Donnerstag, 31. Juli 2025

Nicht nur reden, sondern gemäß dem, was ich geschrieben habe, handeln

 

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“Und sie werden unter diesem Schuldspruch verbleiben, bis sie umkehren und sich an den neuen Bund erinnern, nämlich das Buch Mormon und die bisherigen Gebote, die ich ihnen gegeben habe, und nicht nur reden, sondern gemäß dem, was ich geschrieben habe, handeln” (Lehre und Bündnisse 84:57). 

Lehre und Bündnisse 84:54-91 – Historischer Kontext, geistliche Lehren und biblische Parallelen 

1. Verse 54‑57 – „Verdunkelte Gemüter“ und die neue Bundesurkunde 

Ende September 1832 hatten viele Missionare ihre ersten Einsätze hinter sich; die Euphorie der jungen Kirche war spürbar. Doch der Herr durchschneidet jede Selbstzufriedenheit: „Eure Gemüter sind in der Vergangenheit verfinstert worden … weil ihr den neuen Bund leicht geachtet habt.“ Gemeint ist ausdrücklich das Buch Mormon. Schon Moroni bezeichnete diese Schrift als Siegel der Letzten Tage (Ether 5:1‑4); hier wird sie zur Bundesurkunde zwischen Gott und Zion. Das biblische Echo klingt in Hosea 4:6: „Mein Volk geht zugrunde an Mangel an Erkenntnis.“ 

Historisch reagierte William W. Phelps sofort: In der Evening and Morning Star (Jan. 1833) widmete er dem Buch Mormon mehrere Leitartikel und fragte selbstkritisch, ob die Heiligen „mysteriöse Prophezeiungen jagen“ statt das gegebene Licht zu nutzen. Spätere Propheten haben die Verdammnis‑Diagnose nie aufgehoben. Präsident Ezra Taft Benson mahnte 1986, die Kirche bleibe unter Verdammnis, solange das Buch Mormon nicht Herzstück von Studium, Familie und Mission sei. Damit ist Vers 57 – „nicht nur sagen, sondern tun“ – eine dauerhafte Handlungsanweisung. 

2.  Verse  58‑61 – Früchte bringen statt Theorie hüten 

Der Herr will, dass die neuen Bundes‑Leser „Frucht bringen, die für das Reich des Vaters taugt“ (V. 58). Das erinnert an den Gleichnisbaum in Lukas 13:6‑9: Wer lange unfruchtbar bleibt, riskiert, umgehauen zu werden. Die Apostel McConkie und Holland haben daraus die Forderung abgeleitet, Buch‑Mormon‑Kenntnis in gelebte Barmherzigkeit umzusetzen – persönliches Beten, Handeln, Zeugnisgeben. 

3.  Verse  62‑65 – „Geht in die ganze Welt“: das universale Apostelmandat 

Ohne Quorum der Zwölf (das erst 1835 berufen wurde) nennt der Herr die zurückgekehrten Ältesten dennoch „meine Apostel“ (V. 63) – im ursprünglichen Sinne „Gesandte“ (griech. apostolos). Auf sie wird das Mark 16‑Versprechen übertragen: „Diese Zeichen werden denen folgen, die glauben“ (vgl. Mk 16:17‑18). Wörtlich übernimmt die Offenbarung das Schutz‑Motiv: Schlangenbiss und Gift sollen den Dienern nichts anhaben (V. 72). Für Joseph Smith war das eine persönliche Zusage: Wenige Monate zuvor hatte er in Greenville, Indiana, Gift erbrochen und wurde erst durch eine Segnung gerettet. 

Schon 1832 bestätigte die Praxis das Versprechen. William E. McLellin notierte, wie Brandwunden eines Kleinkinds mithilfe einer Priestertums‑Segnung gar nicht erst Blasen schlugen. Gleichwohl folgt die mahnende Einschränkung: „Ihr sollt dieser Zeichen nicht prahlen“ (V. 73). Das steht in Linie mit Jesu Warnung, Almosen „nicht vor den Leuten auszuposaunen“ (Mt 6:2). 

