Freitag, 16. Mai 2025

Niemanden ausstoßen

 

(Bild Quelle)

„Doch ist es euch geboten, niemals jemanden aus euren öffentlichen Versammlungen, die vor der Welt gehalten werden, auszustoßen.“ (Lehre und Bündnisse 46:3). 

L&B 46 ist ein bedeutendes Kapitel der Offenbarungen, das in einer frühen Phase der Kirche empfangen wurde – am 8. März 1831, in Kirtland, Ohio. Es befasst sich mit drei zentralen Themen, die bis heute für die Heiligen der Letzten Tage von großer Relevanz sind: (1) dem Umgang mit Besuchern und Nichtmitgliedern in Versammlungen, (2) der Ordnung und Leitung durch den Heiligen Geist, und (3) den Gaben des Geistes. 

Offene Türen: Inklusion in heiligen Versammlungen 

Zu Beginn der Offenbarung wird den Führern der Kirche ein Irrtum aufgezeigt: Sie hatten begonnen, den Zugang zu ihren heiligen Versammlungen auf Mitglieder zu beschränken. In Vers 3 korrigiert der Herr dieses Missverständnis mit klaren Worten: 

„Doch ist es euch geboten, niemals jemanden aus euren öffentlichen Versammlungen, die vor der Welt gehalten werden, auszustoßen.“ 

Diese Anweisung zeigt die Offenheit und missionarische Ausrichtung der Kirche. Jeder Mensch, egal ob Mitglied oder nicht, soll willkommen sein, die Atmosphäre des Evangeliums zu erleben, Trost zu finden und Wahrheit zu suchen. In einer Zeit, in der Polarisierung, Ausgrenzung und Misstrauen gegenüber dem Fremden zunehmen, ruft diese Offenbarung dazu auf, unsere Kapellen und Herzen weit zu öffnen. Präsident Russell M. Nelson betonte in einem ähnlichen Geist: 

„Der Herr liebt alle seine Kinder, gleich wo sie leben, wie sie leben oder was sie glauben.“ (Alltag heiligen, April 2019) 

Was können wir tun? 

Als Mitglieder der Kirche können wir auf vielfältige und sehr praktische Weise dazu beitragen, dass sich jeder in unseren Versammlungen willkommen fühlt – unabhängig von seinem Glauben, Aussehen, Verhalten, seinem sozialen Hintergrund oder dem Grad seiner Kirchenzugehörigkeit. Die Offenbarung in L&B 46:3 erinnert uns daran, niemanden auszuschließen – und dieser Grundsatz fordert ein bewusstes, liebevolles Handeln. Hier einige konkrete Wege: 

1. Einladend sein – nicht nur tolerierend 

Es reicht nicht, dass Besucher „geduldet“ werden – sie sollen sich willkommen fühlen. Ein Lächeln, ein ehrliches „schön, dass Sie da sind“, das Angebot, sich dazuzusetzen oder Hilfe bei der Orientierung im Programm – all das kann den Ton setzen. 

Präsident M. Russell Ballard sagte: 
„Ein freundliches Gesicht, ein ehrliches Lächeln und eine einladende Haltung können oft mehr wirken als jede Predigt.“ (Allgemeine Konferenz, April 2014) 

2. Aufmerksam auf Neuankömmlinge achten 

Es ist leicht, sich mit Freunden zu unterhalten und dabei neue Gesichter zu übersehen. Wenn wir uns bewusst fragen: „Wen kenne ich noch nicht?“, dann öffnen wir unseren Blick und unser Herz. 

3. Nicht (vor)schnell urteilen 

Manche kommen in ungewohnter Kleidung, mit Kindern, die unruhig sind, oder mit einem gebrochenen Herzen. Es ist nicht unsere Aufgabe, andere zu bewerten. Christus lud die „Müden und Beladenen“ ein – genau die sollten bei uns am besten aufgehoben sein. 

4. Nach der Versammlung nachgehen 

Ein kurzes Gespräch nach dem Gottesdienst, die Einladung zu einem Gemeindeessen, oder ein einfaches „Danke, dass Sie gekommen sind“ können aus einem Erstbesuch eine Rückkehr machen. 

