Donnerstag, 23. Oktober 2025

Viele gibt es, die berufen sind, aber wenige werden erwählt

 

(Bild: Quelle)

„Siehe, viele gibt es, die berufen sind, aber wenige werden erwählt. Und warum werden sie nicht erwählt? Weil sie ihr Herz so sehr auf die Dinge dieser Welt gesetzt haben und nach den Ehren der Menschen streben, dass sie diese eine Lehre nicht lernen.“ (Lehre und Bündnisse 121:34–35

Diese Verse stehen im Zentrum einer der tiefsten Offenbarungen, die Joseph Smith je empfangen hat. Eingekerkert im Gefängnis zu Liberty, geschwächt und misshandelt, während die Heiligen vertrieben und verhöhnt wurden, empfing er Worte, die bis heute die Grundlage für unser Verständnis geistlicher Vollmacht bilden. Gerade in einer Zeit, in der äußere Macht von Tyrannei und Ungerechtigkeit geprägt war, offenbarte Gott das ewige Gesetz: dass wahre Macht nicht durch Zwang oder Gewalt entsteht, sondern allein durch Rechtschaffenheit. 

Lehre und Bündnisse 121:33–46 – Viele sind berufen, aber wenige werden erwählt 

Der Herr beginnt in Vers 33 mit einem Bild, das zugleich poetisch und kraftvoll ist: „Wie lange kann ein fließendes Wasser unrein bleiben? … Ebenso gut könnte der Mensch seinen schwachen Arm ausstrecken, um den Missouri in seinem vorgezeichneten Lauf anzuhalten, … wie den Allmächtigen daran hindern, vom Himmel herab Erkenntnis … auszugießen.“ Kein Mensch kann den Lauf eines großen Flusses aufhalten, ebenso wenig kann irgendjemand die Offenbarungen und die Macht Gottes eindämmen. Für die Heiligen in Missouri war dies eine tröstliche Zusicherung, dass trotz Vertreibung und Gefangenschaft der Fluss der Wahrheit weiterströmt. Für uns heute bedeutet das: Auch wenn gesellschaftliche Strömungen den Glauben infrage stellen oder persönliche Krisen uns niederdrücken, Gottes Werk bleibt unaufhaltsam. Das Evangelium wird weiterfließen, und Erkenntnis wird denen zufallen, die sich dafür öffnen. Die Frage ist nicht, ob Gottes Macht wirkt, sondern ob wir uns in ihren Strom stellen. 

Doch die entscheidende Wendung kommt mit den Versen 34–35: „Viele sind berufen, aber wenige werden erwählt.“ Jeder von uns ist berufen, Nachfolger Christi zu sein, in der Taufe ein Bündnis zu schließen, im Priestertum oder in Berufungen zu dienen. Doch erwählt werden bedeutet, dass wir uns so verhalten, dass Gott uns sein Vertrauen schenkt. Warum aber scheitern so viele? Der Herr nennt zwei Gefahren: „Weil sie ihr Herz so sehr auf die Dinge dieser Welt gesetzt haben und nach den Ehren der Menschen streben.“ Das ist aktueller denn je. Heute zeigt sich das in subtilen Formen: wenn wir mehr Energie in Karriere, Ansehen oder Konsum investieren als in unser geistliches Wachstum, oder wenn wir Anerkennung auf Social Media mehr suchen als die stille Bestätigung des Heiligen Geistes. Diese Verse laden uns ein, zu prüfen, wo unser Herz wirklich hängt. Ein einfaches Beispiel: Wenn wir in einer Leitungsfunktion einer Gemeinde dienen, ist die Frage entscheidend – tue ich es, weil ich Christus liebe, oder weil ich gesehen und anerkannt werden möchte? 

In Vers 36–37 offenbart der Herr ein unumstößliches Gesetz: „Die Rechte des Priestertums [sind] untrennbar mit den Mächten des Himmels verbunden“ und können „nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit“ gebraucht werden. Vollmacht ist nicht automatisch gleich Macht. Sie bleibt nur so lange wirksam, wie sie im Einklang mit Gottes Wesen angewandt wird. Wer versucht, Sünden zu verbergen, Stolz zu nähren oder andere unter Druck zu setzen, verliert die Begleitung des Geistes, und dann heißt es: „Amen zum Priestertum oder der Vollmacht jenes Mannes.“ Das betrifft nicht nur Männer mit Priestertumsvollmacht – es ist ein allgemeines Gesetz geistlicher Wirksamkeit. Auch Eltern erleben das: Wenn man versucht, Kinder durch Zwang oder Angst zu lenken, verliert man ihr Herz. Erst durch Liebe, Geduld und Aufrichtigkeit öffnet sich Vertrauen, und das ist der Raum, in dem der Geist Gottes wirken kann. 

Vers 39 beschreibt die traurige Realität: „Fast jedermann neigt von Natur aus dazu, sogleich mit dem Ausüben ungerechter Herrschaft anzufangen, sobald er meint, ein wenig Vollmacht erhalten zu haben.“ Joseph Smith wusste, wovon er sprach, denn er hatte erlebt, wie selbst gläubige Menschen, sobald sie in eine Leitungsposition kamen, mit Stolz, Härte oder Ungeduld reagierten. Dieses Muster ist universell: im Beruf, in der Politik, in der Kirche oder in der Familie. Es zeigt, wie notwendig Demut ist, damit wir Vollmacht richtig gebrauchen. Wir können das prüfen, indem wir uns fragen: Nutze ich meinen Einfluss, um andere aufzubauen, oder um mich selbst zu bestätigen? 

Die Verse 41–42 stellen das göttliche Gegenmodell vor: „Kraft des Priestertums kann und soll keine Macht und kein Einfluss anders geltend gemacht werden als nur mit überzeugender Rede, mit Langmut, mit Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe, mit Wohlwollen und mit reiner Erkenntnis …“ Diese Beschreibung deckt sich mit dem Charakter Jesu Christi. Seine Macht bestand nicht in äußerem Zwang, sondern in Liebe, Wahrheit und Geduld. Wer als Leiter, Lehrer, Vater oder Mutter handelt, kann sich daran messen: Rede ich überzeugend oder zwingend? Bin ich geduldig, oder dränge ich? Bin ich echt in meiner Liebe, oder suche ich doch meinen Vorteil? Praktisch bedeutet das etwa, dass ein Bischof nicht durch Drohung führen kann, sondern durch Liebe und Beispiel, oder dass ein Vater sein Kind eher durch beständiges Vorleben des Guten prägt als durch harte Strafen. 

Vers 43–44 ergänzen eine feine Balance: „zur rechten Zeit mit aller Deutlichkeit zurechtweisend, wenn vom Heiligen Geist dazu bewogen; und danach … vermehrte Liebe erweisend.“ Manchmal verlangt Liebe auch Klarheit, manchmal müssen wir Fehlverhalten ansprechen. Doch entscheidend ist, dass danach Liebe spürbar wird, damit der andere erkennt: Die Zurechtweisung war kein Angriff, sondern ein Ausdruck von Treue. Auch das gilt nicht nur im Priestertum, sondern in allen Beziehungen. Jeder kennt die Erfahrung, dass eine Korrektur nur dann fruchtet, wenn sie im Klima von Vertrauen und Zuneigung geschieht. 

Der Abschnitt gipfelt in den wunderbaren Verheißungen von Vers 45–46: „Lass Tugend immerfort deine Gedanken zieren; dann wird dein Vertrauen in der Gegenwart Gottes stark werden, und die Lehre des Priestertums wird dir auf die Seele niederträufeln wie der Tau vom Himmel. Der Heilige Geist wird dein ständiger Begleiter sein … und deine Herrschaft wird eine immerwährende Herrschaft sein, und ohne Nötigung wird sie dir zufließen für immer und immer.“ Hier wird deutlich: Wahre Macht bedeutet nicht, dass man andere zwingt, sondern dass andere von selbst folgen, weil sie Liebe, Wahrhaftigkeit und den Geist spüren. Das ist die Art von Einfluss, die wirklich Bestand hat. Man könnte sagen: Echte Autorität ist nie erzwungen, sie wird geschenkt – von Gott und von den Menschen, die Vertrauen schenken. 

Für uns heute sind diese Verse ein Spiegel. Sie fragen uns: Wonach strebst du wirklich – nach den Ehren der Menschen oder nach der Anerkennung Gottes? Womit füllst du dein Herz – mit der Vergänglichkeit der Welt oder mit der Tugend, die ewig trägt? Und wie übst du deinen Einfluss – durch Zwang oder durch Liebe? Die Verheißung ist gewaltig: Wer sich in Geduld, Sanftmut, Liebe und Tugend übt, dem wird geistlicher Einfluss zufließen, „ohne Nötigung … für immer und immer“. 

So zeigt sich am Ende, dass L&B 121:33–46 nicht nur ein Leitfaden für Priestertumsträger ist, sondern ein universelles Gesetz für alle, die im Namen Christi führen, lehren, erziehen oder dienen. Die Macht, die bleibt, ist die Macht der Liebe, die Wahrheit, die trägt, ist die Wahrheit des Evangeliums, und die Herrschaft, die ewig währt, ist die Herrschaft eines reinen Herzens im Einklang mit Gott. 

Wie bewahre ich in einer Welt voller Ablenkungen und falscher Werte ein reines Herz, sodass Gottes Macht in meinem Leben wirksam sein kann? 

findechristus.org

Mittwoch, 22. Oktober 2025

Weh all denen, die mein Volk quälen

 

Gefängnis zu Liberty
(Bild: Quelle)

„Weh all denen, die mein Volk quälen und es verjagen und ermorden und gegen es aussagen, spricht der Herr der Heerscharen; die Schlangenbrut wird der Verdammnis der Hölle nicht entrinnen.“ (Lehre und Bündnisse 121:23). 

Die Verse 18–32 stellen einen bemerkenswerten Spannungsbogen dar. Einerseits spricht der Herr von Gericht, Verfluchung und Ausschluss vom Priestertum für jene, die seine Heiligen unterdrücken und falsche Anklagen erheben. Andererseits verheißt er herrliche Offenbarungen für die Gläubigen, die treu ausharren, und deutet auf eine kommende Zeit hin, in der selbst die tiefsten Geheimnisse von Himmel und Erde offenbart werden. Für uns heute ist diese Kombination von Gericht und Verheißung eine Einladung, unsere eigene Haltung zu prüfen: Bin ich jemand, der durch Worte und Handeln Unrecht vermehrt, oder jemand, der im Glauben ausharrt und sich für die Offenbarungen Gottes empfänglich macht? 

Die Verse 18 bis 25 sprechen eine ernste Warnung gegen die Feinde der Heiligen aus. „Und diejenigen, die fälschlich gegen meine Diener schwören, um sie in Gefangenschaft und zum Tode zu bringen – weh ihnen“ (V. 18–19). Diese scharfen Worte machen deutlich, dass Gott das Unrecht, das den Gläubigen widerfährt, nicht übersieht. Auch wenn es in der Zeit Joseph Smiths so aussah, als würden die Verfolger triumphieren, stellt der Herr klar, dass ihr Tun Konsequenzen hat. Ihre Nachkommenschaft wird nicht am Priestertum teilhaben (V. 21), ihre Häuser und Vorräte werden zerfallen (V. 20), und sie selbst werden verachtet werden. Für uns heute liegt darin die Lektion, dass Unrecht und Lüge zwar vorübergehend Erfolg haben mögen, aber niemals Bestand. Wer andere fälschlich beschuldigt, manipuliert oder ihnen Schaden zufügt, zerstört letztlich die eigene Grundlage. 

Besonders eindrücklich ist das Bild in Vers 22: „Es wäre besser für sie gewesen, man hätte ihnen einen Mühlstein um den Hals gehängt und sie wären in der Tiefe des Meeres ertrunken.“ Dieses drastische Bild erinnert unmittelbar an Jesu Worte im Neuen Testament (vgl. Matthäus 18:6). Es verdeutlicht, wie ernst Gott das Unrecht an „den Kleinen“ nimmt – seien es Kinder, einfache Gläubige oder Menschen, die keine Macht haben, sich selbst zu verteidigen. Für uns bedeutet das, dass Gott von uns erwartet, Schwache zu schützen und niemals Macht zu missbrauchen. Jede Form von Ausbeutung, sei sie verbal, sozial oder geistlich, ruft Gottes Gericht hervor. 

Ab Vers 24 wird die Perspektive geweitet: „Siehe, meine Augen sehen und kennen alle ihre Werke, und ich habe für sie alle ein rasches Strafgericht bereit, wenn es an der Zeit ist.“ Hier lernen wir etwas über Gottes Zeitplan. Während wir uns oft eine sofortige Vergeltung wünschen, erinnert uns der Herr daran, dass jedem Menschen eine bestimmte Zeit bestimmt ist, „je nachdem, wie seine Werke sein werden“ (V. 25). Für uns bedeutet das: Wir sollen geduldig sein, wenn Gerechtigkeit nicht sofort sichtbar wird, und darauf vertrauen, dass Gott in seiner Weisheit und zu seiner Zeit alles richtigstellen wird. 

Nach den ernsten Warnungen an die Feinde wendet sich der Herr ab Vers 26 den Gläubigen zu und spricht von herrlichen Verheißungen: „Gott wird euch durch seinen Heiligen Geist, ja, durch die unaussprechliche Gabe des Heiligen Geistes, Erkenntnis geben, die vom Anfang der Welt an bis heute nicht offenbart worden ist.“ Dieser Übergang ist von großer Bedeutung. Er zeigt, dass die Geschichte nicht mit Gericht endet, sondern mit Offenbarung und Herrlichkeit. Während die einen durch ihre Rebellion und Lügen die Segnungen Gottes verlieren, werden die Treuen mit Erkenntnis, Einsicht und tieferem Verständnis der Schöpfung belohnt. 

Vers 27–32 entfalten eine Vision, die weit über die Zeit Joseph Smiths hinausgeht. Es ist die Verheißung einer kommenden Epoche, in der nichts vorenthalten wird: „Alle Throne und Königreiche, Fürstentümer und Mächte werden offenbart und all denen anheimgegeben werden, die um des Evangeliums Jesu Christi willen tapfer ausgeharrt haben“ (V. 29). Hier wird das Prinzip deutlich, dass Offenbarung und Herrlichkeit an Treue gekoppelt sind. Wer in Prüfungen ausharrt, wird nicht nur getröstet, sondern reich belohnt mit einem Verständnis für himmlische Dinge, das schon den Propheten der früheren Zeiten verheißen, aber aufbewahrt wurde „für die Fülle ihrer Herrlichkeit“ (V. 27). 

Für uns heute ist das von zentraler Bedeutung. Wir leben in einer Zeit, die in den Schriften als „die Evangeliumszeit der Fülle der Zeiten“ bezeichnet wird (V. 31). Das bedeutet, dass Gott bereit ist, Wahrheiten zu offenbaren, die vorher zurückgehalten wurden. Dazu gehört nicht nur ein besseres Verständnis über die Natur Gottes („sei es, dass es einen Gott gebe oder viele Götter – sie werden kundgetan werden“, V. 28), sondern auch Erkenntnis über die Ordnung des Kosmos: die Umläufe von Sonne, Mond und Sternen, die Gesetze der Schöpfung und ihre festgesetzten Zeiten (V. 30–31). Für uns bedeutet das: Wenn wir treu sind, öffnet Gott unser Verständnis nicht nur für geistliche Wahrheiten, sondern auch für die Wunder seiner gesamten Schöpfung. Wissenschaft und Offenbarung müssen sich dabei nicht widersprechen, sondern können gemeinsam ein Bild von Gottes Werk ergeben. 

