Donnerstag, 4. Dezember 2025

Tiefer als je zuvor berührten mich beim Lesen die folgenden Stellen

 

(Bild: Quelle)

Ich schlug die Bibel auf und las im Ersten Brief des Petrus das dritte und vierte Kapitel, und tiefer als je zuvor berührten mich beim Lesen die folgenden Stellen.“ (Lehre und Bündnisse 138:6

Lehre und Bündnisse 138:1–10 – Historischer Hintergrund und Beginn der Vision 

Der geistige und historische Kontext von 1918 

Die Vision des Präsidenten Joseph F. Smith vom 3. Oktober 1918 entstand in einer Zeit des Schmerzes und der Erschütterung. Der Erste Weltkrieg ging gerade zu Ende, doch Millionen Menschen betrauerten ihre Toten. Hinzu kam die Spanische Grippe, die innerhalb weniger Monate weltweit mehr Leben forderte als der Krieg selbst. Inmitten dieses Leids suchten viele nach Trost und Hoffnung – nach einer Antwort auf die Frage, was mit den Toten geschieht. 

Joseph F. Smith, der sechste Präsident der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, war selbst zutiefst betroffen. Mehrere seiner Kinder waren verstorben, und wenige Monate vor der Offenbarung hatte er seinen Sohn Hyrum Mack Smith, ein Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel, verloren. Auch seine eigene Gesundheit war angeschlagen. Der Prophet stand am Ende eines langen, arbeitsreichen Lebens, das von Glauben, Prüfungen und tiefem geistigen Nachdenken geprägt war. 

Wie der Historiker Steven C. Harper (sinngemäß zusammengefasst aus Doctrine and Covenants Contexts) beschreibt, trat Joseph F. Smith in seinen letzten Lebensmonaten „aus der Rolle des Verwalters und Führers in die des Sehers und Zeugen des Sieges Christi über den Tod“. Die Welt sah Gräber und Verzweiflung – doch der Prophet sah Hoffnung, Leben und göttliche Ordnung jenseits des Schleiers. 

Diese Offenbarung war nicht nur eine persönliche Antwort auf Trauer, sondern ein universelles Zeugnis über die fortdauernde Wirksamkeit des Erlösers. Sie öffnete den Blick in die Geisterwelt, wo Christus selbst die frohe Botschaft verkündet und Sein Erlösungswerk fortsetzt. 

Verse 1–4: Nachsinnen über die Schriften 

Am dritten Oktober des Jahres neunzehnhundertachtzehn saß ich in meinem Zimmer und sann über die Schriften nach“ (Vers 1). 

So schlicht beginnt eine der tiefsten Offenbarungen der Neuzeit. Kein dramatisches Ereignis, keine himmlische Erscheinung zu Beginn – nur ein alter Prophet, der still über die Schriften nachdenkt. Gerade in dieser Einfachheit liegt ein großes geistiges Prinzip: Offenbarung erwächst aus dem stillen, gläubigen Nachsinnen über das Wort Gottes. 

Joseph F. Smith dachte, wie er sagt, „über das große, sühnende Opfer, das der Sohn Gottes für die Erlösung der Welt vollbracht hatte“ (Vers 2) und über die „wunderbare Liebe“ des Vaters und des Sohnes (Vers 3) nach. Sein Geist richtete sich nicht auf weltliche Sorgen, sondern auf die zentrale Wahrheit des Evangeliums: dass Christus den Tod überwand, „um die Bande des Todes zu brechen“ (Vers 4). 

Diese Verse zeigen uns, dass wahre geistige Erkenntnis selten plötzlich kommt. Sie wächst in einem Herzen, das bereit ist, zu hören. Joseph F. Smith studierte, betete, sann nach – und empfing. 

Verse 5–6: Der Weg zur Offenbarung 

In Vers 5 heißt es: 
Ich sann über die große und wunderbare Erlösung nach, die durch den Sohn Gottes zustande gekommen war, und ich erhob mein Herz in Danksagung zu Gott für seinen eingeborenen Sohn, Jesus Christus.“ 

Diese Worte zeigen das Muster der Offenbarung: Dankbarkeit öffnet die Tür zur Inspiration. Joseph F. Smith richtete seinen Sinn nicht auf sich selbst oder seine Trauer, sondern auf Christus und dessen Liebe. 

Darauf folgt Vers 6
Ich schlug die Bibel auf und las im Ersten Brief des Petrus das dritte und vierte Kapitel, und tiefer als je zuvor berührten mich beim Lesen die folgenden Stellen.“ 

Hier sehen wir, wie Gott durch die Schriften spricht. Der Prophet suchte Trost und fand ihn nicht in eigenen Gedanken, sondern im inspirierten Wort. Besonders 1. Petrus 3:18–20 und 4:6 – die Stellen über Christus, der den Geistern im Gefängnis predigte – wurden für ihn zu einem Tor der Offenbarung. 

doctrineandcovenantscentral.org erläutert (sinngemäß), dass dieser Moment ein Beispiel für das Muster ist, wie Propheten Offenbarung empfangen: Sie wenden sich den Schriften zu, und während sie lesen und nachsinnen, öffnet der Geist neue Einsichten. Joseph F. Smith las bekannte Verse, doch „tiefer als je zuvor“ – und diese geistige Tiefe bereitete ihn auf die Vision vor, die folgen sollte. 

Verse 7–10: Die Vorbereitung auf die Vision 

Während er las, kam der Geist des Herrn über ihn. In Vers 7 heißt es, dass ihm „beim Lesen dieser Stellen der Geist des Herrn die Augen des Verständnisses öffnete“. Diese Worte erinnern an L&B 76:12: „Durch die Kraft des Geistes öffneten sich uns die Augen des Verständnisses.“ Offenbarung folgt einem Muster: Erst das Wort, dann das Licht. 

In diesen Versen beginnt Joseph F. Smith, das Wirken Christi zwischen Tod und Auferstehung zu begreifen. Er sah geistig, was Petrus bezeugt hatte – dass Christus in die Geisterwelt ging, um „den Geistern, die im Gefängnis waren, zu predigen“ (1. Petrus 3:19). 

Er verstand, dass das Erlösungswerk universell ist. Der Tod begrenzt Christus nicht; im Gegenteil, durch den Tod öffnet Er die Tür für alle, die je gelebt haben. In den folgenden Versen (ab Vers 11) wird diese Erkenntnis zu einer umfassenden Vision, aber schon hier – in den ersten zehn Versen – legt der Herr den Grundstein: Der Erlöser vergisst keine Seele. 

gospeldoctrine.com kommentiert (sinngemäß), dass Joseph F. Smith diese Wahrheit nicht als neue Lehre empfing, sondern als erweiterte Einsicht in bereits offenbarte Prinzipien. Der Heilige Geist half ihm, zu sehen, was schon immer im Evangelium enthalten war – ähnlich wie bei den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, denen „die Augen geöffnet wurden“ (Lukas 24:31). 

Heutige Anwendung 

Diese ersten zehn Verse sind ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie Offenbarung im Alltag entsteht: 

  1. Ruhe und Nachsinnen: Joseph F. Smith „saß in seinem Zimmer und sann nach“. Auch wir brauchen solche Momente geistiger Stille, fern vom Lärm der Welt. 
  1. Dankbarkeit und Fokus auf Christus: Statt sich auf Schmerz und Verlust zu konzentrieren, richtete der Prophet seinen Blick auf den Erretter. Dankbarkeit öffnet das Herz. 
  1. Studium der Schriften: Er schlug die Bibel auf. Der Geist wirkt durch das Wort – nicht als Ersatz, sondern als Erweiterung. 
  1. Einsicht durch den Heiligen Geist: Schließlich wurden „die Augen des Verständnisses“ geöffnet. 

Diese einfache, aber tiefgreifende Abfolge kann auch unser persönliches Offenbarungsmuster sein. Wenn wir über die Liebe Christi nachdenken, das Wort studieren und in Demut danken, kann der Geist uns ebenfalls „tiefer als je zuvor“ berühren. 

Wann habe ich das letzte Mal die Schriften so gelesen, dass sie mich „tiefer als je zuvor“ berührt haben – und wie kann ich in meinem täglichen Leben diese geistige Haltung des stillen Nachsinnens pflegen? 

findechristus.org

Mittwoch, 3. Dezember 2025

Gott richtet gemäß unseren Werken und Herzenswünschen

 

(Bild: Quelle)

„Denn ich, der Herr, werde alle Menschen gemäß ihren Werken richten, gemäß den Wünschen ihres Herzens.“ (Lehre und Bündnisse 137:9). 

Wie können wir verstehen, dass Gottes Gerechtigkeit sowohl die Werke als auch die Wünsche des Herzens berücksichtigt und gleichzeitig alle Menschen, selbst Kinder vor der Verantwortlichkeit, in Barmherzigkeit einschließt? 

Lehre und Bündnisse 137:9–10Das Prinzip der gerechten Beurteilung und die Errettung der Kinder 

Nachdem Joseph Smith in den Versen 6–8 die Barmherzigkeit Gottes für seine verstorbenen Familienmitglieder erlebt hatte, richtet sich seine Vision nun auf das Prinzip der gerechten Beurteilung. Vers 9 betont: „Denn ich, der Herr, werde alle Menschen gemäß ihren Werken richten, gemäß den Wünschen ihres Herzens.“ Dieser Leitgedanke zeigt, dass Gottes Gerechtigkeit maßgeschneidert auf jedes Individuum wirkt (dass sowohl das äußere Handeln als auch die inneren Absichten eines Menschen in Gottes Urteil einfließen). Joseph erkennt, dass kein Mensch willkürlich beurteilt wird; Gottes Plan berücksichtigt die wahren Absichten des Herzens ebenso wie die sichtbaren Werke. 

Historisch befand sich die Kirche 1836 in Kirtland in einer Phase intensiver geistiger Vorbereitung, in Erwartung der Tempelweihung. Die Vision zeigt, dass Gottes Urteil alle Umstände des Lebens, das Herz und die Handlungen, sowohl der Lebenden als auch der Verstorbenen, umfasst (dass Gottes Maßstab vollkommen, aber gleichzeitig barmherzig ist). Josephs Verständnis offenbart, dass Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht im Widerspruch stehen, sondern harmonisch koexistieren, sodass niemand nach menschlichen Maßstäben ungerecht behandelt wird. 

In dieser Perspektive wird deutlich, dass Gottes Plan der Erlösung universell, gerecht und geordnet ist. Die Parallelen zu anderen Schriften vertiefen das Verständnis: In Römer 2:12–16 beschreibt Paulus, dass Menschen nach Maßgabe ihres Gewissens gerichtet werden, selbst wenn sie das Gesetz nicht kannten (dass inneres Wissen, Absicht und Herzeseinstellung entscheidend sind). In Alma 29:5 zeigt sich, dass der Wunsch, anderen zum Heil zu verhelfen, von Gott gesehen und gesegnet wird (dass Gott die innere Absicht und nicht nur die Handlung bewertet). Ebenso betont 2 Nephi 9:25–26, dass Gott die Wahlfreiheit des Menschen achtet, die Verantwortung jedes Einzelnen berücksichtigt und dennoch allen die Möglichkeit zur Errettung bietet (dass Errettung und persönliche Verantwortung Hand in Hand gehen). 

Vers 10 erweitert die Lehre um ein weiteres Element: „Und ich sah auch, dass alle Kinder, die sterben, ehe sie die Jahre der Verantwortlichkeit erreicht haben, im celestialen Reich des Himmels errettet sind.“ 

Hier wird die umfassende Barmherzigkeit Gottes sichtbar (unschuldige Kinder sind vollständig gesichert und können die himmlische Herrlichkeit erlangen). Joseph erkennt, dass Gottes Plan nicht auf menschliche Vorstellungen von Verdienst oder Zeit gebunden ist. Selbst diejenigen, die noch nicht in der Lage waren, moralische Entscheidungen zu treffen, sind in Gottes Reich geborgen. Die Kombination von Vers 9 und 10 zeigt: Gottes Gerechtigkeit richtet sich nach Werken und Herzenswünschen, und gleichzeitig schließt die Barmherzigkeit die Unschuldigen ein, wodurch ein ausgewogenes, ewiges System göttlichen Gerichts entsteht. 

Diese Offenbarung vertieft die familiäre und generationsübergreifende Perspektive des Heilsplans. Joseph sieht, dass nicht nur die Lebenden, sondern auch die Verstorbenen, einschließlich Kinder vor der Verantwortlichkeit, Teil der himmlischen Ordnung sind. Dies bereitet den geistigen Boden für die spätere Tempelpraxis der stellvertretenden Taufe, die sicherstellt, dass Verstorbene Zugang zur Erlösung haben (dass Gottes Plan alle Generationen und Lebensumstände berücksichtigt). 

Auf persönlicher Ebene lädt diese Vision dazu ein, über die eigenen Werke und die Ausrichtung des Herzens nachzudenken. Josephs Staunen über Gottes perfekte Gerechtigkeit (seine Ergriffenheit über die Balance zwischen Herz und Werken im göttlichen Urteil) lehrt, dass wir unser Leben bewusst nach Prinzipien ausrichten sollten, die ewige Gültigkeit haben. Dazu gehört die Bereitschaft zu Umkehr, die Pflege innerer Integrität und die Ausrichtung des Herzens auf Gott und die Nächsten. 

Die Vision lehrt auch Demut im Umgang mit anderen Menschen. Wir kennen weder alle Umstände noch die inneren Absichten anderer, doch Gott sieht alles und richtet vollkommen gerecht. Josephs Erfahrung fordert uns auf, Mitgefühl zu kultivieren, im Gebet verbunden zu bleiben und durch unseren Dienst aktiv am Heil anderer mitzuwirken (dass wir Teil von Gottes Plan sein können, ohne zu richten, weil Gott selbst alle Herzen kennt). 

Die Integration von Querverweisen macht deutlich, dass dieses Prinzip universell ist. In Römer 2 wird das Urteil nach Herz und Gewissen erläutert, in Alma 29 wird die Wertschätzung von innerem Streben dargestellt, und in 2 Nephi 9 wird die Freiheit und Verantwortung des Menschen betont. Josephs Vision konkretisiert diese Ideen, indem sie zeigt, dass Gott jeden Menschen fair beurteilt und gleichzeitig Barmherzigkeit übt, insbesondere gegenüber Unschuldigen und jenen, die nicht die Chance hatten, das Evangelium zu empfangen. 

Praktisch bedeutet dies für uns: Wir können Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen, Bündnisse halten, Umkehr üben und gleichzeitig aktiv zur Errettung anderer beitragen. Tempelarbeit, Gebet und Dienst am Nächsten werden Ausdrucksformen der Erkenntnis, dass Gottes Gerechtigkeit sowohl Werke als auch Herzenseinstellung berücksichtigt (dass wir als Lebende Teil des Heilsplans für andere sein können). Die Vision stärkt Vertrauen und Hoffnung, vermindert Angst vor dem Tod und ermutigt zu Mitgefühl, Dienstbereitschaft und innerer Ausrichtung. 

Abschließend verdeutlichen die Verse 9–10, dass Gottes Gericht vollständig, gerecht und barmherzig ist. Josephs persönliche Erfahrung mit dem Prinzip, dass Menschen nach Werken und Herzeseinstellung gerichtet werden und dass unschuldige Kinder errettet sind, zeigt, dass Gottes Ordnung alle einschließt (dass sowohl Gerechtigkeit als auch Barmherzigkeit auf ewiger Weisheit basieren). Diese Lehre ermutigt uns, Vertrauen zu haben, bewusst nach Gottes Prinzipien zu leben und aktiv am Heil anderer mitzuwirken. 

findechristus.org

Dienstag, 2. Dezember 2025

Nicht zur Vergebung der Sünden getauft worden war

 

(Bild: Quelle)

„Und verwunderte mich, wie es war, dass er in dem Reich ein Erbteil erlangt hatte, in Anbetracht dessen, dass er aus diesem Leben geschieden war, ehe der Herr seine Hand erhoben hatte, Israel zum zweiten Mal zu sammeln, und nicht zur Vergebung der Sünden getauft worden war.“ (Lehre und Bündnisse 137:6). 

Was lehrt uns Josephs Verwunderung über die Tiefe göttlicher Barmherzigkeit und über den ewigen Plan des Heils für alle Menschen? 

Josephs Familie und das Miterben der Herrlichkeit (L&B 137:6-8) 

Nachdem Joseph Smith in den ersten Versen die Herrlichkeit des celestialen Reiches und das leuchtende Tor erblickt hatte, wendet sich seine Vision nun einem sehr persönlichen Bereich zu: seiner eigenen Familie. Im Zentrum steht sein Bruder Alvin, der früh verstorben war und die heilige Taufe noch nicht empfangen hatte. Josephs unmittelbare Reaktion ist Verwunderung (Staunen und inneres Fragen), da er wusste, dass Alvin die irdischen Voraussetzungen für das Heil noch nicht erfüllt hatte. Dieses Staunen markiert den Übergang von der allgemeinen Darstellung himmlischer Herrlichkeit zu einer tief persönlichen Offenbarung über Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. 

Historisch befand sich die Kirche 1836 in Kirtland in einer Phase intensiver geistiger Vorbereitung. Die Weihe des Tempels stand bevor, und Themen wie Erlösung, ewige Familie und heilige Bündnisse waren besonders präsent. Josephs Vision von Alvin verdeutlicht, dass Gottes Plan über die Grenzen des irdischen Lebens hinaus wirkt (dass das Heil nicht an das Lebensende auf der Erde gebunden ist) und dass auch Verstorbene Anteil an der himmlischen Herrlichkeit erhalten können. 

Vers 7 lautet: 

„Alle, die gestorben sind, ohne von diesem Evangelium zu wissen, die es aber angenommen hätten, wenn sie hätten verweilen dürfen, werden Erben des celestialen Reiches Gottes sein;“ 

Diese Zusicherung zeigt die universale Gerechtigkeit Gottes. Joseph erkennt, dass der Maßstab für Errettung nicht allein irdischer Gehorsam oder Rituale ist, sondern die innere Bereitschaft, Gottes Willen zu empfangen (Gottes Plan für das Heil übersteigt unsere menschlichen Vorstellungen). Alvin, der vor der Wiederherstellung der heiligen Handlungen gestorben war, erhält so Anteil am Reich Gottes. Josephs anfängliche Verwunderung verwandelt sich in tiefe Zuversicht über die Barmherzigkeit des Herrn. 

Die Vision offenbart auch die familiäre Dimension des Heils. Joseph erkennt, dass Erlösung und himmlische Herrlichkeit in einem Netzwerk von Beziehungen erfahren werden, das über den Tod hinausgeht (dass Familie und Bindungen im ewigen Leben fortbestehen). Dies stimmt mit Jesu Zusage in Johannes 14:2–3 überein, dass es viele Wohnungen im Haus des Vaters gibt und dass er zurückkehren werde, um seine Kinder dorthin zu bringen. Ebenso erinnert es an Paulus’ Worte in 1 Thessalonicher 4:13–18, die Hoffnung auf Wiedervereinigung der Verstorbenen im Herrn verheißen. Die himmlische Ordnung ist somit sowohl gerecht als auch relational: Gott verbindet seine Kinder in ewiger Gemeinschaft. 

In Vers 8 heißt es: 

„Auch alle Kinder, die vor dem Alter der Verantwortlichkeit sterben, sind in gleicher Weise gerettet im celestialen Reich Gottes.“ 

Diese Zusicherung betont Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit (unschuldige Kinder werden nicht ausgeschlossen, sondern vollständig geborgen in Christus). Gleichzeitig wird das Prinzip der Verantwortlichkeit deutlich: Die Rettung hängt nicht vom Alter oder von rituellen Handlungen ab, sondern vom Zustand des Herzens und der göttlichen Absicht. Diese Erkenntnis erinnert auch an Mosia 15:11–12, wo Christus allen die Auferstehung und das Leben bringt, die in Gerechtigkeit gestorben sind – ein Prinzip, das universelle Barmherzigkeit mit göttlicher Gerechtigkeit verbindet. 

Theologisch betrachtet bereitet diese Vision die Grundlage für das Werk der Erlösung für die Verstorbenen, das später in Nauvoo durch die heiligen Handlungen im Tempel weitergeführt wurde (vgl. L&B 128). Schon 1836 erkennt Joseph, dass Gottes Plan für das Heil aller Menschen wirksam ist – sowohl für die Lebenden als auch für die Verstorbenen. 

Die Vision illustriert auch die innere Bewegung des Propheten. Joseph ist nicht nur Beobachter, sondern emotional und geistlich involviert. Sein Staunen über Alvins Zustand lädt uns ein, selbst über Gottes Plan nachzudenken (die Barmherzigkeit Gottes zu reflektieren und Vertrauen zu entwickeln). Dieses Staunen ist zugleich eine Einladung, das eigene Leben auf das Heil anderer auszurichten – sowohl der Lebenden als auch der Verstorbenen. 

Die familiäre Dimension der Offenbarung hat bis heute praktische Bedeutung. Die Lehre der Kirche, dass Tempelbündnisse Familien auf ewig verbinden, findet hier ihre Bestätigung (dass Beziehungen in Christus über den Tod hinaus Bestand haben). Josephs Vision zeigt, dass Erlösung nicht isoliert, sondern in familiären Zusammenhängen erfahrbar ist. 

Die Vorstellung von ewiger Familie durchzieht auch die Praxis der Heiligen. Tempelarbeit, stellvertretende Taufen und das Streben nach heiligen Bündnissen geben Gläubigen die Möglichkeit, aktiv an der Errettung ihrer Vorfahren mitzuwirken (sie können das Heil der Verstorbenen vorbereiten und fördern). Josephs persönliche Erfahrung mit Alvin wird so zu einem Modell für alle Mitglieder der Kirche: Gott schließt niemanden aus, der sein Herz für das Evangelium geöffnet hätte, und Familien können ewig verbunden bleiben. 

Aus dieser Vision ergeben sich auch praktische Lehren für das Leben heute: Wir können uns bewusst auf die ewige Familie vorbereiten, indem wir heilige Bündnisse halten, persönliche Glaubensentscheidungen treffen und Liebe und Fürsorge in unserer Familie kultivieren (aktiv an der Errettung anderer mitwirken, geistlich wie praktisch). Die Erkenntnis, dass Gottes Gnade alle Grenzen übersteigt, stärkt unsere Hoffnung, vermindert Angst vor dem Tod und ermutigt uns zu Glauben, Treue und Dienst. 

