sondern für das, was er heute sagt – durch seine Propheten, durch die Schriften und durch den stillen Eindruck im Herzen. 

Der zehnte Glaubensartikel führt diese fortdauernde Führung in die Zukunft: die buchstäbliche Sammlung Israels, die Wiederherstellung der Zehn Stämme, der Aufbau Zions und die Wiederkunft Christi. Diese Aussagen wurzeln tief in den Verheißungen der Bibel und des Buches Mormon. Schon Jesaja sah die Zeit, da der Herr „den Überrest seines Volkes wieder sammeln“ werde (Jesaja 11:11–12). Der Erretter selbst sprach von „anderen Schafen“, die seine Stimme hören würden (Johannes 10:16), und im Buch Mormon wird diese Verheißung auf das Haus Israel bezogen (3 Nephi 15:21–24). Zion, das „Neue Jerusalem“, ist mehr als ein geographischer Ort – es ist ein geistiger Zustand der Reinheit und Einigkeit. Wenn der Glaubensartikel davon spricht, dass „die Erde erneuert werden und ihre paradiesische Herrlichkeit empfangen wird“, verweist er auf die große Verheißung der Erneuerung aller Dinge (Offenbarung 21:1–5). 

In diesen prophetischen Bildern liegt eine tiefe Hoffnung: die Erde, die jetzt unter Sünde und Tod seufzt, wird eines Tages wiederhergestellt. Das ist das Ziel des Erlösungsplans – nicht nur die Rettung einzelner Seelen, sondern die Verwandlung der gesamten Schöpfung. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letten Tage bereitet sich auf dieses Reich vor, indem sie die Heiligen sammelt, Tempel baut und Bündnisse schließt. In diesem Sinn ist jedes Werk des Glaubens – jede Umkehr, jede Taufe, jede heilige Handlung – ein Beitrag zur Errichtung Zions. 

Der elfte und zwölfte Glaubensartikel wenden sich der Gegenwart zu: Freiheit und Gesetz, Gewissen und Verantwortung. Joseph Smith lebte in einer Zeit, in der religiöse Minderheiten leicht verfolgt wurden. Aus eigenem Erleben wusste er, wie wertvoll die Gewissensfreiheit ist. Deshalb bekennt die Kirche: „Wir beanspruchen das Recht, den allmächtigen Gott zu verehren, wie es uns das eigene Gewissen gebietet, und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu.“ Diese Haltung wurzelt im Beispiel Christi selbst, der einlädt, aber nicht zwingt (Lukas 9:54–562 Nephi 2:27). Auch LuB 134:4 erklärt: „Wir glauben, dass Religion nur durch Überzeugung und nicht durch Zwang zu beeinflussen ist.“ Freiheit des Gewissens ist somit eine göttliche Gabe, die es zu schützen gilt. 

Der zwölfte Glaubensartikel betont sodann den Respekt vor irdischen Gesetzen und Herrschern. „Wir glauben, dass es recht ist, einem König, Präsidenten, Herrscher oder Vertreter der Staatsmacht untertan zu sein und das Gesetz zu beachten, zu ehren und für es einzutreten.“ Damit bekennt sich die Kirche ausdrücklich zur Ordnung. Schon Paulus schrieb: „Jedermann sei untertan der obrigkeitlichen Gewalt; denn es gibt keine Obrigkeit außer von Gott“ (Römer 13:1). Auch der Herr selbst lehrte: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ (Matthäus 22:21). Dieses Gleichgewicht von göttlicher und bürgerlicher Loyalität ist kennzeichnend für die Heiligen der Letzten Tage. Es bedeutet nicht, jedes staatliche Handeln als vollkommen zu betrachten, sondern in Gerechtigkeit und Respekt zu leben, während man zugleich den höheren Gesetzen des Reiches Gottes treu bleibt. 

Der dreizehnte Glaubensartikel fasst schließlich die Haltung eines wahren Jüngers Christi zusammen: Ehrlichkeit, Treue, Keuschheit, Güte, Tugend und tätige Liebe. Er ist weniger ein Glaubensbekenntnis als ein Lebensprogramm. In seinen Worten klingt die Ermahnung des Paulus aus Philipper 4:8 an: „Was wahrhaft, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was wohlklingend ist, wenn es irgendeine Tugend gibt und wenn etwas lobenswert ist, darauf seid bedacht.“ Der Artikel schließt mit einem Zeugnis der Hoffnung: „Wir glauben alles, wir hoffen alles, wir haben viel ertragen und hoffen, alles ertragen zu können.“ Jakob lehrt, dass wir durch das Sühnopfer Christi versöhnt werden und so eine lebendige Hoffnung auf Herrlichkeit empfangen, die uns befähigt, rein und standhaft vor Gott zu treten (vgl. Jakob 4:11). 

In diesen letzten Glaubensartikeln zeigt sich der ganze Bogen des Evangeliums: Offenbarung aus der Vergangenheit, Hoffnung für die Zukunft, Freiheit und Tugend in der Gegenwart. Das Reich Gottes ist kein fernes Ideal, sondern eine wachsende Wirklichkeit – in den Herzen derer, die glauben und handeln. Wenn LuB 121:41–46 das Wesen göttlicher Macht beschreibt, geschieht das in denselben Begriffen: Sanftmut, Liebe, Güte, Überzeugung. So wird das Reich Gottes errichtet – nicht durch Zwang, sondern durch Überzeugung, nicht durch Gewalt, sondern durch Licht. 

Offenbarung, Sammlung, Freiheit und Tugend sind vier Pfeiler, auf denen das Leben eines Jüngers Christi ruht. Sie lehren, dass der Glaube nicht in der Vergangenheit verharrt, sondern in die Zukunft blickt. Der Himmel ist offen, der Herr wirkt, und sein Reich wächst – leise, aber unaufhaltsam. Wer diesen Glaubensartikeln folgt, öffnet sich dem Geist fortwährender Führung und lebt zugleich in der Welt mit Rechtschaffenheit und Liebe. 

Am Ende steht die Einladung, sich selbst zu prüfen: Wie offen ist mein Herz für das, was Gott heute offenbaren will – in seiner Kirche und in meinem eigenen Leben? Denn die Glaubensartikel enden nicht mit einem Punkt, sondern mit einem Ausrufezeichen des Vertrauens: Gott lebt, spricht und führt – und er bereitet sein Volk auf das kommende Reich vor. 

findechristus.org

Mittwoch, 10. Dezember 2025

Wir glauben, dass die Bibel das Wort Gottes ist

 

(Bild: Quelle)

„Wir glauben, dass die Bibel, soweit sie richtig übersetzt ist, das Wort Gottes ist; wir glauben auch, dass das Buch Mormon das Wort Gottes ist.“ (Glaubensartikel1: 8

Glaubensartikel 1:6–8 – Die lebendige Kirche Christi – Organisation, Schrift und fortdauernde Offenbarung 

Die Glaubensartikel 6 bis 8 zeigen, dass das Evangelium Jesu Christi eine konkrete, greifbare Form auf Erden besitzt – nicht nur in Lehre, sondern auch in Organisation, Priestertum und heiligen Schriften. Diese drei kurzen Aussagen umreißen das geistige Rückgrat der wiederhergestellten Kirche: eine von Gott bestimmte Ordnung, die fortdauernde Gabe der Offenbarung und das Vertrauen auf das geschriebene Wort als Quelle göttlicher Wahrheit. In ihnen liegt das Bekenntnis, dass das Werk Gottes nicht abgeschlossen ist, sondern durch lebendige Führer und inspirierte Schriften weiterwirkt. 

Im sechsten Glaubensartikel wird bezeugt, dass die Kirche heute dieselbe Organisation besitzt wie die Urkirche, nämlich Apostel, Propheten, Hirten (Bischöfe), Lehrer und Evangelisten (Patriarchen). Diese Ordnung stammt nicht aus menschlicher Überlegung, sondern ist eine Nachbildung der von Christus selbst eingesetzten Struktur. Schon im Neuen Testament beschreibt Paulus, dass Christus „etliche zu Aposteln, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern eingesetzt hat, zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, damit der Leib Christi erbaut werde“ (Epheser 4:11–12). Das Ziel dieser Ämter war nicht Macht oder Status, sondern das Wachstum und die Einheit der Gläubigen. Diese Einheit sollte Bestand haben, „bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen“ (Epheser 4:13) – ein Hinweis darauf, dass die Notwendigkeit göttlicher Ämter fortbesteht, solange die Menschheit noch nicht vollkommen in Christus geeint ist. 

Die Wiederherstellung der Kirche im 19. Jahrhundert verstand sich daher nicht als Neugründung, sondern als Rückkehr zu dieser uralten Ordnung. Als Petrus, Jakobus und Johannes Joseph Smith und Oliver Cowdery die Apostelvollmacht übertrugen (LuB 27:12–13), wurde damit das Muster der biblischen Kirche wiederhergestellt. Auch heute dient diese göttliche Ordnung dazu, die Heiligen zu unterweisen, die Sakramente zu verwalten und die Kirche durch lebende Propheten und Apostel zu leiten. Das Priestertum ist die Verbindung zwischen Himmel und Erde – jene Vollmacht, durch die die heiligen Handlungen gültig werden und der Wille des Herrn auf Erden ausgeführt wird. 

Doch göttliche Ordnung allein genügt nicht. Der siebte Glaubensartikel ergänzt, dass in der Kirche die Gaben des Geistes gegenwärtig sind – Gaben wie Heilung, Weissagung, Offenbarung, Visionen, Zungenrede und Auslegung der Zungen. Diese Gaben waren in der Urkirche lebendig (1 Korinther 12:4–11) und gelten auch heute als Zeichen des wahren Glaubens. Der Heiland versprach: „Diese Zeichen werden denen folgen, die glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Zungen reden, sie werden Kranken die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden“ (Markus 16:17–18). Diese Gaben sind kein Relikt der Vergangenheit, sondern Ausdruck des fortdauernden Wirkens des Heiligen Geistes. 

Im Buch Mormon betont Moroni, dass Gott derselbe ist – „gestern, heute und für immer“ – und dass Wunder aufhören würden, wenn der Glaube aufhöre (Moroni 7:37). Deshalb ruft LuB 46:8–12 die Gläubigen dazu auf, „die besten Gaben ernstlich zu suchen“. Der Heilige Geist teilt jedem Menschen Gaben zu, „damit alle profitieren mögen“. Diese Betonung zeigt, dass geistige Macht nicht einer Hierarchie vorbehalten ist, sondern in allen aufrichtigen Jüngern Christi wirkt. In der Gemeinde zeigt sich das Zusammenspiel von göttlicher Ordnung und geistiger Freiheit – beides untrennbar, weil Organisation ohne Geist leer wäre und Geist ohne Ordnung in Verwirrung mündete. 

In der Frühzeit der Wiederherstellung war die Erfahrung dieser Gaben allgegenwärtig. Viele der ersten Heiligen berichteten von Heilungen, Zungenrede oder Prophetie. Doch zugleich lehrte der Herr, dass solche Manifestationen „in Ordnung“ und „durch den Geist der Wahrheit“ geschehen müssen (vgl. LuB 50:17–23). Dadurch wurde der Maßstab gesetzt: Wahre geistige Macht wirkt in Harmonie mit Priestertum und Schrift, nie in Widerspruch zu ihnen. 

Der achte Glaubensartikel rundet dieses Bild ab, indem er den schriftlichen Maßstab der Wahrheit benennt. Die Kirche bekennt sich sowohl zur Bibel – „soweit sie richtig übersetzt ist“ – als auch zum Buch Mormon als Wort Gottes. Diese Formulierung bezeugt sowohl Ehrfurcht als auch geistige Nüchternheit. Die Bibel ist heilige Schrift; ihre zentrale Botschaft von der Erlösung in Christus ist unerschütterlich. Doch Übersetzungen, Überlieferungen und Interpretationen können menschliche Fehler enthalten. Das Buch Mormon tritt deshalb nicht als Konkurrenz auf, sondern als weiteres Zeugnis, das die Wahrheit der Bibel bestätigt (vgl. 2 Nephi 29:8–10). Beide Schriften zusammen geben ein vollständigeres Bild vom Heilsplan Gottes und bekräftigen, dass Jesus der Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes. 

Dieses Doppelzeugnis lädt zur geistigen Verantwortung ein: Gläubige sollen die Schriften nicht nur lesen, sondern prüfen, vergleichen und durch den Heiligen Geist bestätigen lassen. Moroni 10:4–5 gibt dafür die bekannte Verheißung: Wer diese Dinge liest, darüber nachdenkt und Gott mit aufrichtigem Herzen fragt, wird durch die Macht des Heiligen Geistes die Wahrheit davon erkennen. Ebenso ruft Paulus in 2 Timotheus 3:16 dazu auf, die Schrift als von Gott eingegeben zu betrachten – nützlich „zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit“. 

Die Kombination von Bibel und Buch Mormon schafft eine einzigartige theologische Tiefe. In der Bibel begegnen wir dem historischen Christus; im Buch Mormon begegnen wir dem Zeugen, der ihn Jahrhunderte im Voraus verkündigt und seine Gnade in einer anderen Weltgegend bezeugt. Beide Schriften betonen die gleiche Lehre: den Glauben an Jesus Christus, die Umkehr, die Taufe und das Geschenk des Heiligen Geistes. Die Offenbarung der Neuzeit – Lehre und Bündnisse – steht in diesem Strom und bezeugt, dass Gott weiterhin spricht. So wird das Studium der heiligen Schriften zu einem Dialog zwischen Himmel und Erde: Wir lesen, und Gott antwortet. 

Historisch verdeutlicht der achte Glaubensartikel auch den Stellenwert der Offenbarung in der frühen Kirche. Joseph Smiths Arbeit an der „inspirirten Übersetzung“ der Bibel, die Veröffentlichung des Buches Mormon (1830) und später die Herausgabe von Lehre und Bündnisse machten deutlich, dass die Heiligen Schriften fortgesetzt wachsen, wenn Gott spricht. Damit wird das „Wort Gottes“ nicht auf Papier begrenzt, sondern als fortdauernder Strom göttlicher Wahrheit verstanden, der durch Propheten, Priester und persönliche Offenbarung fließt. 

So bilden die Glaubensartikel 6–8 eine aufeinander aufbauende Bewegung: göttliche Organisation → Geistige Gaben → Heilige Schriften. Gemeinsam lehren sie, dass die Kirche Christi sowohl sichtbare Ordnung als auch unsichtbare Kraft besitzt. Sie ist geformt durch Vollmacht, belebt durch den Geist und gegründet auf das Wort. Dieses Dreifachzeugnis verankert den Glauben nicht im Wechsel der Zeiten, sondern in der beständigen Gegenwart des Herrn. 

Wie kannst du dein tägliches Schriftstudium so gestalten, dass es dich durch den Heiligen Geist zu Christus führt und dich zugleich mit seiner Kirche in Ordnung und Glauben verbindet? 

 findechristus.org

Dienstag, 9. Dezember 2025

Zur Gabe des Heiligen Geistes gerettet werden

 

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„Wir glauben, dass man durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus, durch Umkehr, Taufe durch Untertauchen zur Vergebung der Sünden und durch Handauflegung zur Gabe des Heiligen Geistes gerettet wird.“ (4. GA

Glaubensartikel 1:4–6 – Die göttliche Ordnung von Glauben, Priestertum und Kirche 

Ein herausragender Vers dieser drei Glaubensartikel ist der vierte (4. GA). In dieser knappen, präzisen Form liegt das Fundament des Heilsplans. Joseph Smith beschreibt hier die Abfolge, durch die jeder Mensch in die Nachfolge Christi tritt – vom Glauben über die Umkehr bis zur Bündnisbindung und zum Empfang des Geistes. 

Der erste Grundsatz, der Glaube an den Herrn Jesus Christus, ist der Beginn jeder geistigen Bewegung. Er ist nicht nur Zustimmung zum Dasein Christi, sondern Vertrauen in ihn, Hoffnung auf ihn und Bereitschaft, ihm zu folgen. Wie der Hebräerbrief sagt: „Ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott zu gefallen“ (Hebräer 11:6). Der Glaube ist die innere Kraft, die Handeln hervorbringt; Jakobus lehrt, dass Glaube ohne Werke tot ist (Jakobus 2:17). So ist echter Glaube immer tätig – er führt zum Tun, nicht nur zum Denken. 

Aus diesem Vertrauen wächst der zweite Grundsatz: die Umkehr. Sie ist die natürliche Antwort eines glaubenden Herzens, das den Wunsch verspürt, sich Gott zuzuwenden. Umkehr bedeutet, die Richtung zu ändern, sich von der Sünde abzuwenden und sich Christus zuzuwenden. Alma 5 beschreibt diesen Wandel als das Empfangen des Bildes Christi im eigenen Angesicht. Umkehr ist keine einmalige Tat, sondern ein fortdauernder Zustand geistiger Reinigung. L&B 58:42 verheißt: „Wer umgekehrt ist und seine Sünden bekannt hat, dem ist vergeben.“ 

Darauf folgt die Taufe durch Untertauchen zur Sündenvergebung. Sie ist das äußere Zeichen des inneren Bundes, durch das der Mensch mit Christus begraben und zu einem neuen Leben aufersteht (Römer 6:4). Jesus selbst ließ sich taufen, „um alle Gerechtigkeit zu erfüllen“ (Matthäus 3:15), und machte damit deutlich, dass die Taufe der Eintritt in den Bund Gottes ist. Sie gewährt Vergebung und Aufnahme in die Gemeinschaft der Heiligen. 

Doch der Weg wäre unvollständig ohne die vierte Verordnung: das Händeauflegen zur Gabe des Heiligen Geistes. Nachdem die Gläubigen in Samarien getauft worden waren, legten Petrus und Johannes ihnen die Hände auf, „und sie empfingen den Heiligen Geist“ (Apostelgeschichte 8:17). Diese Handlung überträgt nicht nur einen Segen, sondern gewährt die ständige Begleitung des Geistes, der tröstet, warnt, lehrt und heiligt. Der Heilige Geist ist das Siegel des Bundes – er bestätigt, dass die Umkehr echt war und dass Gott die Hingabe des Menschen annimmt. 

Im fünften Glaubensartikel wird deutlich, dass alle heiligen Handlungen an göttliche Autorität gebunden sind. Niemand kann sich selbst zu einem Amt in der Kirche des Herrn machen, so wie auch im Alten Testament Aaron nur durch Berufung berufen wurde (Hebräer 5:4). Die Berufung geschieht „durch Prophezeiung“, das heißt, durch Offenbarung, und sie wird bestätigt durch Handauflegung derjenigen, die bereits Vollmacht besitzen. Dieses Muster sichert die Reinheit und Einheit des Evangeliums über alle Generationen hinweg. 

Das Priestertum ist somit keine menschliche Institution, sondern eine himmlische Bevollmächtigung. Schon Mose übertrug durch Handauflegung Vollmacht auf Josua (5. Mose 34:9), und Christus berief seine Apostel mit ähnlicher Autorität (Johannes 15:16). In den Letzten Tagen wurde diese Vollmacht durch Johannes den Täufer und durch Petrus, Jakobus und Johannes wiederhergestellt (L&B 1327:12–13). Sie befähigt, im Namen des Herrn zu handeln, und unterscheidet die göttlich eingesetzte Kirche von jeder menschlich gegründeten Organisation. 

Der sechste Glaubensartikel erklärt schließlich, dass die Kirche Jesu Christi nach einem göttlichen Muster organisiert ist. Epheser 4:11–13 erläutert, dass Christus selbst diese Ämter gegeben hat, „um die Heiligen zuzurüsten zum Werk des Dienstes, zum Aufbau des Leibes Christi, bis wir alle zur Einheit des Glaubens gelangen“. Die kirchliche Organisation ist somit nicht Selbstzweck, sondern Werkzeug zur Heiligung. 

