“Und sie sollen darauf bedacht sein, die Bündnisse und Satzungen der Kirche zu befolgen, und diese sollen ihre Lehren sein, wie sie vom Geist geleitet werden.” (Lehre und Bündnisse 42:13).
Diese Verse bilden den Beginn des zweiten Teils des sogenannten „Gesetzes der Kirche“ und beantworten die Frage, wie die Kirche bis zur endgültigen Sammlung ihrer Mitglieder geregelt werden soll. Dieser Abschnitt kann als „Gesetz des Lehrens und der Vollmacht“ bezeichnet werden. Der Herr macht deutlich, dass nur diejenigen in der Kirche lehren und predigen sollen, die von jemandem mit göttlicher Vollmacht ordiniert wurden (Vers 11). Diese Ordination, vergleichbar mit der heutigen „Einsetzung“, nachdem jemand zu einem Amt berufen und von der Gemeinde durch Handheben bestätigt wurde, sowohl für Männer als auch für Frauen, die zum Lehren berufen wurden (L&B 25:7).
Die Lehrenden in der Kirche sollten ihre Unterweisung vor allem aus den heiligen Schriften schöpfen – zur damaligen Zeit die Bibel und das Buch Mormon. Zusätzlich sollten sie sich auch auf die „Artikel und Bündnisse“ stützen, also die Offenbarungen, die der Herr den Propheten der Letzten Tage gab und die später in den Kanon der Lehre und Bündnisse sowie der Köstlichen Perle aufgenommen wurden.
Diese Anweisungen sind nicht nur für die frühe Kirche zentral gewesen, sondern haben auch heute unveränderte Gültigkeit. Sie erinnern daran, wie wichtig es ist, dass wahre Lehre aus autorisierter Quelle und auf der Grundlage der Schrift erfolgt. Elder D. Todd Christofferson warnte in diesem Zusammenhang vor zunehmender schriftlicher Unwissenheit, obwohl die Schriften heutzutage leicht zugänglich sind. Er betonte, dass die heiligen Schriften uns in moralischen Prinzipien und Tugenden unterweisen, die für eine gesunde Gesellschaft unentbehrlich sind – wie Aufrichtigkeit, Verantwortung, Selbstlosigkeit, Treue und Nächstenliebe. Wenn jedoch diese Wahrheiten vernachlässigt werden, zerfällt das moralische Fundament der Gesellschaft, und mit der Zeit bleiben keine tragfähigen Institutionen mehr übrig.
Diese Verse enthalten eine erneute Offenbarung grundlegender Gebote, die eng mit den Zehn Geboten aus Exodus 20 verwandt sind. Diese Verse stellen eine Art Erneuerung des Gesetzes dar – diesmal im Kontext der Wiederherstellung der Kirche in den Letzten Tagen. Zwar gehörten die Zehn Gebote ursprünglich zum „vorbereitenden Gesetz“ des Mose, das durch Jesus Christus erfüllt wurde (Matthäus 5:21-22 und 27-28; 3 Nephi 15), doch die zugrunde liegenden Prinzipien sind ewig. Durch Joseph Smith wurden sie mit größerer Klarheit und Anwendung erneut offenbart.
Ein zentrales Thema dieser Verse ist das Verbot des Mordes: Wer unschuldiges Blut vergießt, „soll weder in dieser Welt noch in der zukünftigen Vergebung erlangen“ (L&B 42:18). Dabei wird – wie auch in anderen Schriften – deutlich, dass sich dieses Verbot nicht auf Notwehr, staatliche Vollstreckungen oder militärische Handlungen bezieht, sondern auf vorsätzlichen Mord an Unschuldigen (Alma 39:5). Eine solche Tat gilt in den Schriften als eine der schwerwiegendsten Sünden, die zwar nicht völlig unvergebbar ist, jedoch erst nach vollkommener Genugtuung der Gerechtigkeit durch die Sühne Jesu Christi gelindert werden kann. Joseph Smith lehrte, dass selbst König David wegen des Mordes an Uria zwar schließlich Erlösung empfangen könne, aber erst nach einer Zeit des Leidens in der Hölle.
Neben dem Mordverbot bekräftigen diese Verse auch andere Grundsätze wie das Verbot des Ehebruchs und des Stehlens, aber sie gehen über ein einfaches Wiederholen der Gebote hinaus: Sie geben erweiterte Einblicke, wie das göttliche Gesetz im Leben der Heiligen angewendet werden soll. So zeigt sich, dass die Gebote nicht nur rechtliche Richtlinien sind, sondern Ausdruck eines höheren, ewigen moralischen Gesetzes, das zur Heiligung der Gläubigen dient.
In ihrer erneuerten Form dienen diese Gebote heute wie damals als ein moralisches Fundament für Einzelne, Familien und Gesellschaften – ein Schutzschild gegen den moralischen Zerfall und ein Leitfaden für ein gottgefälliges Leben.
Diese Verse enthalten die ersten offiziellen Anweisungen zum Gesetz der Weihung (law of consecration) in dieser Evangeliumszeit. Diese Lehre war eine direkte Antwort auf die Situation der frühen Heiligen in Kirtland, die bereits vor Joseph Smiths Ankunft auf eigene Initiative begonnen hatten, gemeinschaftlich zu leben, um dem neutestamentlichen Ideal zu entsprechen. Beispielsweise gründete Isaac Morley mit anderen ein Projekt namens „The Family“, in dem 50–60 Mitglieder gemeinsam auf seiner Farm lebten und arbeiteten.
Trotz aufrichtiger Absichten führte der Mangel an klarer göttlicher Weisung rasch zu Unordnung – Eigentum wurde ohne Erlaubnis geteilt, was zu Verwirrung und Missverständnissen führte. Als Joseph Smith im Februar 1831 in Kirtland eintraf, baten ihn viele um Offenbarung zur korrekten Umsetzung dieser Prinzipien. In Beantwortung dieser Bitte offenbarte der Herr in diesen Versen die Grundprinzipien des Gesetzes der Weihung.
Das Wort Weihung (consecration) bedeutete zur Zeit der frühen Wiederherstellung laut Webster’s Dictionary von 1828: „die Handlung, etwas von gewöhnlichem zu heiligem Gebrauch zu trennen.“ Es macht die Sache nicht an sich heilig, sondern erklärt sie als etwas, das Gott und Seinem Werk geweiht ist. Genau in diesem Sinn beschreibt der Herr in LuB 42 die Verpflichtung, zeitliche Güter dem Aufbau des Reiches Gottes zu widmen – besonders, um die Armen und Bedürftigen zu unterstützen.
Die Grundidee ist zeitlos: Auch wenn sich die äußeren Formen im Laufe der Kirchengeschichte (z. B. Kirtland, Nauvoo oder heute) unterscheiden, gilt für Heilige aller Zeiten die Verpflichtung, das, was sie haben – Zeit, Fähigkeiten, Mittel – dem Herrn zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz der Weihung ist damit ein heiliger Lebensstil, der sich durch selbstlosen Dienst, Mitgefühl und Einsatz für das Wohl anderer auszeichnet – ein Ideal, das auch heute von jedem Bündnismitglied angestrebt wird.
Ein modernes Beispiel für das Leben des Gesetzes der Weihung ist der Einsatz eines jungen berufstätigen Ehepaars in einer Gemeinde.
Beide arbeiten Vollzeit – er als Softwareentwickler, sie als Lehrerin. Neben ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen übernehmen sie in ihrer Gemeinde ehrenamtliche Aufgaben: Er dient als Ratgeber in der Ältestenkollegiumspräsidentschaft, sie leitet den Musikunterricht in der Primarvereinigung. Zusätzlich besuchen sie monatlich zwei Familien im Rahmen ihres Ministering-Auftrags, um für geistige und praktische Unterstützung zu sorgen.
Einmal pro Monat verzichten sie auf zwei Mahlzeiten und spenden großzügig an das Fastopfer, um Bedürftigen zu helfen. Außerdem helfen sie regelmäßig bei einer lokalen Essensausgabe für Obdachlose mit, die von der Kirche organisiert wird. Als ein junger alleinerziehender Vater in der Gemeinde arbeitslos wurde, boten sie ihm Hilfe bei Bewerbungen an, gaben Kontakte weiter und luden ihn zum Familienabend ein, damit er und seine Kinder sich unterstützt fühlen.
Trotz ihres vollen Terminkalenders und begrenzter Ressourcen wählen sie bewusst, ihre Zeit, Talente und Mittel dem Aufbau von Gottes Reich zu widmen. Ihre Lebensweise ist geprägt von der Frage: „Was möchte der Herr mit dem, was ich habe, bewirken?“ – genau das ist gelebte Weihung im Alltag.