4.  Verse  66‑76 – Missions­prinzipien: senden, statt selbst stets zu gehen 

„Wohin ihr nicht gehen könnt, dorthin sendet“ (V. 62). Ein Jahr später wurde daraus das Allgemeine Missions­spendenkonto entwickelt – eine frühe Form des heutigen welt­weiten Unterstützungs­fonds. Außerdem verspricht der Herr, dass Heilungen und Dämonen­austreibungen als Bestätigungs­zeichen dienen (V. 67‑70). Allerdings: „Wer nicht glaubt … wird verdammt“ (V. 74) – ein Echo auf Johannes 3:18. Die Offenbarung betont damit den entscheidungs­haften Charakter des Evangeliums: Barm­herzigkeit und Gericht liegen eng beieinander. 

5. Verse  77‑82 – „Ich nenne euch Freunde“ und das Leben ohne Sorge 

Vers 77 verschiebt die Beziehungsebene: Wer gesandt wird, ist nicht nur Diener, sondern Freund des Herrn – ein Motiv aus Johannes 15:15. Daraus folgt der Anspruch auf göttliche Versorgung: „Nehmt keinen Beutel mit … der Arbeiter ist seines Lohnes wert“ (V. 79; vgl. Lk 10:4‑7). Die frühen Missionare gingen „ohne Börse oder Tasche“; seit Mitte des 20. Jh. bringen Familien die Mittel selbst auf, doch bleibt die Kernidee: Vertrauen vor finanzieller Absicherung

Der Herr ergänzt: Wer so dient, soll „nicht müde werden an Leib, Glied oder Gelenk“ (V. 80). Präsident Neal A. Maxwell deutete diesen Satz als geistige Erfrischung trotz Jetlag – wahrnehmbar für heutige reisende Autoritäten. 

6.  Verse  83‑85 – Spontane Inspiration statt fertigem Drehbuch 

Wie schon in Matthäus 10:19 verheißt der Herr, die Botschaft werde „in jener Stunde“ eingegeben (V. 85). Elder Dilworth Young nannte dies das „größte Geschenk“ eines Missionars: vorbereitet sein, aber nicht vor­formuliert, offen für das Flüstern des Geistes. 

7.  Verse  86‑91 – Engel­schutz und himmlische Logistik 

Die Schlussverse weben eine Schutz­garantie: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen … Engel werden euch tragen“ (V. 88). Wilford Woodruff bezeugte 1840 in London eine nächtliche Befreiung durch drei himmlische Wesen in Tempel­kleidung – klassisches Beispiel für Vers 88. Gleichermaßen verspricht der Herr, wohltätige Gastgeber würden „Lohn“ empfangen (V. 90) – eine Neu­formulierung von Matthäus 10:41‑42 („… wer einen Propheten aufnimmt, empfängt Lohn eines Propheten“). 

Die logistische Zusicherung „derselbe wird euch speisen, kleiden, Geld geben“ (V. 89) deckt sich mit heutigen Erfahrungen: Ob Spenden­kasse, mit­fühlende Mitglieder oder unverhoffte Weg­gefährten – Mission ist in erster Linie Glaubens­ökonomie

8.  Gegenwarts­relevanz 

  • Schriftzentrierung – Die anhaltende Verdammnis mahnt jede Generation, das Buch Mormon nicht nur zu besitzen, sondern zu verkörpern. Familien­abende, TikTok‑Clips oder Instituts­klassen sind erst sinnvoll, wenn sie Herz und Hand bewegen (Jak 1:22). 
  • Demut bei geistigen Gaben – Wunder sollen erbauen, nicht beeindrucken. In einer Selfie‑Kultur gilt Vers 73 als Gegen­programm: keine Wundermarketing‑Shows. 
  • Vertrauen statt Angst – Die Zusage von Engel­schutz (Vers 88) ist kein Freibrief für Leichtsinn, aber ein Gegengewicht zu heutigen Sicherheits‑ und Versorgungs­sorgen. 

Schlussbild 

Vers 90 stellt die Missions­gleichung auf: Wer die Diener unterstützt, berührt den Himmel. Die ganze Passage 54‑91 spannt so einen Bogen: Von der persönlichen Umkehr zum Bundes­buch über die macht­volle Sendung, die Welt zu heilen, bis zur Zusage, dass himmlische Hände untergreifen, wo irdische Hände zu kurz reichen. Der Herr verbindet Schrift‑Treue, Missions­eifer und gelebtes Vertrauen zu einer einheitlichen Agenda: „Bewahrt Licht, tragt Licht, und ich werde euer Licht sein.“ In einer Zeit digitaler Reiz‑Überflutung und globaler Verunsicherung ist das nicht weniger als ein Rettungs‑Fahrplan für Heilige der Letzten Tage – heute. 

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Mittwoch, 30. Juli 2025

Der Geist erleuchtet jeden Menschen auf der Welt

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“Und der Geist gibt jedem Menschen, der in die Welt kommt, Licht; und der Geist erleuchtet jeden Menschen auf der Welt, der auf die Stimme des Geistes hört.” (Lehre und Bündnisse 84:46). 

Lehre und Bündnisse 84:26–53 – Historischer Kontext, geistliche Lehren und biblische Parallelen 

In L&B 84:26–28 wird das sogenannte „vorbereitende Evangelium“ beschrieben, das mit dem Aaronischen Priestertum verbunden ist. Es umfasst Umkehr, Taufe zur Vergebung der Sünden und das Halten von „fleischlichen Geboten“ (V. 27). Diese Phase göttlicher Anleitung diente als Vorbereitung für die höhere Fülle des Evangeliums, wie sie durch Jesus Christus offenbart wurde. Die biblische Entsprechung findet sich in Galater 3:24, wo Paulus erklärt: „So ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christus hin.“ Auch Hebräer 9 reflektiert, dass das levitische Priestertum symbolisch auf das bessere, das vollkommene Opfer Christi hinweist. 

Vers 27 hebt Johannes den Täufer als Schlüsselfigur hervor, der vom Mutterleib an mit dem Heiligen Geist erfüllt war (Lukas 1:15). Vers 28 erklärt weiter, dass Johannes schon im Kleinkindalter von einem Engel „ordiniert“ wurde, was nicht im modernen Sinne einer Priestertumsordination zu verstehen ist, sondern eher einem segnenden Setzen in eine besondere Berufung gleicht (D&C 25:7). Johannes bereitete durch seine Predigt zur Umkehr und Taufe (Matthäus 3:1–12) das Volk auf das Kommen Jesu Christi vor. Obwohl er nicht die Macht zur Spendung des Heiligen Geistes hatte, war er laut Jesu Worten der größte Prophet unter den von Frauen Geborenen (Lukas 7:28). Joseph Smith nannte drei Gründe für diese Auszeichnung: Er war der Wegbereiter des Herrn, taufte Jesus selbst, und war der einzige rechtmäßige Priestertumsträger zu jener Zeit (vgl. D&C 13; History of the Church 5:260). 

In den Versen 29–32 spricht die Offenbarung von den Ämtern, die den Priestertumsebenen zugeordnet sind. Ältester und Bischof gehören als „notwendige Anhängsel“ zum höheren Melchisedekischen Priestertum, Lehrer und Diakon hingegen zum Aaronischen Priestertum. Der Ausdruck „notwendige Anhängsel“ (engl. appendages) deutet auf organisatorische Strukturen hin, die der Ausübung dieser Macht dienen. Besonders bemerkenswert ist der Verweis auf das Opfer der „Söhne Moses und Aarons“ (V. 31), das im Tempel auf einem geweihten Platz – gemeint ist Jackson County, Missouri – dargebracht werden soll. Hier begegnet uns die alttestamentliche Opfersymbolik neu kontextualisiert: Die Opferhandlungen selbst weisen typologisch auf Christus hin (vgl. Hebräer 10:1–10). Joseph Smith lehrte, dass auch in der letzten Dispensation Opferhandlungen wieder eingeführt würden – nicht zur Sündenvergebung, sondern als Ausdruck der ewigen Ordnung des Priestertums (History of the Church 4:211–212). 

Vers 33–34 führen in den sogenannten Eid und Bund des Priestertums ein. Wer beide Priestertümer „erlangt“ und seine Berufung treu erfüllt, wird „durch den Geist geheiligt zur Erneuerung des Leibes“ – eine Anspielung auf die geistige Wiedergeburt und Auferstehung (vgl. Römer 12:1–2; 2. Korinther 4:16). Solche Personen werden „Söhne Moses und Aarons“, das heißt rechtmäßige Erben der Verheißungen Gottes, unabhängig von biologischer Abstammung. Sie werden zur „Kirche und dem Reich und den Auserwählten Gottes“ gezählt (vgl. 1 Petrus 2:9; Abraham 2:10). Der Bund ist nicht nur ein passiver Status, sondern eine Verpflichtung zur aktiven Priestertumsausübung im Sinne von Dienen, Heiligen und Aufbauen. 

Vers 35–37 entfalten die vertikale Beziehung dieses Bundes: Wer das Priestertum empfängt, empfängt Christus; wer Christus empfängt, empfängt den Vater. Diese Triade erinnert an Jesu Worte in Johannes 13:20: „Wer einen aufnimmt, den ich sende, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat.“ Es wird damit deutlich, dass das Empfangen und Annehmen göttlich eingesetzter Vollmachtsträger nicht bloß menschliche Loyalität betrifft, sondern letztlich den Zugang zur Gottheit selbst repräsentiert. 

Verse 38–41 offenbaren den eigentlichen Kern des Eides und Bundes: Wer diesen Bund erfüllt, dem wird „alles, was der Vater hat“ gegeben (V. 38). Das ist die höchste Verheißung des Evangeliums – Miterbe Christi zu werden (Römer 8:17), die Fülle göttlicher Herrlichkeit zu empfangen (vgl. D&C 76:58–60). Doch zugleich folgt eine ernste Warnung: Wer diesen Bund bricht und sich gänzlich davon abwendet, „dem wird keine Vergebung zuteil weder in dieser Welt noch in der zukünftigen“ (V. 41). Diese Formulierung erinnert an die Sünde wider den Heiligen Geist (vgl. Matthäus 12:31–32), also die bewusste und vollständige Abkehr nach völligem Erkenntnisstand. 

Die Verse 42–48 erweitern die göttliche Perspektive: Der Herr selbst bestätigt das Priestertum, das hier an die Anwesenden durch „seine eigene Stimme vom Himmel“ gegeben wird. Diese direkte göttliche Bekräftigung ist Ausdruck der Heiligkeit des Bundes. Gleichzeitig wird betont, dass das Priestertum nicht nur den Priestertumsträgern selbst, sondern „der ganzen Welt“ gilt (V. 48). Die Aussage, dass „die ganze Welt in Sünde liegt“ (V. 49) erinnert an Römer 3:23: „Denn alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.“ Es ist ein universeller Aufruf zur Umkehr und zum Empfang des Lichts Christi. 

In den Versen 45–47 wird das Prinzip des göttlichen Lichts entwickelt. Das Wort Gottes ist Wahrheit, Licht und Geist – drei Aspekte einer göttlichen Wirklichkeit, die durch Jesus Christus personifiziert ist (vgl. Johannes 1:1–9; D&C 88:6–13). Jeder Mensch empfängt diese Lichtkraft bei der Geburt (Licht Christi), doch nur wer ihr folgt, wird zum Vater geführt (V. 47). Es entsteht so ein heiliger Kreislauf von Offenbarung, Umkehr, Bundestreue und ewiger Erhöhung – getragen durch das Licht des Evangeliums. 

Vers 49–53 schildern drastisch den Zustand der Welt ohne dieses Licht: Sie „liegt in Finsternis“, ist „gebunden durch Sünde“ und kennt die Stimme Gottes nicht. Das erinnert an Johannes 3:19–20: „Das Licht ist in die Welt gekommen, aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht.“ Hier wird deutlich, dass das Leugnen oder Ablehnen göttlicher Wahrheit nicht bloß Unkenntnis bedeutet, sondern einen aktiven Zustand der Entfremdung von Gott darstellt. Der Unterschied zwischen Gerechten und Gottlosen (V. 53) besteht also nicht in äußerlicher Zugehörigkeit, sondern im inneren Verhältnis zur göttlichen Stimme – zum lebendigen Christus. 

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Dienstag, 29. Juli 2025

In seine Ruhe eintreten

 

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“Dies nun lehrte Mose die Kinder Israel in der Wildnis in klarer Weise und trachtete eifrig danach, sein Volk zu heiligen, damit es das Angesicht Gottes sehen könnte; 24 aber es verhärtete sein Herz und konnte seine Gegenwart nicht ertragen; darum schwor der Herr in seinem Grimm, denn sein Zorn war gegen es entflammt, es sollte, solange es in der Wildnis sei, nicht in seine Ruhe eintreten, und diese Ruhe ist die Fülle seiner Herrlichkeit.” (Lehre und Bündnisse 84:23–24). 

Lehre & Bündnisse 84 : 1–5 – Zion und ihr Tempel 

Der Abschnitt eröffnet mit der Verheißung, „dass die Stadt des Neuen Jerusalem … gebaut werden soll … auf diesem Land“ (LuB 84:2–3). Schon Moroni hatte über „ein Neues Jerusalem“ geweissagt, „das auf diesem Land aufgebaut werden sollte“ (Ether 13:6). Die Vision Enochs, dessen Volk „ein Herz und eine Seele“ war (Mose 7:18), vertieft das Bild. Biblisch klingt hier die Johannesoffenbarung an: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen“ (Offb 21,2). Vers 4 gebietet, „dieses Haus“ noch in jener Generation zu errichten; dass die Heiligen scheiterten, liegt, wie der Herr später erklärt, an „Zank, Neid und Streit“ (LuB 101:6–8). Gleichwohl erfüllte sich Vers 5, denn „ein Haus“ wurde tatsächlich in Kirtland geweiht (LuB 109). 

Verse 6–9 – Die priesterliche Stammreihe 

„Und dieses Priestertum ging von Moses auf Aaron über“ (LuB 84:6). Die Linie wird weiter zurückverfolgt bis Adam, doch bemerkenswert ist, dass Moses sein Priestertum „durch Jethro, den Midianiter“ empfing (V. 6), was auf Exodus 18 Bezug nimmt. Durch Jethro, einen Nachkommen Midians (Gen 25,2), macht der Herr deutlich, dass seine Vollmacht nicht an ethnische Grenzen gebunden ist. Paulus bekräftigt im Neuen Testament dieselbe Universalität, wenn er schreibt: „Es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche“ (Röm 10,12). 

Verse 10–13 – Uralte Zeugen der Hohepriesterschaft 

Vers 11 nennt Esaias, „der unter der Hand Gottes ordiniert wurde“. Damit erscheint eine prophetische Gestalt außerhalb des kanonischen Alten Testaments; doch seine Platzierung nahe Abraham erinnert an den „König Melchisedek“ (Hebr 7,1). Die Aussage, Esaias sei „von Abraham ordiniert“ (LuB 84:13), unterstreicht, dass das Melchisedekische Priestertum schon lange vor Empfang der Gesetze durch Mose am Sinai wirkte. Abraham selbst empfing es „von Melchisedek“ (V. 14), was Genesis 14:18–20 bezeugt und im Alma-Text erläutert wird: „Viele waren vor ihm, doch keiner größer“ (Alma 13:19). 