Am Ende dieser Passage steht die Erinnerung, dass all dies „gemäß dem, was inmitten des Rates des ewigen Gottes aller anderen Götter verordnet wurde, ehe diese Welt war“ (V. 32), zurückbehalten wurde, bis die Menschheit bereit ist. Dieser Vers hebt die Majestät und Ordnung von Gottes Plan hervor. Nichts geschieht zufällig, sondern ist eingebettet in die ewige Weisheit Gottes. Für uns heute ist das eine Einladung zur Demut und zum Vertrauen. Auch wenn wir manches noch nicht verstehen, dürfen wir sicher sein, dass Gott einen Plan hat, der uns Schritt für Schritt mehr erkennen lässt, wenn wir bereit sind. 

Zusammengefasst lehren uns die Verse 18–32 zwei große Dinge. Erstens: Gott sieht alles Unrecht und wird es zu seiner Zeit richten. Wir müssen nicht selbst Rache üben, sondern dürfen darauf vertrauen, dass seine Gerechtigkeit vollkommen ist. Zweitens: Wer im Glauben ausharrt, wird mit Offenbarungen belohnt, die unser Verständnis von Gott, seiner Schöpfung und unserem Platz darin auf eine Weise erweitern, die alle früheren Generationen nur erhofft haben. Für uns bedeutet das: Wir sind Teil einer einzigartigen Zeit der Offenbarung, und unser treues Ausharren öffnet uns die Tür zu Segnungen, die über alles hinausgehen, was wir uns jetzt vorstellen können. 

Wie können wir in einer Welt voller Ungerechtigkeit Frieden finden, wenn uns der Herr zusichert, dass er alles Unrecht sieht und am Ende Gerechtigkeit üben wird? 

findechristus.org

Dienstag, 21. Oktober 2025

Friede sei deiner Seele

 

Gefängnis zu Liberty
(Bild: Quelle)

„Meine Sohn, Friede sei deiner Seele; dein Unglück und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern“ (Lehre und Bündnisse 121:7). 

Joseph Smith schrieb diese Worte aus einem kalten, dunklen Gefängnis, in dem er seit Monaten eingesperrt war, während die Heiligen in Missouri vertrieben, misshandelt und ihrer Rechte beraubt wurden. Sein Schrei zu Gott im einleitenden Gebet zeigt eine Ehrlichkeit, die wir nur allzu gut nachvollziehen können: „O Gott, wo bist du?“ (V. 1). Diese Frage wird in den folgenden Versen nicht sofort mit einer Lösung beantwortet, sondern zunächst mit Trost, mit einer Neuausrichtung auf Gottes Zeitplan und mit einer Erinnerung an die ewige Perspektive. Gerade darin liegt für uns heute eine große Kraftquelle, denn auch wir stellen uns manchmal dieselben Fragen, wenn uns das Leben hart zusetzt. 

Lehre und Bündnisse 121:1–17 – Wie lange noch, o Herr? – Trost und Zusage in Zeiten der Prüfung 

In den ersten Versen 1–6 hören wir Josephs Bitten und Klagen. Er fragt nach Gottes Eingreifen, nach Gerechtigkeit für sein Volk und nach Beistand für sich und die Gläubigen. Diese Worte sind ein Spiegelbild dessen, was viele von uns in schwierigen Zeiten fühlen: den Wunsch, dass Gott das Unrecht erkennt und eingreift, während wir die Lasten des Lebens tragen. Es ist lehrreich für uns, dass der Prophet sich nicht scheut, Gott direkt anzusprechen, selbst inmitten der größten Bedrängnis. Für uns bedeutet dies, dass Gebet ein sicherer Raum ist, um unsere tiefsten Gedanken, Sorgen und Zweifel zu teilen, ohne dass wir uns rechtfertigen oder unsere Verletzlichkeit verbergen müssen. 

Die Zusage Gottes ab Vers 7 bietet eine tiefe Quelle der Ermutigung: „ Mein Sohn, Friede sei deiner Seele; dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern, 8 und dann, wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich in der Höhe erhöhen; du wirst über alle deine Feinde triumphieren.” Diese Worte erinnern uns daran, dass Gott die Zeit im Blick hat, während wir oft nur den Augenblick sehen. Die Prüfungen, die uns überwältigen, sind vergänglich im Licht der Ewigkeit. Sie sind Werkzeuge, um Charakter, Glauben und Ausdauer zu entwickeln. Für uns heute ist das eine Einladung, den Blick von der momentanen Not auf Gottes größeren Plan zu richten und darauf zu vertrauen, dass er jede Prüfung in einem größeren Zusammenhang sieht. 

Ab Vers 9 betont der Herr, dass Joseph nicht allein ist: „ Deine Freunde stehen doch zu dir, und sie werden dich wieder willkommen heißen, mit warmem Herzen und freundlicher Hand. “ Diese Aussage lehrt uns, dass Gottes Unterstützung oft durch Menschen wirkt – durch Freunde, Familienmitglieder, Mitbrüder und -schwestern. Sie zeigt, dass wir nicht isoliert kämpfen müssen und dass Treue und Loyalität ein wichtiger Bestandteil der göttlichen Begleitung sind. Für uns heute heißt das, dass wir die Gemeinschaft der Heiligen suchen und pflegen sollten, um gegenseitigen Halt und Ermutigung zu erfahren, gerade in Zeiten der Not. 

Die Verse 11–17 richten sich gegen jene, die falsche Anschuldigungen erheben und das Volk Gottes verfolgen: „ Und die dich der Übertretung beschuldigen, deren Hoffnung wird versengt werden, und ihre Erwartungen werden dahinschmelzen, “ (V. 11). Hier wird deutlich, dass Gott Ungerechtigkeit sieht und dass Lügen, Verleumdungen und falsche Anschuldigungen nicht unbeachtet bleiben. Für uns heute ist dies eine Mahnung zur Integrität im Umgang mit anderen. Wir sind aufgerufen, weder selbst Schaden zuzufügen noch unüberprüft Vorurteile weiterzutragen. Unsere Worte haben Macht, und wir tragen Verantwortung, sie in Wahrheit und Liebe zu gebrauchen. 

Gleichzeitig zeigt der Text in diesen Versen, dass Gottes Gericht nicht willkürlich ist, sondern in Übereinstimmung mit Rechtschaffenheit und Wahrheit geschieht. Die Verheißung, dass falsche Anschuldigungen und Gewalt letztlich keinen Bestand haben werden, gibt uns Hoffnung, dass wir uns nicht selbst rächen müssen. Vielmehr dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott das letzte Wort hat und dass alle Dinge in seine gerechte Hand gelegt sind. Diese Erkenntnis kann uns innere Ruhe und Stabilität geben, auch wenn äußere Umstände weiterhin schwierig bleiben. 

Ein weiteres lehrreiches Element dieser Verse ist die Erinnerung daran, dass Leiden nicht vergeblich ist. Joseph Smith und die Heiligen erlebten massives Unrecht und tiefe Prüfungen. Dennoch versichert der Herr, dass die Treuen durch diese Erfahrungen geformt werden und dass sich langfristig Gutes aus ihnen entwickeln wird. Diese Perspektive lädt uns ein, unser eigenes Leid in einem größeren Zusammenhang zu sehen: als Gelegenheit, Charakter, Glauben und Ausdauer zu entwickeln, und als Vorbereitung auf zukünftige Segnungen. 

Die Verse 1–17 zeigen auch, dass Gottes Trost konkret und persönlich ist. Er spricht Joseph direkt an, nennt ihn „mein Sohn“ und verspricht inneren Frieden. Diese persönliche Zuwendung erinnert uns daran, dass Gott jeden Einzelnen kennt und sich um unsere individuelle Situation kümmert. Wir sind keine anonymen Glieder einer Menge, sondern geliebte Kinder, deren Sorgen und Gebete gehört werden. Für uns heute bedeutet dies, dass wir uns in Zeiten der Prüfung direkt an den Herrn wenden können, in dem Wissen, dass er uns versteht und uns stärken kann. 

Schließlich vermitteln diese Verse, dass Geduld und Ausdauer entscheidend sind. Die Befreiung von äußeren Bedrängnissen und die vollständige Gerechtigkeit werden oft nicht sofort eintreten. Doch der Herr ermutigt uns, treu zu bleiben, inneren Frieden zu bewahren und auf seine Verheißungen zu vertrauen. Dies ist eine zeitlose Lektion: Die größte Kraft entsteht nicht darin, dass wir Hindernisse umgehen, sondern darin, dass wir trotz widriger Umstände standhaft bleiben und unseren Glauben bewahren. 

Zusammengefasst bieten die Verse 1–17 mehrere wertvolle Lehren für uns heute: Sie zeigen, dass wir ehrlich mit Gott sein dürfen, unsere Sorgen und Verzweiflung zu ihm bringen und ihn direkt um Hilfe bitten können. Sie lehren, dass Gott inneren Frieden schenkt, auch wenn äußere Umstände schwierig bleiben. Sie betonen die Verantwortung, wahrhaftig zu handeln, und dass Gerechtigkeit letztlich durch Gott sichergestellt wird. Und sie erinnern daran, dass Leiden im Licht der Ewigkeit vergänglich ist und oft eine Vorbereitung auf größere Segnungen darstellt. 

Wenn wir in unserem eigenen Leben Prüfungen begegnen – sei es Krankheit, Konflikt, Verlust oder Ungerechtigkeit – können wir aus diesen Versen Kraft schöpfen. Wir dürfen unsere Klage ehrlich zu Gott bringen, darauf vertrauen, dass er uns hört und unterstützt, und wissen, dass unser Leiden nicht umsonst ist. Wie Joseph Smith können wir lernen, dass selbst in äußerster Not, in der dunkelsten Stunde, göttlicher Trost, Führung und Hoffnung möglich sind. Wir sind eingeladen, die Perspektive des Herrn einzunehmen, auf seine Weisheit zu vertrauen und die Zusagen, die er uns gibt, als sicheren Anker in der Prüfung zu halten. 

Wie finde ich in Zeiten tiefster Not die Kraft, mich an Gottes Zusagen zu halten, auch wenn ich sie noch nicht erfüllt sehe? 

findechristus.org

Montag, 20. Oktober 2025

Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten

 

Liberty Jail
(Bild: Quelle)

“Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten und dein Auge, ja, dein reines Auge, von den ewigen Himmeln her das Unrecht ansehen, das deinem Volk und deinen Dienern widerfährt, und dein Ohr von ihrem Schreien durchdrungen werden?” (Lehre und Bündnisse 121:2). 

Josephs Frage aus dem Gefängnis spiegelt ein Gefühl wider, das viele Gläubige kennen: die Sehnsucht nach einem Zeichen, dass Gott eingreift. Gerade dieser Schrei nach Hilfe wird zum Ausgangspunkt für eine der tröstlichsten Offenbarungen über Leiden, Glauben und göttlichen Trost. 

Lehre und Bündnisse 121 – Historie 

L&B 121 ist ein Text, der seinen Ursprung in einer der härtesten Zeiten der frühen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat. Er entstand nicht in einer ruhigen Studierstube oder im Kreis der Familie, sondern in einem dunklen, kalten Gefängnis im Winter von 1838/39. Um den geschichtlichen Hintergrund richtig zu verstehen, muss man sich die dramatischen Ereignisse in Missouri in Erinnerung rufen, die zur Inhaftierung des Propheten Joseph Smith führten. 

Seit den frühen 1830er-Jahren hatten die Mitglieder der jungen Kirche im Bundesstaat Missouri versucht, eine bleibende Heimat aufzubauen. Besonders in Jackson County glaubten sie, sich in Zion versammeln zu können, weil dort nach Offenbarungen Joseph Smiths das Neue Jerusalem errichtet werden sollte. Doch von Anfang an waren sie Misstrauen, Argwohn und offener Feindseligkeit der alteingesessenen Siedler ausgesetzt. Religiöse Unterschiede, wirtschaftliche Spannungen und politische Machtfragen führten dazu, dass Konflikte immer häufiger aufflammten. Viele Missourianer fürchteten den wachsenden Einfluss der Heiligen, die als geschlossene Glaubensgemeinschaft stimmten und wirtschaftlich zusammenarbeiteten. 

Bereits 1833 kam es zu ersten gewaltsamen Ausschreitungen in Jackson County, die schließlich zur Vertreibung der Mitglieder aus dem Gebiet führten. Sie siedelten sich in anderen Landkreisen an, unter anderem in Caldwell und Davies County. Doch auch dort wuchsen die Spannungen. In den Jahren 1837 und 1838 traten zudem innere Krisen auf: wirtschaftliche Schwierigkeiten, Abfall von einigen führenden Mitgliedern und wachsender Druck von außen. In dieser Situation wurde das Klima in Missouri immer feindseliger. 

Der Höhepunkt der Verfolgung kam im Herbst 1838. Kleine Scharmützel zwischen Milizen und Heiligen, gegenseitige Drohungen und Übergriffe steigerten sich in eine regelrechte „Mormonen-Krise“. Am 25. Oktober 1838 kam es bei Crooked River zu einem Gefecht, bei dem ein Missourier fiel. Obwohl die Umstände unklar waren, nutzten die Gegner der Kirche dies als Vorwand, die Heiligen der Rebellion und des Aufruhrs zu beschuldigen. Der Gouverneur von Missouri, Lilburn W. Boggs, erließ am 27. Oktober die berüchtigte „Extermination Order“, welche erklärte, die Mormonen müssten aus dem Staat vertrieben oder „vernichtet“ werden. Damit war der staatliche Segen für eine regelrechte Vertreibung gegeben. 

Die Folgen waren verheerend. In Haun’s Mill kam es am 30. Oktober 1838 zu einem Massaker, bei dem 17 Männer und Jungen getötet wurden, darunter Kinder. Frauen und Kinder wurden vertrieben, Häuser und Höfe zerstört. Tausende von Heiligen flohen in bitterer Kälte. Viele verloren ihre gesamte Habe. 

Inmitten dieser Lage wurde Joseph Smith mit einigen anderen Kirchenführern verhaftet. Die Anklagen lauteten auf Hochverrat, Mord und andere schwere Verbrechen – Anklagen, die in Wirklichkeit politische und religiöse Vorwände waren, um die Kirche zu schwächen. Joseph Smith, Hyrum Smith, Lyman Wight, Alexander McRae und Caleb Baldwin wurden im November 1838 nach Liberty im Clay County gebracht und dort inhaftiert. Sidney Rigdon war zunächst ebenfalls verhaftet, wurde jedoch später entlassen. 

Das Gefängnis von Liberty, heute als „Liberty Jail“ bekannt, war ein massives Steingebäude mit dicken Mauern. Die eigentliche Zelle befand sich im unteren Stockwerk, das nur über eine kleine Luke zugänglich war. Die Decke war so niedrig, dass die Männer nicht aufrecht stehen konnten. Im Winter 1838/39 war es bitterkalt, und der Kerker war feucht, dunkel und zugig. Die Nahrung, die die Wärter brachten, war oft verdorben oder kaum essbar. Joseph und seine Mitgefangenen berichteten, dass sie sich nicht sicher sein konnten, ob die Speisen vergiftet waren. Unter diesen Umständen verbrachten sie fast fünf Monate. 

Die Haftzeit in Liberty Jail war für Joseph Smith eine tiefe Prüfung. Er wusste um die Leiden der Heiligen draußen, er sorgte sich um seine Frau Emma und die Kinder, und er musste die ständige Unsicherheit ertragen, ob er jemals freikommen würde. Historiker und Kirchenkommentatoren sprechen oft davon, dass Liberty Jail für Joseph eine Art „Gefängnis-Tempel“ wurde. Denn gerade in der äußersten Erniedrigung empfing er einige der erhabensten Offenbarungen seines Lebens. 

Am 20. März 1839 schrieb Joseph einen langen Brief an die Heiligen, der fast 30 Seiten umfasste. In diesem Brief brachte er seine tiefste Verzweiflung, aber auch Trost und Lehren zum Ausdruck. Er schilderte die Notlage, klagte die Ungerechtigkeit an, und er gab gleichzeitig die Offenbarungen wieder, die er in Gebet und Meditation empfangen hatte. Später wurden ausgewählte Passagen dieses Briefes in die heiligen Schriften aufgenommen und bilden heute die Abschnitte 121, 122 und 123 in Lehre und Bündnisse. 

Damit ist L&B 121 ursprünglich kein klassisches „so spricht der Herr“-Diktat, wie es viele andere Abschnitte sind, sondern ein seelsorgerischer Brief, durchzogen von prophetischer Offenbarung. Diese Entstehungsgeschichte ist von besonderer Bedeutung: Sie zeigt, dass göttliche Offenbarung nicht auf einen engen Rahmen beschränkt ist, sondern mitten im Leben geschehen kann – selbst in einem Gefängnis, in Not und Verzweiflung. 

Joseph und seine Gefährten hielten im Gefängnis auch engen Kontakt zu den Heiligen außerhalb. Emma schrieb ihm Briefe, soweit es möglich war. In einem dieser Briefe schilderte sie ihre Mühen, die Familie durchzubringen, und ihre Angst, die Kinder könnten erfrieren. Diese persönlichen Details geben einen Einblick in die Menschlichkeit des Propheten und seiner Familie. 

Die Haftzeit endete im April 1839. Joseph und die anderen sollten in Boone County vor Gericht gestellt werden. Auf dem Weg dorthin überließen die Wächter den Gefangenen jedoch in der Nacht bewusst eine Möglichkeit zur Flucht. Historiker sehen darin ein Zeichen dafür, dass auch die lokalen Behörden erkannten, wie fragwürdig die Anklagen waren. Joseph konnte so entkommen und zu seiner Familie nach Illinois zurückkehren. Die Heiligen sammelten sich bald in Nauvoo, wo sie in den folgenden Jahren eine neue Stadt errichteten. 

Wenn wir den historischen Hintergrund von L&B 121 betrachten, wird deutlich, dass es sich um Worte handelt, die aus einem Kontext der Verfolgung, des Leids und der Unsicherheit heraus entstanden sind. Und doch sind sie nicht von Bitterkeit geprägt, sondern von einer tiefen Suche nach Gott und von Offenbarungen, die weit über die damalige Situation hinausreichen. Gerade diese Umstände machen den Text so bedeutsam. 

Die Geschichte von Liberty Jail zeigt, dass Gott seine mächtigsten Offenbarungen nicht immer in Zeiten äußerer Ruhe gibt. Oft spricht er in die Dunkelheit hinein, um Trost, Perspektive und Lehren zu schenken. Für Joseph Smith und die frühen Heiligen war Liberty Jail ein Prüfstein des Glaubens – und für uns heute ist es ein Zeugnis dafür, dass selbst im größten Leid göttliches Licht leuchten kann. 

Wie gehe ich in meinen eigenen Prüfungen damit um, wenn es scheint, als würde der Himmel schweigen? 

findechristus.org

Samstag, 18. Oktober 2025

Die Zeit ist nun gekommen, dass darüber durch einen Rat verfügt werden soll

 

Jährliche Zehntenerklärung mit dem Bischof
(Bild: Quelle)

“Wahrlich, so spricht der Herr: Die Zeit ist nun gekommen, dass darüber durch einen Rat verfügt werden soll, der sich aus der Ersten Präsidentschaft meiner Kirche und aus dem Bischof und seinem Rat und aus meinem Hoherat zusammensetzt; und durch meine eigene Stimme an sie, spricht der Herr. So ist es. Amen.” (Lehre und Bündnisse 120:1). 

Lehre und Bündnisse 120 - Verwaltung der heiligen Gelder 

Die Offenbarung, die als L&B 120 bekannt ist, wurde Joseph Smith am 8. Juli 1838 gegeben. Sie richtet sich auf die Verwaltung von heiligen Spendengeldern, bzw. Öffentlichem Eigentum des Bischofs („publick properties in the hands of the Bishop”) in Zion und legt fest, wie Opfergaben, Überschüsse und Eigentum der Kirche verteilt werden sollen. Doctrine and Covenants Central 

Zentrale Punkte der Offenbarung sind: 

  • Es wird ein Rat (Erste Präsidentschaft, Präsidierende Bischofschaft, Rat der Zwölf) gebildet zur Verwaltung dieser öffentlichen Güter und der Überschüsse, und dieser Rat soll gemäß Offenbarung und Geboten Gottes handeln.  
  • In der ursprünglichen Fassung des Rats waren neben der Ersten Präsidentschaft auch der Bischof sowie der Hohe Rat in Far West beteiligt. Doctrine and Covenants Central 
  • Alles, was an Eigentum oder Überschüssen vorhanden war, sollte unter bewährten, göttlichen Prinzipien verwaltet werden: was benötigt wird, bleibt bei der Leitung, der Rest wird in die Hände des Bischofs oder der Bischöfe gegeben, entsprechend Offenbarungen und Geboten. Doctrine and Covenants Central 

Die Offenbarung also legt nicht nur eine Verwaltungsstruktur fest, sondern betont, dass göttliche Führung (Offenbarung) und gemeinsame, kollegiale Entscheidungen unabdingbar sind. Es geht um Heiligkeit, Treue und Sparsamkeit, aber auch darum, dass die verfügbaren Mittel für das Werk des Evangeliums eingesetzt werden. 

Wie werden diese Prinzipien heute weltweit in der Kirche angewandt? 

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage versucht, die in Abschnitt 120 enthaltenen Prinzipien umzusetzen – durch konkrete Strukturen, Leitungsräte, Audits, Empfehlungen und Vorschriften. Hier sind einzelne Ebenen, wie das heute funktioniert: 

Globale Leitung: Der Rat zur Verwendung des Zehnten (“Council on the Disposition of the Tithes”) 

  • Der Rat, der in Abschnitt 120 beschrieben wird, existiert heute weiterhin in modifizierter Form. Der heutige Rat besteht aus der Ersten Präsidentschaft, dem Kollegium der Zwölf Apostel sowie der präsidierenden Bischofschaft. Doctrine and Covenants Central 
  • Dieser Rat trifft Entscheidungen über die Verwendung der Zehntengelder und der heiligen Mittel auf globaler Ebene, insbesondere bei großen Projekten (Tempelbau, Versammlungshäuser, weltweite Mission, humanitäre Hilfe). newsroom.churchofjesuschrist.org+1; ab: “F: Wie verwendet die Kirche den Zehnten und andere Gelder?”. 
  • Offenbar wird dieses Gremium stets bemüht sein, Entscheidungen einvernehmlich und im Geist der Offenbarung zu treffen. Abschnitt 120 fordert und betont, dass Entscheidungen in Übereinstimmung mit Geboten Gottes erfolgen. Doctrine and Covenants Central 

Regionale und nationale Verwaltung 

  • Jedes Gebiet / jedes Land / jede Einheit operiert unter den Richtlinien dieser globalen Leitung, aber mit Rücksicht auf lokale Bedürfnisse, Gesetze und Kosten. Die Mittel, die aus Zehnten, Opfergaben und sonstigen Beiträgen kommen, werden gebündelt und für Kircheneinheiten bereitgestellt, in denen sie gebraucht werden. Das schließt Baukosten für Versammlungshäuser, Instandhaltung, Unterstützung von Missionaren, Programme zur Wohlfahrt mit ein. newsroom.churchofjesuschrist.org; siehe ab “Budget and Expenditures”. 
  • In vielen Ländern gibt es gesetzliche Anforderungen zur Transparenz und Buchführung, denen die Kirche nachkommt. Wo dies gefordert ist, werden Teile der Finanzen – z. B. jährliche Berichte, Audits – öffentlich oder zumindest gegenüber Behörden offengelegt. Wikipedia+1; siehe ab “Finances”. 