5. Nicht nur auf Missionare verlassen 

Missionare bringen Gäste – aber die Mitglieder geben ihnen das Gefühl, ob sie zur Familie gehören. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass aus Gästen Brüder und Schwestern werden. 

Elder Dieter F. Uchtdorf erklärte: 
„Wenn wir unsere Mitmenschen so sehen, wie der Erretter sie sieht – mit Barmherzigkeit, Hoffnung und Liebe – verändert sich nicht nur ihr Leben, sondern auch unseres.“ (Oktoberkonferenz 2010) 

6. Sprachliche und kulturelle Offenheit zeigen 

In einer vielfältigen Kirche bedeutet Willkommenheißen oft, geduldig zu sein mit Akzenten, anderen Sitten oder einer gewissen Unsicherheit. Liebe überwindet Sprachbarrieren. 

Der Heilige Geist führt die Kirche 

In Vers 2 wird betont, dass alle Dinge in der Kirche „durch den Heiligen Geist“ geschehen sollen. Dies gilt nicht nur für große Entscheidungen, sondern auch für den Ablauf von Versammlungen, das Teilen von Zeugnissen, das Ausüben von Gaben und die Leitung durch Berufene. Die Gläubigen sollen nach dem Geist fragen, ihn suchen, ihn erkennen lernen – und dann nach seinen Eingebungen handeln. Vers 7 warnt: 

„... damit ihr nicht durch böse Geister oder Lehren von Teufeln oder die Gebote von Menschen verführt werdet, denn einige sind von Menschen und andere von Teufeln.“ 

Diese Verse machen deutlich, wie wichtig geistige Unterscheidung ist – eine Fähigkeit, die besonders in einer Zeit der Informationsüberflutung und spirituellen Verwirrung entscheidend ist. Elder David A. Bednar sagte dazu: 

„Das Evangelium zu leben ist mehr als ein Verhaltenskodex – es ist ein Weg, sich beständig nach dem Einfluss des Heiligen Geistes auszurichten.“ (Der Geist des Herrn, Okt. 2011) 

Geistige Gaben: Vielfalt im Dienst Gottes 

Der Großteil von Abschnitt 46 befasst sich mit den Gaben des Geistes – besonderen Fähigkeiten und Erkenntnissen, die den Heiligen zum Nutzen der Kirche gegeben werden. Diese reichen von der Gabe des Glaubens, über Heilungen, Zungenreden, Erkenntnis, Weisheit bis hin zur Gabe, Geister zu unterscheiden (Verse 11–26). Dabei wird betont, dass diese Gaben nicht gleichmäßig verteilt sind, sondern jedem einzelnen wird eine Gabe durch den Geist Gottes gegeben, damit alle davon Nutzen haben (Vers 12). 

Die Betonung liegt also nicht auf Gleichheit, sondern auf Ergänzung – die Verschiedenheit der Gaben soll zum gemeinsamen Aufbau des Leibes Christi führen. Elder Jeffrey R. Holland lehrte in diesem Zusammenhang: 

„Gott erwartet nicht, dass wir alle gleich sind. Aber er erwartet, dass wir das Beste aus dem machen, was wir sind – und das im Dienst für andere.“ (Wie wir miteinander umgehen, Okt. 2017) 

Wichtig ist auch Vers 9, der sagt, dass diese Gaben nicht gegeben werden, uns damit zu rühmen, sondern zum Wohl derer, die Gott lieben und alle seine Gebote halten. Geistige Gaben sind also nicht Trophäen der Frömmigkeit, sondern Werkzeuge der Nächstenliebe. 

Abschließender Gedanke 

L&B 46 erinnert uns daran, dass Gottes Werk in dieser Zeit durch gewöhnliche Menschen mit außerordentlichen geistigen Möglichkeiten geschieht. Es ruft uns auf, einander mit Liebe zu begegnen, den Geist zu suchen und unsere Gaben zu erkennen und zu teilen – nicht zur Selbsterhöhung, sondern zum Dienst am Nächsten. 

Wie Präsident Henry B. Eyring es einmal formulierte: 

„Wenn wir lernen, den Heiligen Geist zu empfangen, werden wir Werkzeuge in den Händen Gottes, um Wunder in unserem Leben und dem Leben anderer zu bewirken.“ (Konferenzansprache, April 2010) 

findechristus.org

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen