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“Betet zum Herrn, ruft seinen heiligen Namen an, tut seine wunderbaren Werke unter den Völkern kund.” (Lehre und Bündnisse 65:4).
Lehre und Bündnisse 65: „Möge das Reich Gottes hervorkommen“
Historischer Hintergrund
L&B 65 wurde dem Propheten Joseph Smith am 30. Oktober 1831 offenbart. Diese Offenbarung unterscheidet sich in Ton und Inhalt von vielen anderen in der Sammlung, da sie nicht als direkte Mitteilung des Herrn in der ersten Person („So spricht der Herr“) formuliert ist, sondern eher als prophetische Erklärung oder als ein „Gebet“ und eine „Ausrufung“ im Hinblick auf das Kommen des Reiches Gottes.
Diese Offenbarung wurde in einem Moment intensiver Erwartung gegeben. Nur zwei Monate zuvor, im August 1831, hatte der Herr durch Joseph Smith das Gebot gegeben, Zion in Missouri aufzubauen. Die Gläubigen verstanden sich als die Vorbereitenden für das Zweite Kommen Christi. Die Wiederherstellung war noch jung, aber voller Energie. Die Offenbarung von Abschnitt 65 spiegelt diese Hoffnung wider und ruft dazu auf, aktiv am Aufbau des Reiches Gottes auf Erden mitzuarbeiten.
Ursprünglich wurde der Text von Joseph Smith als „Gebet“ bezeichnet. Er diktierte ihn seinem Sekretär William W. Phelps. Später, bei der Zusammenstellung der Offenbarungen für die Veröffentlichung im Buch der Gebote (1833) und später in den Lehre und Bündnisse (1835), wurde diese kurze, aber bedeutungsvolle Schrift als Teil der heiligen Sammlung anerkannt.
Vers-für-Vers-Analyse
Vers 1: Die bildliche Sprache des Steines
Dieser Vers erinnert an das Gleichnis Jesu vom Senfkorn (Matthäus 13:31–32) und deutet an, dass das Reich Gottes klein beginnt, aber wachsen und große Bedeutung erlangen wird. Joseph Smith und seine Anhänger verstanden sich als Teil dieses Anfangs: Die Wiederherstellung des Evangeliums, die noch in ihrer Anfangsphase war, sollte sich wie ein Baum ausbreiten und die Welt beeinflussen.
Vers 2: Der Stein, der ohne Hände vom Berg losgehauen wurde
Dies verweist direkt auf die Vision Nebukadnezars in Daniel 2, wo ein Stein, „ohne Hände losgehauen“, das Standbild der Weltreiche zerschmettert und ein ewiges Reich errichtet. Joseph Smith und seine Anhänger identifizierten das Reich Gottes mit der wiederhergestellten Kirche Christi. Die Vorstellung, dass dieses Reich sich gegen alle anderen stellen und letztlich bestehen wird, verleiht dem Vers eine kraftvolle eschatologische (endzeitliche) Bedeutung.
Vers 3: Der Ruf des Evangeliums
Dieser Vers betont die universelle Mission des Evangeliums: Es ist für alle Menschen bestimmt. In Anlehnung an neutestamentliche Sprache (Römer 1:16) erklärt dieser Vers, dass das Evangelium Juden und Nichtjuden gleichermaßen angeboten werden soll. In der frühen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage war die Missionsarbeit ein zentraler Auftrag – und dieser Vers diente als theologische Grundlage dafür.
Vers 4: Eine prophetische Ausrufung
Dieser Teil klingt wie ein Gebet oder eine proklamierende Bitte an Gott. Der Wunsch ist klar: dass das Reich Gottes – also die Kirche Christi – weiterwachse und sich vorbereite, damit das Reich des Himmels kommen kann, nämlich die Wiederkunft Christi und sein tausendjähriges Friedensreich. Auch der Gedanke, dass „Feinde niedergelegt“ werden, zeigt den endzeitlichen Charakter der Botschaft – das Gute wird über das Böse siegen.
Vers 5: Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi
Dieser abschließende Lobpreis erinnert an das Vaterunser (Matthäus 6:13) und bringt eine tiefe Ehrfurcht zum Ausdruck. Es ist ein Ausdruck des Vertrauens darauf, dass Gott letztlich triumphieren wird. Die Wiederherstellung war nicht nur eine organisatorische oder kirchliche Bewegung, sondern tief geistlich und auf die Herrlichkeit Gottes ausgerichtet.
Vers 6 ist ein feierlicher Abschluss einer machtvollen Offenbarung. Er sichert zu, dass die Verheißungen aus den vorigen Versen – das Kommen Christi, die Ausbreitung seines Reiches, die Kraft des Evangeliums – verlässlich und unabwendbar sind. Für heutige Gläubige ist das ein Aufruf zum Vertrauen, zur aktiven Mitarbeit und zur Freude an der Mitwirkung am Reich Gottes.
Bedeutung und Anwendung heute
1. Das Reich Gottes beginnt klein, wächst aber mächtig
Das Gleichnis vom Samen oder Stein zeigt uns, dass große geistige Werke oft unauffällig beginnen. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage begann 1830 mit nur sechs Mitgliedern. Heute zählt sie weltweit über 17 Millionen Mitglieder und wächst kontinuierlich weiter (siehe hier). Das Reich Gottes breitet sich aus – nicht durch Gewalt oder Zwang, sondern durch die stille, machtvolle Kraft des Evangeliums.
Auch im persönlichen Leben ist diese Botschaft wichtig: Kleine geistige Handlungen – tägliches Gebet, Schriftstudium, Freundlichkeit, Familie stärken – können über Zeit große Wirkung entfalten.
2. Ein Aufruf zur Missionsarbeit
Der Ruf, dass das Evangelium zu „Juden wie zu Nichtjuden“ gehen soll, bleibt aktuell. Jeder Gläubige ist eingeladen, das Evangelium zu teilen – sei es durch offizielle Missionsarbeit, durch Beispiel, oder durch Gespräche im Alltag. Mission ist nicht nur Pflicht, sondern Ausdruck der Hoffnung, dass Gottes Reich mehr Menschen erreicht.
3. Vorbereitung auf das Zweite Kommen
Abschnitt 65 erinnert uns daran, dass das Zweite Kommen Jesu Christi real ist – nicht nur symbolisch, sondern ein zukünftiges, mächtiges Ereignis. Die Kirche versteht sich als Werkzeug Gottes, die Welt darauf vorzubereiten. Diese Erwartung soll nicht Angst, sondern Hoffnung wecken: Jesus kommt als Friedensfürst, als König, um alles Leid zu beenden.
Individuell kann sich jede und jeder fragen: Bin ich bereit, dem Bräutigam zu begegnen? Lebe ich in einer Weise, die sein Kommen willkommen heißt?
4. Ein Leben im Lobpreis
Der letzte Vers erinnert uns daran, dass alle Anstrengungen letztlich Gottes Ehre dienen sollen. In einer Welt voller Eigeninteressen und Selbstverwirklichung ruft dieser Text dazu auf, sich auf das Reich Gottes auszurichten. Das bedeutet, Gottes Willen über den eigenen zu stellen, seine Pläne zu suchen und seine Herrlichkeit über alles zu ehren.
Fazit
L&B 65 ist kurz, aber voller Hoffnung, Kraft und Vision. Es verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft:
- Es sieht das Evangelium als fortlaufendes Werk Gottes auf Erden,
- ruft dazu auf, aktiv daran mitzuarbeiten,
- und richtet den Blick auf das große Ziel: das Kommen des Herrn.
Für heutige Leser ist diese Offenbarung ein ermutigender Ruf: Das Reich Gottes wächst – sei Teil davon.
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