Lokale Ebene: Pfahl, Gemeinde, Kirchliche Einheiten 

  • Auf lokaler Ebene ist der Bischof (oder Äquivalent) verantwortlich für die Verwaltung der Mittel seiner Gemeinde. Er führt das jährliche Budget, sorgt für ordnungsgemäße Buchführung, überwacht die Ausgaben. The Church of Jesus Christ 
  • Der Gemeindesekretär für Finanzen und der Pfahl-Sekretär haben jeweils mit einer weiteren Person aus der Bischofschaft oder Pfahlpräsidentschaft klare Aufgaben: Empfang und Einzahlungen von Beiträgen, monatliche Überprüfung der Finanzberichte, Vorbereitung und Kontrolle des Budgets, Unterstützung bei Prüfungen (Audits). The Church of Jesus Christ 
  • Es gibt eine jährliche Zehntenerklärung, meist gegen Jahresende, bei der jedes Mitglied seine Zahlungen überprüft und bestätigt, ob der Zehnte vollständig ausgewiesen ist. Dies fördert Verantwortlichkeit und Klarheit. Wikipedia+1 
  • Fastopfergaben sind ein weiterer Bestand, über den lokale Einheiten verfügen, um Bedürftige oder Notfälle zu unterstützen. Diese Opfergaben werden lokal verwaltet, immer durch den Bischof oder durch beauftragte lokale Leiter, nicht benötigte Gelder werden an die nächsthöhere Verwaltungsebene weitergegeben. Wikipedia 

Kontrolle, Audits, Transparenz 

  • Es existiert ein kirchliches Auditing Department, das dafür sorgt, dass Finanzen genau erfasst und dass geltende Standards eingehalten werden. Sowohl auf lokaler als auch auf Pfahl- und Gebietsebene gibt es Prüfungsinstanzen. newsroom.churchofjesuschrist.org+1; siehe “Budget and Expenditures”. 
  • Berichte über finanzielle Aktivitäten: Die Kirche veröffentlicht regelmäßig gewisse Informationen – z. B. wie Zehntengelder eingesetzt werden (Mission, Bau, Wohltätigkeit, etc.). Wikipedia+2Wikipedia+2 
  • Innerhalb der Kirche gibt es allgemeine Handbücher, z. B. für „Finanzen und Buchprüfungen“, die genau regeln, wie Gelder gesammelt, verwaltet, abgerechnet und geprüft werden müssen. Verantwortlichkeiten sind festgelegt für lokale Leiter, Rechnungsführer, Sekretäre etc. 

Herausforderungen und konkrete heutige Praxis 

  • Die Kirche benötigt erhebliche Mittel: zur Unterstützung der Missionare, Bau und Unterhalt von Tempeln und Versammlungshäusern, Bildungsprogramme, Wohlfahrt und humanitäre Hilfe. Die Mittel stammen fast ausschließlich von Mitgliedern durch Zehnten, Opfer, Spenden. newsroom.churchofjesuschrist.org 
  • Es gibt Rücklagen bzw. Reserven (Investitionen) für langfristige Aufgaben und als Puffer. Diese Reserven werden diversifiziert angelegt: Aktien, Anleihen, Immobilien, etc. Damit wird sichergestellt, dass die Kirche auch in Zeiten finanzieller Belastungen handlungsfähig bleibt. newsroom.churchofjesuschrist.org+1; siehe “Q: Does the Church have investment reserves?” 
  • Auch Transparenz ist ein sensibles Thema: Wie viel wird offengelegt? Welche gesetzlichen Vorschriften bestehen in welchem Land? Wo es nötig ist, wird offengelegt; in anderen Fällen werden nur allgemeine Angaben gemacht. Einige öffentliche Debatten drehen sich darum, ob die Kirche mehr offenlegen sollte. fairlatterdaysaints.org+2newsroom.churchofjesuschrist.org+2; siehe “Q: Why doesn’t the Church publish its financial information?”. 

Verbindung von Abschnitt 120 mit heutiger Verwaltung 

  • Die Offenbarung verlangt Führung durch den Geist – und auch Verantwortung. Das spiegelt sich heute in den internen Abläufen wider: Entscheidungsfindung auf Führungsebene, Audits, Prüfer, Kontrolle in allen Organisationseinheiten. 
  • Der Geist der Heiligkeit: Gelder sind „heilig“, also sind die Erwartungen hoch, dass sie sorgfältig genutzt werden. Das bedeutet Sparsamkeit, Verantwortlichkeit, und Ausrichtung auf die Missionsziele. 

Zusammenfassung 

In L&B 120 wird ein prinzipieller Rahmen geschaffen: Offenbarung, Führung durch einen Rat, Verwaltung der heiligen Gelder oder des geweihten Eigentums, gerechte Verteilung und Aufbewahrung heiligen Eigentums und des Zehnten. Dieses Modell hat sich in der Kirche weiterentwickelt, aber die Grundsätze gelten weiterhin. 

Heute werden Zehnten- und Opfergabengelder weltweit zentral verwaltet durch den Rat zur Verfügung des Zehnten, der von der höchsten Leitung gebildet wird. Auf regionaler Ebene wird beraten, eingesetzt, verteilt, gebaut und betreut. Lokal sorgen Bischöfe, Gemeindesekretäre, Pfahlpräsidentschaft und Pfahlsekretäre samt Audits dafür, dass alles korrekt gebucht, ausgegeben und geprüft wird. Darüber hinaus gibt es gesetzliche Bestimmungen in manchen Ländern, die Transparenz, Buchführung und Berichtspflichten verlangen – und die Kirche bemüht sich, diesen nachzukommen. 

Reflexion & Motivationsfrage 

Nachdem wir gesehen haben, wie L&B 120 sowohl historisch als auch heute in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gelebt wird, möchte ich dich zu folgender Frage einladen – nicht als Urteil, sondern als Anregung: 

Wie bewusst bist du dir selbst der Verantwortung der eigenen Gaben (Zehnter oder Opfergaben), und wie kannst du in deinem Leben dazu beitragen, dass diese Mittel wirklich so eingesetzt werden, wie es Abschnitt 120 vorgibt – also in Gerechtigkeit, Transparenz und im Geist der Heiligkeit? 

findechristus.org

Freitag, 17. Oktober 2025

Jährlich ein Zehntel des Ertrags abgeben

 

Die Witwe, die alles gab, was sie hatte
(Bild: Quelle)

“Und danach sollen diejenigen, die so gezehntet worden sind, jährlich ein Zehntel all ihres Ertrags bezahlen; und das soll für sie, für mein heiliges Priestertum, ein feststehendes Gesetz sein immerdar, spricht der Herr.” (Lehre und Bündnisse 119:4). 

Lehre und Bündnisse 119 — Das Gesetz des Zehnten 

Im Juli 1838, genau am 8. Juli, empfing Joseph Smith in Far West, Missouri, eine Offenbarung, die den Heiligen das Gesetz des Zehnten in klarer Form darlegte. Josephs dringende Bitte lautete: „O Herr! Zeige deinen Dienern, wie viel du vom Eigentum deines Volkes als Zehnten verlangst.“ Die Antwort darauf ist in Abschnitt 119 der Lehre und Bündnisse überliefert. 

Diese Offenbarung stellt eine bedeutende Entwicklung dar: Zum ersten Mal trat ein verbindliches Gesetz des Zehnten in der Kirche hervor. Davor lag der Schwerpunkt auf dem Gesetz der Weihung und Treuhandschaft — einem umfassenden ökonomischen Bündnis, in das hauptsächlich die führenden Ältesten eintraten. Dazu gehörte, dass Mitglieder ihre Besitztümer in Treuhanstand gaben, im Sinne der gerechten Verteilung nach Bedürfnissen. Doch weil dieses Prinzip nicht konsequent eingehalten wurde, zog der Herr es zurück und ersetzte es durch das klar definierte Gesetz des Zehnten, das an die gesamte Kirche gerichtet war. 

In Vers 1 der Offenbarung heißt es: „Ich verlange, dass all ihr überschüssiges Eigentum dem Bischof meiner Kirche in Zion in die Hände gelegt werde“ — und zwar „für den Bau meines Hauses und um die Grundlage zu legen für Zion und für das Priestertum und für die Schulden der Präsidentschaft meiner Kirche.“ Damit verbindet sich ein dreifacher Zweck: ehe die Mitglieder regulären Zehnten zahlen, sollen sie zunächst sinnvoll überschüssiges Eigentum einsetzen — eine Rückkehr zu den Idealen der Treuhandschaft, wenn auch in reformierter Form. 

Vers 3 beschreibt diesen Vorgang als „den Anfang des Zehntens“ des Volkes. Die wahre Novität ergibt sich in Vers 4: Danach sollen diejenigen, die ihren Überschuss entrichtet haben, jährlich ein Zehntel ihres Ertrags als Zehnten geben. Der Herr erklärt, dieses sei ein feststehendes, ewiges Gesetz für das heilige Priestertum. 

Diese Regelung war nicht nur eine Aufforderung zu materieller Hingabe, sondern eine praktische wirtschaftliche Anweisung. Sie verband weiterhin, wenn auch in veränderter Weise, den Geist der Weihung mit der Stabilisierung der kirchlichen Struktur durch regelmäßige Beiträge — insbesondere zur Unterstützung von Bauprojekten, zur Schuldentilgung und zur Errichtung einer heiligen Gemeinschaft in Zion. 

Vers 5 betont die Konsequenzen: Wer dieses Gesetz nicht befolgt — also weder seinen Überschuss entrichtet noch jährlich den Zehnten zahlt — werde als unwürdig erachtet, im Land Zion bleiben zu dürfen. Vers 6 verschärft den Anspruch: Wenn die Heiligen dieses Gesetz nicht heiligen und somit Zion nicht für den Herrn heiligt, dann werde es kein Land Zion sein. Die Heiligkeit des Landes ist also eng verknüpft mit der Implementierung dieses göttlichen Gesetzes. 

Schließlich verordnet Vers 7, dass dieses Gesetz ein Beispiel für alle Pfähle Zions sein solle — also über Far West hinaus für alle lokale Gemeindestrukturen relevant ist. Damit war klar: Das Gesetz des Zehnten gilt nicht nur temporär oder regional, sondern als verbindliche Ordnung für das gesamte kirchliche Leben. 

Kontextuell war die Offenbarung vor dem Hintergrund großer wirtschaftlicher Not in Kirtland und Missouri besonders dringlich. Die frühe Kirche litt unter finanziellen Schwierigkeiten, die auf Kirtland-Projekte, Bankengagements und darauf aufbauende Schulden zurückgingen. Viele Mitglieder waren verarmt, hatten Haus und Hof verloren. Far West und das Streben nach Zion, dem heiligen Ort, gurkten inmitten dieser prekären Situation gospeldoctrine.com

Vor diesem Hintergrund erklärt sich verständlicherweise Josephs dringendes Gebet um göttliche Richtlinien für kirchliche Finanzen. Die Offenbarung war eine Antwort, die erstmals eine institutionalisiert verbindliche und zugleich flexible Lösung bot: Überschuss einbringen und daraufhin ein jährlicher Beitrag von einem Zehntel des Ertrags. 

Zudem betont der historische Kommentar, dass das Verständnis von „Zehnten“ in früheren Offenbarungen — etwa D&C 64:23, 85:3, 97:11 — ursprünglich nicht auf ein exaktes Zehntel beschränkt war, sondern freiwillige Gaben umfasste gospeldoctrine.com. Nur mit DC 119 wurde erstmals mathematische Klarheit geschaffen: Zehntel bedeutet ein Zehntel des Ertrags. 

Theologisch dürfte diese Regelung auch praxisorientiert interpretiert werden: Eine Möglichkeit, Glaube durch konkrete Taten zu zeigen, und zugleich ein Mittel der sozialen Sicherheit und des Gemeinschaftsbetriebs. Clark, Romney und andere führende Theologen und Kirchenführer bezogen sich später darauf, wie das Konzept von Überschuss und Zehnten im Kontext moderner Kirche angewendet wird — etwa durch Fastopfer, Wohlfahrts-Plan, Bischofslager, etc. gospeldoctrine.com. Zum Beispiel betont J. Reuben Clark, Jr., dass die heutigen gabenbasierten und wohlfahrtsgeführten Systeme in vielen Aspekten das ursprüngliche Prinzip fortsetzen; Harold B. Lee und Victor L. Brown weisen auf Parallelen zwischen dem Wohlfahrtsplan und dem Vereinigten Orden hin, während Hinckley und Faust die Einfachheit und geistliche Dimension des Zehnten hervorheben gospeldoctrine.com

Wenn wir also Abschnitt 119 betrachten, sehen wir mehr als nur ein Wirtschaftsgesetz. Wir erkennen einen Übergang von umfangreicher, auf Treuhand gegründeter Weihung hin zu einem praktikablen, klar definierten System kirchlichen finanziellen Teilens. Die Heiligkeit des Landes und der Priesterschaft, die Stabilität der Leitung, die Erweiterung von Gemeinschaft und Infrastruktur hängen davon ab. Gleichzeitig bleibt Raum für persönlichen Glauben und freie Entscheidungsfindung: Mitglieder sollen erkennen, was „Überschuss“ ist, und freiwillig handeln, bevor sie sich dem Zehnten verpflichten. 

Das Gesetz des Zehnten ist also eine ideale Schnittstelle zwischen individuellem Geist (Freiwilligkeit, Bündnis, Glaubensvollzug) und institutioneller Notwendigkeit (Finanzstruktur, Gemeinschaftsaufbau, Solidarität). Es zeigt, wie göttliche Offenbarung praktische Anleitung bietet, auch unter angespannten Umständen — und wie später die Prinzipien in veränderten Umständen legitim weitergelebt werden können. 

Schlussgedanke und Frage 

L&B 119 zeigt uns, dass der Herr sein Werk nicht nur durch geistige Gaben, sondern auch durch materielle Opfer voranbringt. Der Zehnte ist dabei mehr als eine finanzielle Ordnung: Er ist ein ewiges Gesetz, das ein Band zwischen Gott und seinen Kindern knüpft und ihnen die Möglichkeit gibt, aktiv am Aufbau Zions mitzuwirken. Diese Offenbarung erinnert uns daran, dass unsere Opfergaben – ob groß oder klein – geheiligt werden, wenn wir sie im Glauben darbringen, und dass sie uns in eine tiefere Beziehung mit dem Herrn führen. 

Die entscheidende Frage für uns heute lautet: Wie können wir den Zehnten nicht nur als Pflicht, sondern bewusst als heilige Opfergabe verstehen, die unser Band zum Herrn stärkt und uns hilft, Zion in unserer Zeit aufzubauen? 

findechristus.org

Donnerstag, 16. Oktober 2025

Lasst sie sich von meinen Heiligen in der Stadt Far West verabschieden

 

Far West Temple-Site
(Bild: Quelle)

“Lasst sie sich am sechsundzwanzigsten Tag des nächsten Aprils von meinen Heiligen in der Stadt Far West verabschieden, und zwar auf dem Bauplatz meines Hauses, spricht der Herr.” (Lehre und Bündnisse 118:5). 

Lehre und Bündnisse 118 – Historischer Kontext und geistliche Lehren 

Einleitung: 1838 und die Notwendigkeit neuer Führung 

Das Jahr 1838 war für die junge Kirche Jesu Christi von tiefgreifenden Umbrüchen geprägt. In Far West, Missouri, befanden sich die Heiligen in einer politisch, rechtlich und gesellschaftlich angespannten Lage. Feindseligkeiten mit den Nachbarn verschärften sich, Verhaftungen und Vertreibungen standen bevor, und auch innerhalb der Kirche gab es Unruhe. Einige Führer fielen vom Glauben ab oder wurden abgesetzt, darunter auch Mitglieder des Kollegiums der Zwölf Apostel. In dieser schwierigen Situation wandte sich Joseph Smith erneut an den Herrn, um Anweisungen zur künftigen Leitung und Stärkung der Kirche zu erhalten. 

Am 8. Juli 1838 erging in Far West die Offenbarung, die heute als L&B 118 bekannt ist. Sie richtete sich direkt an das Quorum der Zwölf Apostel, bestätigte ihre Aufgabe, das Evangelium „unter allen Nationen“ zu verkündigen, und ordnete gleichzeitig personelle Veränderungen an. Besonders bemerkenswert ist, dass die Offenbarung einen Zeitpunkt für den Beginn einer Missionsreise nach Großbritannien auf den 26. April 1839 festlegte – ein Datum, das sich später in eindrucksvoller Weise erfüllte, obwohl die äußeren Umstände dies fast unmöglich erscheinen ließen. 

Verse 1–3: Die Sendung des Kollegiums der Zwölf 

Der Herr erneuert im Vers 1 die grundlegende Berufung des Apostelkollegiums: Sie sollen als besondere Zeugen Jesu Christi „unter allen Nationen“ wirken. Diese weltweite Ausrichtung erinnert an den Missionsbefehl Jesu in Matthäus 28:19: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.“ Auch das Buch Mormon bestätigt die Universalität des Evangeliums: „Denn er gebietet allen Menschen, überall, umzukehren und an ihn zu glauben“ (2 Nephi 9:23). 

Die Formulierung „erst nachdem sie dies getan haben, sollen sie nach ihrem Heim zurückkehren“ macht deutlich, dass der Dienst nicht an Bequemlichkeit gebunden ist, sondern an den göttlichen Auftrag. Ein Apostel lebt nicht für sich selbst, sondern für das Zeugnis Christi. Für uns heute bedeutet das: Jüngerschaft ist kein Nebenschauplatz im Alltag, sondern verlangt, dass wir Christus an die erste Stelle setzen – auch wenn dies mit Opfern verbunden ist. 

Verse 4–5: Bestimmungen zur Nachfolge und zeitliche Festlegung 

Die Worte in Vers 4 enthalten mehrere bemerkenswerte Punkte. Erstens wird eine klare geografische Richtung angegeben: Europa. Schon seit einiger Zeit hatten die Heiligen den Eindruck, dass das Evangelium dort fruchtbaren Boden finden würde. Tatsächlich sollte sich die Mission in England als entscheidend für das Überleben und Wachstum der Kirche erweisen. Zweitens verweist der Herr darauf, dass nicht alle derzeitigen Apostel durchhalten würden. Einige fielen tatsächlich vom Glauben ab, was verdeutlicht, dass selbst hohe Berufungen keinen Schutz vor menschlicher Schwäche bieten. 

Vers 5 legt dann einen ganz konkreten Zeitpunkt fest, zu dem sie sich in Far West treffen sollten um sich von dort aus auf ihre Mission zu verabschieden. Diese Bestimmung erwies sich als ein Prüfstein des Glaubens. Denn als der 26. April 1839 heranrückte, waren die Heiligen bereits aus Missouri vertrieben worden, Far West stand unter feindlicher Kontrolle, und die äußeren Bedingungen schienen die Erfüllung unmöglich zu machen. Dennoch hielten die Apostel an jenem Tag eine Versammlung auf dem Tempelplatz in Far West ab und erfüllten, entgegen dem Vorhaben ihrer Feinde dies zu unterbinden, buchstäblich das Gebot des Herrn. 

Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass Gottes Wort nicht ins Leere fällt. Auch wenn Umstände dagegenstehen, bleibt seine Verheißung bestehen. Für uns heute heißt das: Wir können den Verheißungen des Herrn vertrauen, selbst wenn äußere Situationen hoffnungslos erscheinen. 

Vers 6: Berufung neuer Apostel 

In Vers 6 nennt der Herr vier Männer, die zu Aposteln berufen wurden. Diese Offenbarung zeigt einmal mehr, dass der Herr seine Kirche lenkt, indem er konkrete Namen und Berufungen offenbart. Besonders bedeutsam ist, dass drei dieser Männer – John Taylor, Wilford Woodruff und Willard Richards – später eine zentrale Rolle in der Führung der Kirche spielten. John Taylor wurde der dritte Präsident der Kirche, Wilford Woodruff der vierte, und Willard Richards diente treu in der Ersten Präsidentschaft. 

Die Berufung dieser Männer erinnert daran, dass der Herr „seine Auserwählten ruft“ (Abraham 3:23) und die Gaben und Talente jedes Einzelnen kennt. Für uns bedeutet das: Auch wenn unsere Aufgaben kleiner erscheinen mögen, sind sie Teil des göttlichen Plans. Gott kennt uns beim Namen und beruft uns, ihm zu dienen, wo immer wir stehen. 

Anwendung für heute 

L&B 118 ist nicht nur ein historisches Dokument über einen schwierigen Abschnitt der Kirchengeschichte. Es spricht direkt zu uns in unserer Zeit. Mehrere Anwendungen lassen sich herausarbeiten: 

  1. Beständigkeit im Zeugnis: So wie die Apostel in Far West trotz äußerer Gefahr den Auftrag erfüllten, so können auch wir in einer Welt voller Widerstände standhaft bleiben. Paulus schreibt: „Darum, meine geliebten Brüder, seid fest, unerschütterlich, nehmt immer zu in dem Werk des Herrn“ (1 Korinther 15:58). 
  1. Vertrauen auf Verheißungen: Die präzise Erfüllung der Weissagung vom 26. April 1839 zeigt, dass Gottes Wort sicher ist. Wenn er sagt, dass er bei uns sein wird (Matthäus 28:20), können wir fest darauf bauen. 
  1. Missionarischer Auftrag: Wie die Zwölf nach Europa gesandt wurden, so sind auch wir eingeladen, das Evangelium zu teilen – sei es in unserer Familie, Nachbarschaft oder online. Das Buch Mormon fasst dies so zusammen: „Das ist meine Aufgabe: zu überzeugen, … dass Jesus der Christus ist“ (Titelblatt). 
  1. Führung durch Offenbarung: Die Berufung der neuen Apostel zeigt, dass der Herr seine Kirche nicht im Stich lässt. Auch heute empfangen wir durch Propheten und Apostel göttliche Führung. Dies lädt uns ein, ihre Worte aufmerksam zu studieren und in die Tat umzusetzen. 

Schlussgedanke und Frage 

L&B 118 führt uns mitten in eine Zeit äußerer Unsicherheit und innerer Prüfung, doch es zeigt, dass der Herr seine Kirche führt, seine Verheißungen hält und seine Diener befähigt. Die Offenbarung ist ein Zeugnis dafür, dass selbst in dunkelsten Stunden das Werk des Herrn voranschreitet und dass unser Vertrauen auf ihn nicht vergeblich ist. 

Die entscheidende Frage für uns heute lautet: Wie können wir inmitten eigener Herausforderungen den gleichen Glauben und die gleiche Beständigkeit zeigen wie die Apostel, die am 26. April 1839 in Far West standen und das Gebot des Herrn erfüllten? 

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