In der Wiederherstellung wurde diese Struktur erneut errichtet. Apostel und Propheten sorgen für die Offenbarung und Leitung der Kirche, Hirten und Lehrer stärken und unterweisen die Mitglieder. L&B 107 beschreibt, wie jedes Amt – vom Apostel bis zum Lehrer – in Harmonie wirken soll, damit die Kirche wie ein lebendiger Leib zusammenarbeitet (vgl. 1. Korinther 12:12–27). Diese Ordnung macht deutlich, dass das Reich Gottes ein geordnetes Werk ist, in dem alle Dienste auf Christus als das Haupt ausgerichtet sind. 

Die drei Glaubensartikel 4–6 bilden gemeinsam einen fortlaufenden geistigen Weg. Der vierte beschreibt den persönlichen Eintritt in den Bund durch Glaube, Umkehr, Taufe und die Gabe des Heiligen Geistes. Der fünfte erklärt, wie diese heiligen Handlungen durch göttlich Berufene vollzogen werden. Der sechste zeigt, dass diese Berufungen Teil einer geordneten Kirche sind, die nach demselben Muster wirkt wie in der Zeit der Apostel. So spannt sich der Bogen von der individuellen Bekehrung bis zur kollektiven Heiligung. 

In einer Zeit, in der viele Menschen ihren Glauben individualisieren und institutionelle Religion ablehnen, wirken diese Glaubensartikel wie eine Erinnerung daran, dass das Evangelium immer zugleich persönlich und gemeinschaftlich ist. Der Herr beruft, segnet und führt Menschen nicht im luftleeren Raum, sondern in einer geordneten Gemeinschaft, in der jeder durch Bündnisse, Berufungen und den Geist gestärkt wird. Der Glaube führt zur Umkehr, die Umkehr zur Taufe, die Taufe zur Gabe des Heiligen Geistes – und all das findet unter der Leitung derer statt, die in göttlicher Ordnung berufen wurden. 

Die göttliche Ordnung des Evangeliums ist also kein starres System, sondern eine lebendige Verbindung zwischen Himmel und Erde. Sie beginnt im Herzen des Einzelnen und wächst in der Gemeinschaft der Heiligen. Sie zeigt, dass Gott ein Gott der Ordnung ist (1. Korinther 14:33) und dass sein Werk auf Einheit, Vollmacht und Offenbarung beruht. 

Wie kannst du durch deinen persönlichen Glauben, deine Bündnistreue und deinen Dienst in der Kirche dazu beitragen, dass diese göttliche Ordnung des Evangeliums in deinem Leben und in deiner Gemeinde sichtbar wird? 

findechristus.org

Montag, 8. Dezember 2025

Wir glauben an

 

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“Wir glauben an Gott, den ewigen Vater, und an seinen Sohn, Jesus Christus, und an den Heiligen Geist.” (Glaubensartikel 1:1). 

Einführung und historischer Hintergrund 

Die ersten drei Glaubensartikel bilden den Kern unseres Verständnisses von Gott, Sünde und Erlösung (Glaubensartikel1: 123). 

Die Glaubensartikel wurden 1842 in dem sogenannten Wentworth-Brief von Joseph Smith formuliert. John Wentworth, Herausgeber des Chicago Democrat, hatte Smith gebeten, eine kurze Darstellung der Geschichte, Lehren und des Glaubens der Heiligen der Letzten Tage zu verfassen, um einem Freund bei einer Geschichtsarbeit über Neuengland zu helfen (The Wentworth Letter). Im Anschluss an den historischen Teil fügte Smith jene 13 Glaubensartikel hinzu, die kurz und bündig die wichtigsten Überzeugungen der Kirche zum Ausdruck bringen sollten (The Wentworth Letter). Später wurden diese Artikel in die Köstliche Perle aufgenommen und zu einem offiziellen Teil der heiligen Schriften der Kirche (The Articles of Faith).  

Insbesondere legt der erste Artikel das Fundament für das Verhältnis zum Göttlichen: die gemeinsame Ausrichtung auf Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die nächsten beiden Artikel vertiefen das Verständnis von individueller Verantwortlichkeit (kein Erbsündenprinzip) und der Bedeutung des Sühnopfers Jesu. 

In seiner Rede „The Only True God and Jesus Christ Whom He Hath Sent“ betont ein moderner Führer der Kirche, dass wir an drei göttliche Personen glauben, die in Einheit zusammenwirken – nicht in der klassischen Trinitätslehre, sondern als drei getrennte, aber in Zweck und Wesen vereinte Wesen (The Only True God and Jesus Christ Whom He Hath Sent). 

Mit diesem geschichtlichen und theologischen Rahmen wollen wir uns nun näher mit der Lehre und Bedeutung dieser Glaubensartikel beschäftigen. 

Lehre und Bedeutung 

Artikel 1 – Die Gottheit: Vater, Sohn und Heiliger Geist 

In vielen traditionellen christlichen Lehren wird die Dreifaltigkeit (Trinität) betont: drei Personen in einem Wesen, oft in mystischer Sprache erklärt. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage lehrt stattdessen, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist drei getrennte Personen sind, aber in Einheit des Ziels, Charakters und Wirkens vereint – eine Einheit des Zwecks, nicht der Substanz (Do Members of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints Believe in the Trinity?). 

Diese Sicht ist Teil des Wiederherstellungsprinzips: Viele frühchristliche Lehren seien verfälscht worden, und Joseph Smith stellte eine ursprüngliche Offenbarung wieder her, die eine konkrete, persönliche Gottesbeziehung ermöglicht. In dieser Sicht ist Gott, der Vater, ein Körper, ebenso Christus und der Heilige Geist in seiner Rolle, aber ohne materiellen Körper – dennoch real und persönlich. Diese Lehre unterscheidet sich deutlich von abstrakten, theologischen Definitionen eines einzigen göttlichen Wesens (The Articles of Faith). 

Dass der erste Glaubensartikel diesen Gottesbegriff betont, zeigt, wie zentral das richtige Verständnis Gottes in unserem Glaubensleben ist. Es geht nicht um philosophische Spekulation, sondern um die Beziehung zu einem liebenden himmlischen Vater und seinem Sohn, sowie um die ständige Gegenwart des Heiligen Geistes. 

Artikel 2 – Verantwortung für eigene Sünden 

Der zweite Glaubensartikel spricht eine klare Lehre gegen die Idee, dass jemand für die Sünde Adams bestraft wird. Jeder Mensch wird nach seinen eigenen Entscheidungen und Taten gerichtet. Diese Betonung der persönlichen Verantwortlichkeit hebt den Fokus auf Umkehr, Reue und ein aktives Leben im Evangelium. 

Das bedeutet: Schuld und Vergebung sind nicht – wie in manchen Traditionen gelehrt – automatisch oder kollektiv, sondern eng verbunden mit persönlichem Handeln und Bereuen. Der Mensch ist kein passives Opfer einer Erbsünde, sondern ein handelndes Wesen, das zur Umkehr und zum Wandel eingeladen ist. 

Artikel 3 – Das Sühnopfer und die Errettung 

Der dritte Glaubensartikel ist eng mit dem zweiten verknüpft und verkündet: durch das Sühnopfer Christi können alle Menschen errettet werden, sofern sie die Gesetze und Verordnungen des Evangeliums beachten. Das heißt: Erlösung ist möglich – nicht durch menschliche Werke allein, sondern durch das Sühnopfer Jesu und durch gelebten Glauben, der sich in Gesetz und Verordnung ausdrückt. 

Dieses Verständnis verbindet Gnade und Verantwortung: Wir können die Vergebung nicht „verdienen“ im rein menschlichen Sinne, doch wir sind aufgerufen, aktiv im Evangelium mitzuwirken, Gebote zu halten, umkehren, taufen und den Heiligen Geist empfangen. Die Gnade Christi deckt die Lücke zwischen unserer Unzulänglichkeit und Gottes Forderung. 

Insbesondere betonen wir, dass alle Menschen diese Möglichkeit haben, nicht nur Auserwählte. Das ist ein universaler und inklusiver Glaube an die Wirksamkeit des Sühnopfers. 

Verbindung zu Schriften: 2 Nephi 2, Mosia 3, Johannes 1 

  • In 2 Nephi 2 spricht Lehi von der Notwendigkeit der Sühnung, damit der Tod überwunden werden kann, und dass die Menschen zur Freiheit kommen (Sterblichkeit und Unsterblichkeit). 
  • In Mosia 3 lehrt Alma Propheten eine klare Vision des Christus-Leidens, seiner Schmerzen und seiner Erlösung, damit der Tod besiegt und die Menschen wiederhergestellt werden können. 
  • In Johannes 17 betet Jesus zum Vater, dass seine Jünger eins seien „wie wir eins sind“ – eine Einheit im Ziel, nicht in Substanz, was unser Verständnis der Gottheit ergänzt (Einheit in Absicht, nicht in Wesen). 

Diese Texte zeigen, dass das Konzept von Sühnung, Einheit und persönlicher Errettung biblisch fundiert ist und in der Wiederherstellungslehre eine klare Fortführung findet. 

Persönliche Anwendung und Alltag 

Wie zeigt sich mein Glaube an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist im täglichen Leben? Hier einige praktische Aspekte: 

A. Gebet – direkte Beziehung zum himmlischen Vater 

Wenn ich bete, wende ich mich nicht an eine unpersönliche Macht, sondern an meinen himmlischen Vater, in Nähe, mit Vertrauen und Respekt. Indem ich Jesus anrufe und im Namen des Sohnes bete, anerkenne ich Seine Rolle als Mittler, aber auch als eigenständige Gottheit. Ich bitte ebenso um den Beistand des Heiligen Geistes, um Führung, Trost und Erkenntnis. 