Vers 6–8 bilden eine Brücke zwischen himmlischer Herrlichkeit und persönlicher Erfahrung. Josephs Vision von Alvin zeigt, dass Gottes Plan universell und barmherzig ist (Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit umfassen alle Menschen), dass die Familie im Zentrum der himmlischen Ordnung steht und dass das Herz für die Wahrheit Gottes entscheidender ist als zeitliche Voraussetzungen. 

Die Vision lädt uns ein, Staunen, Vertrauen und Hoffnung zu kultivieren – sowohl für unser eigenes Leben als auch für das unserer Familien (dass die Gewissheit ewiger Familie und göttlicher Barmherzigkeit unser Handeln, Denken und Trauern beeinflussen kann). So wird die himmlische Ordnung greifbar, und wir erkennen, dass wir durch Glauben, Bündnisse und heilige Handlungen auf ein Wiedersehen in Herrlichkeit vorbereitet werden. 

findechristus.org

Montag, 1. Dezember 2025

Die Himmel öffneten sich uns

 

(Bild: Quelle)

“Die Himmel öffneten sich uns, und ich schaute das celestiale Reich Gottes und dessen Herrlichkeit, ob im Leibe oder außerhalb, das kann ich nicht sagen.” (Lehre und Bündnisse 137:1). 

Lehre und Bündnisse 137 – Die Vision von 1836 (Joseph Smith) 

Historischer Hintergrund und himmlische Szenerie (Verse 1–5) 

Am 21. Januar 1836, wenige Wochen vor der Einweihung des Tempels von Kirtland, empfing der Prophet Joseph Smith eine heilige Vision, die einen Höhepunkt der frühen Tempelerfahrungen der Kirche darstellt. Während einer Versammlung im Obergeschoss des noch nicht geweihten Hauses des Herrn öffneten sich die Himmel, und Joseph sah in das celestiale Reich Gottes. Diese Vision wurde Jahre später als Abschnitt 137 aufgenommen und offenbart in einzigartiger Klarheit, wie der Herr seinen Propheten das Wesen des ewigen Reiches und dessen Herrlichkeit erkennen ließ. 

Vers 1 – „Die Himmel öffneten sich uns“ 

Der Bericht beginnt mit den Worten: „Die Himmel öffneten sich uns, und ich schaute das celestiale Reich Gottes und dessen Herrlichkeit, ob im Leibe oder außerhalb, das kann ich nicht sagen.“ 

Hier spricht Joseph in der Wir-Form („uns“), was darauf hinweist, dass andere anwesende Brüder – darunter wohl sein Vater, Oliver Cowdery, Sidney Rigdon und Frederick G. Williams – an der geistigen Erfahrung teilhatten. Die Formulierung „ob im Leibe oder außerhalb“ erinnert unmittelbar an Paulus’ Worte in 2 Korinther 12:2-3, wo dieser über eine eigene Himmelserfahrung sagt: „ob im Leib, weiß ich nicht, oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht; Gott weiß es.“ Joseph Smith gebraucht damit dieselbe demütige Zurückhaltung: Er bezeugt, was er gesehen hat, ohne die Art der Wahrnehmung erklären zu wollen. 

Bemerkenswert ist die Präzision des Ausdrucks „celestiales Reich Gottes“. Dieses Reich ist in späteren Offenbarungen (L&B 76) als die höchste Ordnung himmlischer Herrlichkeit beschrieben, in der Gott, der Vater, selbst wohnt. Dass Joseph dieses Reich „schaute“, deutet darauf hin, dass ihm kein Symbol, sondern eine reale, geistige Wirklichkeit gezeigt wurde – ein Ausblick auf das Ziel aller, die in Treue ihre Bündnisse halten. 

Vers 2 – Das Tor aus kreisenden Feuerflammen 

Hier tritt ein zentrales Bild der Vision hervor – das Tor. Es steht in der Schrift häufig für Übergang, Zugang und Prüfung. Nur die „Erben“ dieses Reiches können hindurchgehen. Ihre Erbschaft deutet auf Bundestreue hin: Der Eintritt in das Reich Gottes erfolgt nicht zufällig, sondern durch den Bund und die Heiligung. 

Das Tor ist „wie kreisende Feuerflammen“. Feuer ist in der Bibel Symbol der göttlichen Gegenwart bzw. Reinigung (vgl. 2 Mose 3:2Jesaja 6:6–7). Seine „kreisende“ Bewegung erinnert an lebendige, schützende Seraphen, die den Thron Gottes umgeben, oder an das „flammende Schwert“, das nach dem Sündenfall den Weg zum Baum des Lebens bewacht (Genesis 3:24). Das Tor aus Feuer deutet daher sowohl auf Heiligkeit als auch auf Läuterung hin: Nur wer gereinigt ist, kann eintreten. 

Joseph beschreibt dieses Tor als von „alles übersteigender Schönheit“. Damit betont er nicht Furcht, sondern Herrlichkeit und Anziehung – das Reich Gottes ist kein Ort des Schreckens, sondern der vollendeten Herrlichkeit. In der himmlischen Ordnung sind Reinheit und Schönheit untrennbar; Licht, Bewegung und Heiligkeit durchdringen einander. 

Vers 3 – „Ihre Herrlichkeit ist unbeschreiblich“ 

Joseph Smith greift hier auf die Sprache des Überwältigtseins zurück: „unbeschreiblich“. Worte reichen nicht aus, um das Gesehene wiederzugeben. Doch er versucht, die Intensität der Herrlichkeit in irdischen Begriffen zu fassen – sie „leuchteten … der Sonne gleich“. Damit zieht er eine Parallele zu L&B 76, wo die Bewohner des celestialen Reiches „in der Herrlichkeit der Sonne“ beschrieben werden (Vers 70). 

Die Wendung „die Herrlichkeit des Herrn war auf ihnen“ ist theologisch bedeutsam: Sie deutet auf Teilhabe hin, nicht bloß auf Betrachtung. Die Heiligen im celestialen Reich besitzen nicht nur einen äußeren Glanz, sondern tragen in sich die Herrlichkeit des Herrn. Dies erfüllt das alttestamentliche Ideal, dass der Mensch im Bilde Gottes geschaffen ist (Genesis 1:26), und das neutestamentliche Zeugnis, dass „wir seine Herrlichkeit anschauen … und in dasselbe Bild verwandelt werden von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“ (2 Korinther 3:18). 

Vers 4 – „Ich sah Vater Adam und Abraham“ 

Hier verschiebt sich der Blick von der allgemeinen Herrlichkeit des Reiches auf die persönliche Dimension. Joseph erkennt nicht nur die großen Patriarchen der Heiligen Schrift, sondern auch seine eigenen Eltern und Geschwister. Diese Szene steht in enger Verbindung mit der Theologie des Heils für die Familie, die später in Nauvoo vertieft werden sollte. 

Dass Joseph „Vater Adam und Abraham“ sieht, deutet auf die Kontinuität des göttlichen Bundes hin. Abraham ist der Urheber des Bundesvolkes, und Adam steht für den Ursprung der Menschheitsfamilie. Beide erscheinen als Bewohner des celestialen Reiches – ein Hinweis darauf, dass das Heil in Christus alle Generationen umfasst. Zugleich sieht Joseph seine Eltern, insbesondere seine kurz zuvor verstorbene Mutter Lucy Mack Smith, in Herrlichkeit. Diese Erkenntnis ist tröstlich und offenbart, dass familiäre Beziehungen im Reich Gottes fortbestehen. 

Die Verbindung dieser Personen – von Adam bis zu Josephs eigener Familie – zeigt, dass das Reich Gottes eine Familie von Generationen ist, vereint durch Bündnisse und Gnade. 

Vers 5 – „Ich sah meinen Bruder Alvin“ 

Dieser Vers markiert den Übergang von der reinen Schau (Verse 1–4) zur theologischen Frage, die in den folgenden Versen (6–10) beantwortet wird. Josephs Verwunderung zeigt seine Ehrlichkeit: Er wusste, dass die Taufe die Bedingung für den Eintritt in das Reich Gottes ist (Johannes 3:5). Dennoch sah er Alvin in celestialer Herrlichkeit. Damit bereitete der Herr den Propheten auf die spätere Offenbarung über das Heil für die Toten vor. 

Für den Kontext der Verse 1–5 bleibt entscheidend: Diese ersten Szenen offenbaren die himmlische Ordnung, bevor das Prinzip der stellvertretenden Erlösung erklärt wird. Sie zeigen, dass das celestialische Reich kein abstrakter Zustand ist, sondern ein geordneter, lebendiger Bereich der Herrlichkeit, in dem familiäre und bundhafte Beziehungen fortbestehen. 

Parallelen und geistliche Bedeutung 

Die Vision steht in einer prophetischen Tradition heiliger Thronschauen: Jesaja 6 beschreibt, wie der Prophet „den Herrn sitzen sah auf hohem und erhabenem Thron“, während Johannes in Offenbarung 4 den himmlischen Thron umgeben von Licht, Regenbogen und lebendigen Wesen sah. In 3 Nephi 28:10 verheißt Christus seinen Jüngern: „Ihr werdet in das Reich meines Vaters eingehen … und ihr werdet so wie ich sein.“ Diese Parallelen zeigen, dass Joseph Smiths Erfahrung eine Wiederaufnahme biblischer Muster ist, jedoch im Licht der Wiederherstellung: sie enthüllt nicht nur den Thron Gottes, sondern das „celestiale Reich“ als erreichbares Ziel für die Menschen. 

Der Zusatz „die Himmel öffneten sich uns“ ist ebenfalls bedeutend: Er deutet darauf hin, dass solche Offenbarungen in einem gemeinschaftlichen, tempelbezogenen Rahmen stattfinden. Der Tempel fungiert hier, wie schon in Jakobs Vision (Genesis 28:17), als das „Tor des Himmels“. In Kirtland wurde dieser Ausdruck buchstäblich Wirklichkeit. 

Schlussgedanke 

Abschnitt 137:1–5 gewährt einen seltenen Blick in die himmlische Ordnung und in die Beziehung zwischen Gott, seinen Kindern und der ewigen Familie. Die Vision begann mit geöffneten Himmeln und endete mit der Frage nach der Errettung geliebter Menschen. Zwischen diesen Polen – Herrlichkeit und Sorge – liegt das Herz des Evangeliums: Der Himmel ist real, er ist schön, er ist geordnet, und er ist familiär. Wer treu Bündnisse hält und sich läutern lässt, wird durch das Tor der „kreisenden Feuerflammen“ treten und in jener unbeschreiblichen Herrlichkeit stehen, in der „die Herrlichkeit des Herrn auf ihnen“ ruht. 

findechristus.org

Samstag, 29. November 2025

Mein Volk muss in allem geprüft werden

 

(Bild: Quelle)

„Mein Volk muss in allem geprüft werden, damit es vorbereitet sei, die Herrlichkeit zu empfangen, die ich für es habe, nämlich die Herrlichkeit Zions; und wer Züchtigung nicht ertragen will, der ist meines Reiches nicht wert.“ (Lehre und Bündnisse 136:31). 

Lehre und Bündnisse 136:25–42 – Hoffnung, Prüfung und der Weg des Herrn 

Wie folgen wir heute dem Herrn, wenn unser „Weg durch die Wüste“ führt? 

Die letzten Verse von L&B 136 bilden den geistigen Höhepunkt des „Wortes und Willens des Herrn“. Während die Verse 1–24 praktische Ordnung und gemeinschaftliche Verantwortung betonten, führen die Verse 25–42 in das Herz der göttlichen Pädagogik: Die Reise nach Westen wird zu einem Sinnbild für die Läuterung des Bundesvolkes. Der Herr offenbart, dass Prüfungen nicht das Ende, sondern der Weg zur Vorbereitung auf Herrlichkeit sind. 

25–27: Treue im Kleinen und rechtes Handeln untereinander 

In den Versen 25–27 legt der Herr den Grundstein einer Zionsgemeinschaft: Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Achtung vor fremdem Eigentum. „Wenn du von deinem Nächsten borgst, sollst du das Geborgte zurückgeben“ (V. 25). In der damaligen Situation – mit begrenzten Vorräten, zerstörten Häusern und einer unsicheren Zukunft – war dieser Grundsatz überlebenswichtig. Doch zugleich ist er ein geistiges Prinzip: Treue im Kleinen bildet das Fundament für größere göttliche Segnungen. 

Diese Mahnungen erinnern an Jesu Worte in Lukas 16:10: „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu.“ Die Heiligen sollten verstehen, dass wahre Jüngerschaft sich nicht nur in Glaubensbekenntnissen, sondern im alltäglichen Umgang miteinander zeigt. Der Herr nennt die Menschen hier „Treuhänder“ seiner Gaben (V. 27) – ein Hinweis auf das Prinzip der Verwaltung in Heiligkeit. Wie auch im Gleichnis von den Talenten (Matthäus 25:14–30) wird der Besitz nicht als Eigentum, sondern als göttliche Leihgabe verstanden. 

28–30: Freude in Lobpreis und Vertrauen 

Vers 28 hebt sich in besonderer Schönheit ab: „Wenn du fröhlich bist, so preise den Herrn mit Gesang, mit Musik, mit Tanz und mit einem Gebet des Lobes und der Danksagung.“ Diese Worte zeigen ein bemerkenswertes Gleichgewicht. Mitten im Leid und in den Entbehrungen ruft der Herr zur Freude auf. In Winter Quarters war Hunger, Krankheit und Tod allgegenwärtig – dennoch gebot der Herr, sich im Lobpreis zu üben. Hier zeigt sich ein göttliches Paradox: Echte Freude wurzelt nicht in äußeren Umständen, sondern im Vertrauen auf Gottes Führung. 

In Vers 29 ergänzt der Herr: „Wenn du bekümmert bist, so rufe den Herrn, deinen Gott, in flehentlichem Gebet an.“ Freude und Leid werden hier nicht getrennt, sondern als zwei Seiten desselben Weges dargestellt. Paulus bezeugt Ähnliches in Philipper 4:4: „Freuet euch in dem Herrn allewege; und abermals sage ich: Freuet euch!“ – eine Einladung, das Herz im Gebet zu Gott zu erheben, unabhängig von der Lebenslage. 

30–33: Prüfung als Vorbereitung auf Herrlichkeit 

Der zentrale Vers 31 lautet: „Mein Volk muss in allem geprüft werden, damit es vorbereitet sei, die Herrlichkeit zu empfangen, die ich für es habe.“ Diese Aussage fasst den Sinn der gesamten Pionierwanderung zusammen. Prüfungen sind keine Strafe, sondern göttliche Schule. Der Herr führt nicht in die Wüste, um zu vernichten, sondern um zu veredeln. 

Diese Lehre zieht sich durch alle heiligen Schriften. Im Buch Mormon spricht der Herr zu den Nephiten: „Ich prüfe mein Volk in allem, ob es mir gehorchen will“ (Mosia 23:21). Ebenso lehrt Petrus, dass „die Bewährung eures Glaubens … viel kostbarer ist als vergängliches Gold“ (1. Petrus 1:7). Der Herr benutzt Schwierigkeiten, um Glauben in Erkenntnis zu verwandeln, Vertrauen in Erfahrung und Hoffnung in Zeugnis. 

Vers 32 fügt hinzu: „Wer unwissend ist, soll Weisheit lernen, indem er sich demütigt.“ Prüfung ohne Demut verhärtet das Herz; Prüfung mit Demut öffnet den Geist für göttliche Einsicht. Der Heilige Geist ist, wie Vers 33 sagt, „in die Welt gesandt, um die Demütigen und Zerknirschten zu erleuchten“. Damit wird deutlich: Der Weg durch Leid ist zugleich der Weg zur Offenbarung. 

34–39: Erinnerung an das Zeugnis Joseph Smiths 

Ab Vers 34 richtet sich der Blick auf die Geschichte des jungen Volkes. „Eure Brüder haben euch und euer Zeugnis verworfen … und nun kommt der Tag ihres Unheils.“ Die Heiligen werden daran erinnert, dass ihr Leiden Teil eines größeren göttlichen Plans ist. Besonders bewegend sind die Verse 37–39, in denen der Herr erklärt, dass Joseph Smith „sein Zeugnis mit seinem Blut besiegeln musste“. 

Diese Worte bringen Trauer und Trost zugleich. Trauer über das Opfer, Trost über die Gewissheit, dass Josephs Werk durch seinen Tod bestätigt wurde. Wie in der Bibel das Blut der Propheten als Zeugnis gegen die Gottlosen spricht (vgl. Matthäus 23:35), so wird auch Josephs Tod zu einer heiligen Bekräftigung seines Auftrags. Doctrine and Covenants Central bemerkt dazu, dass der Herr hier „den Märtyrertod Josephs als Sieg, nicht als Niederlage“ offenbart – ein Sieg der Treue über Gewalt und Verblendung. 

40–42: Mahnung zur Treue und geistige Vollendung 

In den letzten Versen (40–42) spricht der Herr direkt und eindringlich zu seiner Kirche: „Habe ich euch nicht von euren Feinden befreit, allein dadurch, dass ich ein Zeugnis meines Namens hinterlassen habe?“ (V. 40). Der Herr erinnert die Heiligen daran, dass seine Macht sich nicht immer in der Verhinderung von Leid zeigt, sondern in der Bewahrung des Glaubens trotz Leid. 

Vers 41 ruft alle Ältesten auf, zuzuhören, denn sie haben „mein Reich empfangen“. Diese Formulierung verweist auf die Verantwortung, die mit göttlicher Erkenntnis einhergeht. Wer das Reich empfangen hat, muss dessen Prinzipien auch leben: Glaube, Einheit, Opferbereitschaft. Und so endet der Abschnitt mit der Mahnung: „Seid eifrig im Halten all meiner Gebote, damit nicht Strafgerichte über euch kommen und euer Glaube euch versage“ (V. 42). 

Dieser abschließende Appell ist keine Drohung, sondern ein liebevoller Weckruf: Wer in den Geboten bleibt, bleibt in der Kraft Gottes. So wie die Pioniere nur in geordneter, glaubensvoller Gemeinschaft das verheißene Land erreichen konnten, so erreichen auch wir das „Zion“ unseres Lebens nur durch beständige Treue und gegenseitige Stärkung. 

Heutige Anwendung: Der Weg durch unsere Wüsten 

Die Verse 25–42 zeigen, dass die äußere Wüstenwanderung ein Symbol für unsere inneren Lebensreisen ist. Jeder Jünger Christi geht Zeiten der Dürre und Einsamkeit durch. Doch gerade dort zeigt sich, ob wir bereit sind, dem Herrn zu vertrauen. Wir lernen, ehrlich zu handeln, auch wenn es niemand sieht; wir lernen, zu danken, auch wenn das Herz schwer ist; wir lernen, zu dienen, auch wenn wir selbst Mangel empfinden. 

So ruft dieser Abschnitt dazu auf, unsere „Abteilungen“ – Familie, Gemeinde, Freundeskreis – als heilige Gemeinschaften zu verstehen, in denen wir einander tragen und erbauen. Wie Mose das Volk Israel durch die Wüste führte, so führt Christus uns heute Schritt für Schritt, bis wir das geistige Gelobte Land erreichen. 

Schlussgedanke: 
Wenn unser Weg durch die Wüste führt, ruft der Herr uns auf, treu, lernbereit und demütig zu bleiben. Er hat verheißen: „Zion wird zu der von mir selbst bestimmten Zeit erlöst werden“ (V. 18). Diese Verheißung gilt auch heute – für jedes Herz, das in Prüfungen ausharrt und den Herrn dennoch lobt. Denn der Weg durch die Wüste ist immer der Weg, auf dem Gott sein Volk heiligt. 

findechristus.org

Freitag, 28. November 2025

Damit nicht die Schreie der Witwen und der Vaterlosen

 

(Bild: Quelle)

„Jede Abteilung soll gemäß der verteilbaren Menge ihres Eigentums einen im Verhältnis gleichen Anteil aufbringen, um die Armen, die Witwen, die Vaterlosen und die Familien derer, die im Heeresdienst stehen, mitzunehmen, damit nicht die Schreie der Witwen und der Vaterlosen dem Herrn gegen dieses Volk in die Ohren heraufkommen.“ (Lehre und Bündnisse 136:8). 

Lehre und Bündnisse 136:1–24 – Prinzipien der göttlichen Ordnung 

Was lehrt uns die Organisation der Wanderung über Führung, Verantwortung und Einigkeit? 

L&B 136 beginnt mit einer der eindrucksvollsten organisatorischen Offenbarungen der Kirchengeschichte. Nach dem Tod Joseph Smiths stand Brigham Young 1847 vor der gewaltigen Aufgabe, Tausende von Heiligen sicher durch das weite, unerschlossene Gebiet des amerikanischen Westens zu führen. In diesem entscheidenden Moment offenbarte der Herr eine göttliche Ordnung: „Alles Volk … soll sich in Abteilungen organisieren, mit dem Bündnis und Gelübde, alle Gebote und Satzungen des Herrn … zu befolgen“ (Vers 2). Diese göttliche Anweisung war weit mehr als ein logistischer Plan; sie war eine geistliche Schule in Disziplin, Treue und Gemeinschaft. 

Wie einst das Israel unter Mose (vgl. 2. Mose 18:13–26), wurden die Heiligen in Gruppen gegliedert – Hundertschaften, Fünfzigschaften und Zehnerschaften. Jede Abteilung hatte einen Führer mit klarer Verantwortung, und jeder Führer diente seinen Brüdern und Schwestern. Diese Struktur spiegelte göttliche Weisheit wider: Ordnung inmitten von Unsicherheit, Verantwortung inmitten von Prüfung. Jethros Rat an Mose lautete, fähige Männer einzusetzen, „die Gott fürchten, die Wahrheit lieben und unrechten Gewinn hassen“ (2. Mose 18:21). Auch Brigham Young folgte diesem Prinzip – nicht persönliche Macht stand im Vordergrund, sondern Dienst an einem heiligen Ziel. 

In Vers 3–4 gebot der Herr, dass „jeder Mann“ Rechenschaft vor seinem Hauptmann ablege, und dass die Führer ihrerseits dem Propheten Bericht erstatten. Diese göttliche Hierarchie war kein Machtgefälle, sondern Ausdruck von Verantwortung, Vertrauen und gemeinsamer Richtung. Das Prinzip bleibt bis heute gültig: In der Kirche Jesu Christi wird Führung stets als Dienst verstanden, nicht als Herrschaft. Der Herr selbst sagte: „Wer der Größte unter euch ist, der sei euer Diener“ (Matthäus 23:11). 

Die Verse 5–11 legen großen Wert auf praktische Vorbereitung – das Sammeln von Vorräten, Werkzeugen und Lebensmitteln. Doch dahinter steht ein geistliches Prinzip: Wer dem Herrn folgen will, soll sowohl geistig als auch materiell vorbereitet sein. Der Glaube schließt Voraussicht nicht aus, sondern erhebt sie. So wie die Heiligen ihre Wagen beluden und Vorräte sammelten, sollen auch wir heute unsere „geistigen Vorräte“ füllen – durch Schriftstudium, Gebet und Gehorsam. 

In Vers 9 heißt es: „Die Heiligen sollen aufeinander achten, damit niemand Hunger oder Kälte leidet.“ Diese schlichte Anweisung trägt eine tiefe Lehre in sich: Das Volk des Bundes ist dazu berufen, sich gegenseitig zu tragen. Hier klingt die frühe Kirche in Jerusalem an, von der es heißt: „Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele“ (Apostelgeschichte 4:32). Wo Liebe und gegenseitige Verantwortung herrschen, dort ist der Geist des Herrn gegenwärtig. 

Die Offenbarung unterstreicht mehrfach das Prinzip der gegenseitigen Hilfe. In Vers 10–11 heißt es, niemand solle sich „über den anderen erheben“. Der Herr erinnert sein Volk daran, dass alle gleichwertige Kinder Gottes sind, und dass Macht nur gerecht ausgeübt wird, wenn sie von Liebe und Sanftmut getragen ist (vgl. LuB 121:41–46). Brigham Young selbst verkörperte diesen Geist, indem er als erster half, Wagen zu bauen, Nahrung zu teilen und den Mutlosen Trost zu spenden. 

Ein weiteres Leitmotiv der Verse 12–15 ist der Fleiß: „Wenn die Menschen fleißig sind, sollen sie gesegnet werden.“ Der Herr verbindet Segen mit Arbeit – eine Lehre, die sich durch die gesamte Schrift zieht. Adam sollte „im Schweiße seines Angesichts“ den Erdboden bebauen (1. Mose 3:19), und auch die Heiligen auf dem Weg nach Westen mussten ihren Glauben durch Tat bezeugen. Fleiß ist nicht nur körperliche Anstrengung, sondern geistige Zielstrebigkeit – die Bereitschaft, Gottes Willen täglich umzusetzen. 

In Vers 16–18 wird das Prinzip des Glaubens hervorgehoben: „Wenn sie auf den Herrn vertrauen, wird er sie führen.“ Diese Zusage erinnert an die Wolken- und Feuersäule in der Wüste, die Israel den Weg wies (2. Mose 13:21–22). Auch die Heiligen der Letzten Tage wurden durch ein unsichtbares, aber spürbares Licht geführt – durch Offenbarung, Zeugnis und prophetische Führung. Inmitten von Entbehrung, Krankheit und Tod blieb der Glaube ihre größte Stütze. 

Vers 19–20 erinnern an das Gebot, Freude zu bewahren: „Die Heiligen sollen fröhlich sein … sie sollen singen und beten.“ Diese Worte zeigen, dass der Herr auch in Prüfungen Freude gebietet. Freude ist hier kein oberflächliches Gefühl, sondern Ausdruck tiefer Zuversicht – das Vertrauen, dass Gott gegenwärtig ist, selbst in Mühsal. So wie Paulus im Gefängnis sang (Apostelgeschichte 16:25), so sangen die Heiligen am Lagerfeuer in den Ebenen Iowas Loblieder. 

Die letzten Verse des Abschnitts (21–24) mahnen zu Einigkeit und Friedfertigkeit. „Wenn ihr Streit habt, so endet ihn schnell“, heißt es sinngemäß. Das erinnert an Jesu Lehre in der Bergpredigt: „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5:9). Auf einer langen Wanderung konnte Uneinigkeit verheerend wirken – doch in geistlicher Hinsicht ist das nicht anders: Nur ein vereintes Herz kann Zion aufbauen. 

Insgesamt offenbaren die Verse 1–24 ein umfassendes Muster göttlicher Ordnung: Organisation mit geistiger Zielrichtung, Verantwortung in Liebe, Fleiß aus Glauben und Freude trotz Mühsal. Diese Prinzipien bleiben zeitlos. Auch heute fordert der Herr seine Jünger auf, sich „in Abteilungen zu organisieren“ – sei es in Familien, in Gemeinden oder in kirchlichen Berufungen. Struktur, wenn sie von Liebe durchdrungen ist, schafft Freiheit und Frieden. 

Die Offenbarung in Winter Quarters ist damit nicht bloß ein Relikt der Pioniergeschichte, sondern ein Lehrplan für jede Generation von Heiligen. Sie zeigt, dass der Weg nach Zion – ob durch Prärien oder durch das Leben – stets dieselben Eigenschaften erfordert: Glauben, Ordnung, gegenseitige Hilfe und die Bereitschaft, dem Herrn in allem zu folgen. So wie die Heiligen 1847 das verheißene Land erreichten, werden auch wir Zion erreichen, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen – organisiert im Glauben, vereint in Liebe, geführt vom Herrn selbst. 

findechristus.org

Donnerstag, 27. November 2025

Sollen sich in Abteilungen organisieren

 

(Bild: Quelle)

„Alles Volk der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und diejenigen, die mit ihnen reisen, sollen sich in Abteilungen organisieren, mit dem Bündnis und Gelübde, alle Gebote und Satzungen des Herrn, unseres Gottes, zu befolgen.“ (Lehre und Bündnisse 136:2

Lehre und Bündnisse 136 – Der Bund des Gehorsams als Fundament der Wanderung nach Zion  

Diese Offenbarung, gegeben durch Brigham Young im Januar 1847 in Winter Quarters, markiert eine entscheidende Wende in der Geschichte der Heiligen der Letzten Tage. Der Prophet Joseph Smith war seit zweieinhalb Jahren tot, die Kirche war aus Nauvoo vertrieben worden, und Tausende lebten nun im provisorischen Lager an den Ufern des Missouri, zwischen Iowa und Nebraska. In dieser Lage der Unsicherheit und Entwurzelung kam durch Brigham Young „das Wort und der Wille des Herrn“ – nicht als neue theologische Lehre, sondern als konkrete göttliche Anleitung für das Überleben und den geistigen Zusammenhalt des Volkes. Vers 2 fasst dabei das Grundprinzip zusammen: Organisation im Bund. 

Ein Bund in der Wüste – die theologische Linie von Mose bis Winter Quarters 

Die Formulierung erinnert sofort an das Alte Testament, insbesondere an die Zeit Israels in der Wüste Sinai. Auch dort wurde das Volk Gottes organisiert, „nach ihren Heerscharen“ (vgl. 4. Mose 1:52), und gebunden durch ein feierliches Bundesgelübde, „alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun“ (2. Mose 19:8). Ebenso wie Mose führte Brigham Young ein Volk, das „aus Ägypten“ vertrieben worden war – aus einem Ort der Verfolgung und des Aufruhrs. Doctrine and Covenants Central hebt hervor, dass der Herr hier „die Sprache der Exodus-Geschichte bewusst wieder aufgreift“, um die Heiligen daran zu erinnern, dass sie „Teil derselben fortdauernden Heilsgeschichte Israels“ sind (Zusammenfassung nach doctrineandcovenantscentral.org). 

Der Befehl, sich zu organisieren „mit dem Bündnis und Gelübde, alle Gebote zu halten“, steht somit in der Tradition der heiligen Bundeserneuerung: Das Volk soll sich selbst heiligen, um in ein „Land des Friedens“ geführt zu werden (Vers 16). Der Bund war nicht nur ein Verwaltungsinstrument, sondern eine geistliche Verpflichtung, ähnlich wie im Buch Mormon, wo Alma und sein Volk „einen Bund schlossen, Gott zu dienen und seine Gebote zu halten“ (Mosia 18:10). 

Organisation als Ausdruck geistlicher Ordnung 

Historisch betrachtet war Winter Quarters mehr als ein Zufluchtslager. Es war ein Testgelände für den Aufbau Zions. Die Heiligen hatten aus den chaotischen Erfahrungen in Missouri und Nauvoo gelernt: Ohne göttlich inspirierte Ordnung führt menschliche Begeisterung zu Spaltung. So bestimmte der Herr, dass das „Volk der Kirche“ sich in klaren Abteilungen mit Hauptleuten über Hundert, Fünfzig und Zehn organisieren sollte (Vers 3). Diese Struktur spiegelt nicht nur das mosaische System wider (2. Mose 18:25), sondern auch das himmlische Prinzip der hierarchischen und zugleich dienstbereiten Ordnung. 

Steven C. Harper kommentiert, dass Brigham Young diese Organisation „nicht als bürokratische Notwendigkeit, sondern als geistliches Muster“ verstand – eine Vorbereitung für das kommende Zion (nach stevecraigharper.com). Das Wort „Bündnis“ zeigt, dass diese Struktur eine heilige Dimension hatte: Jeder, der Teil dieser Abteilungen wurde, erklärte sich bereit, nicht nur physisch zu reisen, sondern geistlich in Einigkeit zu handeln. 

Das Bündnis des Gehorsams – eine Erneuerung nach Nauvoo 

Nach dem Märtyrertod Joseph Smiths im Jahr 1844 war die Kirche in einer kritischen Phase. Viele hatten ihre Führer verloren, andere zweifelten an der Zukunft der Bewegung. In dieser Zeit erneuerte der Herr durch Brigham Young das grundlegende Prinzip, das schon in L&B 1:14 festgehalten war: „Wer nicht auf meine Stimme hört und meine Worte nicht annimmt, … soll aus dem Volke Israel ausgerottet werden.“ 

Das Bündnis in Vers 2 ist also keine formelle Erklärung, sondern ein heiliger Schwur des Volkes, dass es sich weiterhin an die göttliche Ordnung halten werde, die Joseph Smith begründet hatte. Doctrine and Covenants Central nennt diesen Abschnitt deshalb „die Verfassung des Priestertums“ – nicht im juristischen Sinn, sondern als erneuerte Verpflichtung, das Werk fortzuführen, das Joseph begonnen hatte (sinngemäß nach doctrineandcovenantscentral.org). 

Dieses Prinzip des kollektiven Gehorsams erinnert stark an das Buch Mose in der Köstlichen Perle, wo Enoch lehrt, dass „Zion eins war, und das Volk hatte ein Herz und einen Sinn“ (Mose 7:18). Genau dieses Ziel – geistige und soziale Einheit – wird hier wiederaufgenommen. 

Der Bund als Wegbereiter der Verheißung 

Vers 2 führt das Ziel des göttlichen Bundes nicht explizit aus, aber der Kontext macht es deutlich: Das Volk soll durch Gehorsam und Organisation an einen Ort geführt werden, „wo der Herr einen Zionspfahl errichten wird“ (Vers 10). Der Weg dorthin war sowohl wörtlich als auch symbolisch: eine Wanderung nach Westen und zugleich eine Bewegung zu größerer Heiligkeit. 

Der Bund, alle Gebote und Satzungen des Herrn zu befolgen, war somit die Bedingung für das Erreichen der physischen wie geistlichen „Verheißung“. In diesem Sinne spiegelt L&B 136 das Muster des gesamten Heilsplans wider: erst Gehorsam, dann Befreiung, dann Herrlichkeit. 

Im Buch Mormon findet sich dasselbe Prinzip in 1. Nephi 2:20: „Wenn du meine Gebote hältst, wirst du in das Land der Verheißung geführt werden.“ Und in L&B 82:10 bekräftigt der Herr: „Ich, der Herr, bin an mein Wort gebunden, wenn ihr tut, was ich sage.“ Das Volk der Heiligen lebte buchstäblich diese Verheißung – ihre Reise nach Utah wurde zum Symbol des Glaubensgehorsams. 

Gehorsam und Gemeinschaft – Gegengewicht zur Angst 

Bemerkenswert ist, dass der Herr hier das Gebot des Gehorsams unmittelbar mit der Verheißung des Schutzes verbindet. In Vers 17 sagt er: „Fürchtet eure Feinde nicht; denn sie werden nicht die Macht haben, mein Werk aufzuhalten.“ Das erinnert an die Zusage in Josua 1:9: „Sei stark und mutig; fürchte dich nicht.“ Der Bund war somit auch eine geistliche Waffe gegen Angst und Verzweiflung. 

Der kollektive Charakter des Gelübdes – „alles Volk … und diejenigen, die mit ihnen reisen“ – zeigt, dass die göttliche Führung nicht auf Mitgliederzahlen beschränkt war. Jeder, der sich unter das Joch des Bundes stellte, konnte Teil des Zionsvolkes werden. Dies spiegelt die universelle Einladung des Evangeliums wider, wie sie schon Christus ausgesprochen hatte: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ (Matthäus 11:28). 

Parallelen zur persönlichen Nachfolge heute 

Für heutige Leser wird dieser Vers zu einem Spiegel persönlicher Nachfolge. Der „Bund und das Gelübde“ sind nicht nur historische Kategorien, sondern bilden auch das Herzstück jedes christlichen Lebens. Wer getauft wird, verpflichtet sich, „den Namen Christi auf sich zu nehmen“ und „seine Gebote zu halten“ (Mosia 18:8–10). 

So wie die Pioniere nur gemeinsam nach Westen gelangen konnten, erreichen auch heutige Jünger Christi das geistliche Zion nur in Einigkeit und Treue. Der Aufruf, sich „in Abteilungen zu organisieren“, kann geistlich verstanden werden als Einladung, das eigene Leben zu ordnen – Prioritäten zu setzen, geistige Disziplin zu üben und sich mit anderen Gläubigen zu verbinden. 

In einer Zeit globaler Unsicherheit erinnert L&B 136:2 daran, dass Heil und Sicherheit nicht aus individueller Stärke entstehen, sondern aus der Bundesgemeinschaft, die auf Gehorsam gegenüber dem Herrn gegründet ist. Der Bund schafft Orientierung inmitten des Chaos und verwandelt Prüfungen in Gelegenheiten zur Heiligung. 

Schlussgedanke 

L&B 136:2 zeigt, dass der Herr seine Kirche nie unvorbereitet lässt, selbst in Momenten des Verlusts und der Neuorientierung. Durch Brigham Young erneuerte er das uralte Prinzip des Bundes, das Israel durch die Wüste getragen hat und das die Heiligen der Letzten Tage durch ihre Wüstenzeit nach Zion führen sollte. 

Das Bündnis, alle Gebote und Satzungen des Herrn zu befolgen, ist der rote Faden der Heilsgeschichte – von Mose bis zu den Pionieren, von Alma bis zu uns. Es ruft uns heute auf, in einer Welt des geistigen Wandels fest verankert zu bleiben, in Gemeinschaft und im Gehorsam gegenüber Gott. 

Wer diesen Bund bewusst erneuert, wird, wie die Heiligen damals, „in ein Land des Friedens“ geführt – nicht unbedingt geographisch, sondern geistig: in die Ruhe Christi (vgl. Moroni 7:3). Dort liegt die wahre Verheißung Zions. 

findechristus.org