B. Umkehr und Verantwortung 

Ich übernehme Verantwortung für meine Entscheidungen und Fehler – ich suche Umkehr, danke für Vergebung durch Christus und strebe danach, besser zu handeln. Ich glaube, dass Fehler nicht automatisch vergeben werden, sondern dass Umkehrprozess, Reue und Wandel notwendig sind. 

C. Gesetze und Verordnungen leben 

Der Glaube fordert nicht nur inneres Empfinden, sondern ein gelebtes Leben: Gebote zu halten, Dienst zu tun, gütig zu sein, das Evangelium zu praktizieren. Durch das Bemühen, Gottes Gebote einzuhalten, bringe ich meinen Glauben zum Ausdruck. 

D. Vertrauen auf Gnade und Erlösung 

Wenn ich in Herausforderungen stehe, erinnere ich mich daran, dass das Sühnopfer Christi die Grundlage meiner Hoffnung ist. Ich weiß, dass ich durch Sein Opfer Vergebung, Heilung und Erneuerung finden kann – nicht durch meine Leistung allein, sondern durch Sein Sühnopfer. 

E. Mit anderen teilen 

Indem ich über meine Überzeugungen rede – wer Gott ist, was Christus getan hat, wie der Heilige Geist wirkt – lege ich Zeugnis ab. Genauso, wie Joseph Smith die Glaubensartikel formulierte, kann ich mich bemühen, klar, schlicht und dennoch kraftvoll zu sprechen, wenn Menschen fragen. 

Ein weiterer Aspekt: in interreligiösen Gesprächen kann ich mit den Glaubensartikeln einen kompakten, aber tiefen Einstieg bieten, so wie sie seit jeher auch von Führern der Kirche zur Orientierung empfohlen werden (The Articles of Faith). 

Wie kannst du in den nächsten 30 Tagen bewusst in deinem Alltag zeigen, was du über den himmlischen Vater, Christus und den Heiligen Geist glaubst – in Gebet, Umkehr, Gehorsam und Zeugnis – und in welchem Bereich deines Lebens brauchst du gerade jetzt besonders das Sühnopfer von Jesus Christus? 

findechristus.org

Samstag, 6. Dezember 2025

Getreue Älteste predigen den Toten in Finsternis das Licht

 

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„Ich sah, dass die getreuen Ältesten dieser Evangeliumszeit nach ihrem Hinscheiden aus dem irdischen Leben mit ihrer Arbeit fortfahren, indem sie das Evangelium der Umkehr und der Erlösung durch das Opfer des einziggezeugten Sohnes Gottes unter denen verkündigen, die in der großen Welt der Geister der Toten in Finsternis und unter der Knechtschaft der Sünde sind.“ (Lehre und Bündnisse 138:57). 

Lehre und Bündnisse 138:38–60 

Die große Versammlung der Gerechten (Verse 38–42) 

Nachdem Joseph F. Smith die Gegenwart Christi in der Geisterwelt geschaut hat, sieht er nun jene, die dort im Auftrag des Herrn wirken. Er erkennt Adam, „den Urvater des Menschengeschlechts“, bekannt als Michael, der Erzengel, umgeben von den Patriarchen und Propheten der alten Welt. Diese Szene zeigt: Das Werk des Heils ist nicht auf die Erde beschränkt. Die göttliche Ordnung des Priestertums reicht über die Grenzen des Todes hinaus. 

Adam, Abel, Seth, Noah, Abraham, Mose, Elias und viele andere dienen als Werkzeuge in der Hand Christi. Die Geisterwelt ist ein Ort göttlicher Organisation – kein Chaos, sondern eine Fortsetzung der priesterlichen Ordnung, die seit der Schöpfung besteht. Schon L&B 27:12–13 spricht davon, dass diese großen Propheten Christus die Schlüssel ihres Dienstes übergeben. Dasselbe Muster findet Joseph F. Smith jenseits des Schleiers wieder. 

Hier wird offenbar: Das Priestertum und das Evangelium sind ewig. Tod und Zeit verändern nichts am Auftrag Gottes. Wer hier treu dient, wird dort fortfahren – und so entsteht eine durchgehende Linie von Adam bis zu den Heiligen der Letzten Tage. 

Die Erweiterung auf alle Treuen (Verse 43–48) 

In diesen Versen erkennt Joseph F. Smith, dass das Werk der Verkündigung nicht nur den großen Führern vorbehalten ist. Auch „unzählige“ Männer und Frauen, die dem Herrn in Treue dienten, wirken in der Geisterwelt. Sie werden „Boten“ Christi, die das Licht dorthin bringen, wo Finsternis herrscht. 

Diese Vision steht im Einklang mit Jesaja 49:9, wo der Herr zu seinem Diener spricht: „Ich habe dich dazu bestimmt, den Gefangenen zu sagen: Geht hinaus!“ – ein prophetisches Bild für die Befreiung der Seelen aus geistiger Gefangenschaft. 

Das Werk in der Geisterwelt folgt denselben Grundsätzen wie auf der Erde: Verkündigung, Umkehr, Barmherzigkeit und freie Entscheidung. Niemand wird gezwungen zu glauben; jeder erhält Gelegenheit, das Evangelium zu hören. So erfüllt sich die göttliche Gerechtigkeit: „Denn auch Toten ist das Evangelium dazu verkündet worden, dass sie zwar wie Menschen gerichtet werden im Fleisch, aber wie Gott das Leben haben im Geist.” (1 Petrus 4:6). 

Die Geisterwelt ist also nicht Endstation, sondern Missionsgebiet – bevölkert von Boten der Liebe. 

Generationenübergreifende Kontinuität (Verse 49–53) 

Joseph F. Smith sieht, dass die großen Glaubensgestalten der vorchristlichen Zeit – von Abel bis zu den Propheten Israels – alle in diesem Werk verbunden sind. Der Bund Gottes ist fortlaufend, unabhängig von der Epoche. 

Diese Erkenntnis betont das Prinzip der Bündnistreue über Generationen hinweg. Abraham, Isaak, Jakob und Mose wirken weiter an demselben Werk, das Christus führt. Die Bündnisse, die sie geschlossen haben, waren nie auf Sterblichkeit beschränkt. 

Alma 40:12 beschreibt, dass „den Gerechten ein Zustand des Friedens gewährt“ wird – und dieser Friede besteht nicht in Untätigkeit, sondern im aktiven Mitwirken am Heilsplan. So werden Himmel und Erde, Vergangenheit und Gegenwart zu einem großen, lebendigen Netz göttlicher Mission. 

Die Heiligen der Letzten Tage im fortgesetzten Werk (Verse 54–58) 

Dann richtet Joseph F. Smiths seinen Blick auf die eigene Zeit. Er sieht die „großen und treuen Männer und Frauen, die in den letzten Tagen das Fundament für das Werk der Erlösung gelegt haben“. Dazu zählen Joseph Smith, Brigham Young, John Taylor, Wilford Woodruff und viele andere, die zu Lebzeiten unermüdlich das Evangelium verkündigten. 

Diese Vision offenbart eine entscheidende Wahrheit: Das Werk der Erlösung ist generationsübergreifend und partnerschaftlich. Die Lebenden und die Toten wirken Hand in Hand. L&B 128:18 drückt das klar aus: „Denn ohne sie können wir nicht vollkommen gemacht werden, und auch sie können nicht ohne uns vollkommen gemacht werden.“ 

Tempelarbeit erhält hier ihre höchste geistige Bedeutung. Wenn Heilige auf Erden in heiligen Handlungen für Verstorbene dienen, sind sie buchstäblich Teil der gleichen Mission, die in der Geisterwelt fortgesetzt wird. Das Werk Gottes ist eins, es ist auf beiden Seiten des Schleiers sichtbar. 

Der universale Auftrag Christi (Verse 59–60) 

In den abschließenden Versen erkennt Joseph F. Smith das Wesen dieses Werkes in seiner göttlichen Gesamtheit: Christus selbst ist der Befreier. Er bringt Licht zu denen, die „in Finsternis und im Schatten des Todes sitzen“ – eine direkte Erfüllung seiner Worte aus Lukas 4:18, wo er erklärt, er sei gesandt, „Gefangenen Befreiung zu verkünden“. 

Damit wird deutlich: Das Werk in der Geisterwelt ist nicht ein Nebenakt des Heilsplans, sondern dessen logische Vollendung. Es ist Ausdruck göttlicher Liebe und vollkommener Gerechtigkeit. Kein Mensch wird vergessen, keine Seele übersehen. 

Diese Offenbarung vermittelt Hoffnung angesichts des Todes. Joseph F. Smith, der selbst viele seiner Kinder und Freunde verloren hatte, empfing darin Trost und Zuversicht: Das Werk des Herrn endet nie, und der Tod hat keine Macht, das Evangelium aufzuhalten. 

Geistliche Bedeutung und heutige Anwendung 

Diese Vision lädt uns ein, über die Ewigkeit unserer Berufung nachzudenken. Jeder, der Christus folgt, wird Teil seines Missionswerkes – jetzt und später. Wenn wir heute Zeugnis geben, Familienbande festigen oder Tempelarbeit verrichten, schließen wir uns der gleichen Bewegung an, die Joseph F. Smith im Jenseits sah. 

Vers 57 erinnert uns daran, dass wahre Jüngerschaft über den Tod hinauswirkt. Treue Älteste – und ebenso treue Schwestern – setzen ihr Werk fort. Im Reich der Geister dienen sie mit demselben Eifer, den sie auf Erden gezeigt haben. Diese Erkenntnis ruft uns auf, im Diesseits entschlossen zu handeln, denn unsere Arbeit endet nicht mit dem Tod, sie verwandelt sich. 

Wenn wir wissen, dass der Dienst für Christus nicht an der Schwelle des Todes endet – wie können wir heute leben, um würdig zu sein, eines Tages im gleichen Werk der Befreiung und des Lichts weiterzuwirken? 

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