Verse 14–17 – Melchisedek, Noah und Abel 

„Melchisedek … empfing es … bis zu Noah hinab“ (LuB 84:14–15). Damit wird Melchisedek nicht als Sohn, sondern als Nachfahre Noahs eingeordnet, womit die verbreitete Gleichsetzung von Melchisedek und Schem in Frage steht. Bemerkenswert ist der Hinweis auf Abel: „Abel empfing das Priestertum durch die Hand seines Vaters Adam“ (V. 16). So wird die Tragweite von Abels Ermordung klar: Kain vergoss nicht nur brüderliches Blut, sondern das Blut eines rechtmäßigen Priester-Erben (vgl. Hebr 11,4). 

Verse 18–19 – Zweck der höheren Vollmacht 

Das größere Priestertum „hält die Schlüssel aller Mysterien des Reiches, ja, den Schlüssel der Erkenntnis Gottes“ (LuB 84:19). Schon Petrus erhielt solche Schlüssel, um „aufzutun die Türen des Himmelreichs“ (Mt 16,19). Die Verknüpfung von Schlüssel, Mysterium und Erkenntnis erinnert an „das Geheimnis Christi“ (Eph 3,4–6), das Heiden wie Juden zur Teilhabe einlädt. 

Verse 20–22 – Ohne Vollmacht kein „Gesicht Gottes“ 

„Darum ist die Macht der Göttlichkeit in seinen Verordnungen offenbar“ (V. 20). Dass „ohne dies kein Mensch das Angesicht Gottes sehen … und leben kann“ (V. 22) verweist auf die Sinai-Theophanie, in der nur ausgewählte Älteste Gott schauten und lebten (Ex 24,9–11). Die Aussage zielt nicht auf das formale Amt, sondern auf die durch ordinanzielle Bündnisse vermittelte „Macht der Göttlichkeit“. Johannes bringt denselben Gedanken christologisch auf den Punkt: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6). 

Verse 23–24 – Mose und das verlorene Privileg 

„Nun war also Moses in der Wüste … und suchte eifrig, sein Volk zu heiligen, … damit auch sie das Angesicht Gottes schauen könnten“ (LuB 84:23). Doch Israel „verhärtete sein Herz“, sodass der Herr „seinen heiligen Priestertumssatz aus ihrer Mitte wegnahm“ (V. 24). Die Joseph-Smith-Übersetzung von Exodus 34:1–2 bestätigt, dass anstelle der Fülle nur „ein Gesetz nach dem Gebot des Fleisches“ gegeben wurde. Paulus fasst diesen heilsgeschichtlichen Wechsel so: „Das Gesetz ist unser Zuchtmeister gewesen … bis Christus käme“ (Gal 3,24). 

Vers 25 – „Im Zorn schwor ich“ 

Der Herr bezeugt abschließend: „Darum schwor ich in meinem Zorn: Sie sollen nicht in meine Ruhe eingehen“ (LuB 84:25). Das Zitat greift Psalm 95,11 auf, das auch der Hebräerbrief zitiert (Hebr 3,11), um zu zeigen, dass Unglaube den Zugang zu Gottes Ruhe verwehrt. „Ruhe“ (hebräisch menūḥā) bedeutet hier mehr als Landesbesitz; sie meint die Gegenwart Gottes selbst (Hebr 4,9–11). Indem Joseph Smith dieselbe Warnung auf seine Generation anwendet, macht er klar: Die Fülle des Priestertums bleibt auch den Letzten Tagen verwehrt, solange Herz-Verhärtung und Unglaube bestehen. 

Zusammenfassung 

Die ersten 25 Verse von LuB 84 entfalten in dichter Folge die Vision einer endzeitlichen Zion-Stadt, die reinen Herzen verheißen ist, und verankern diese Vision in der fortlaufenden Geschichte des Priestertums von Adam bis Mose. Die Bibel dient dabei als Spiegel und Resonanzraum: Ether 13 und Offenbarung 21 illustrieren die Stadt Gottes; Genesis 14, Exodus 18 und Hebräer 7 zeigen, wie Melchisedek-Vollmacht schon in der Urzeit wirkte; Galater 3 und Psalm 95 erklären, warum Israel unter das „gesetzliche“ Joch geriet. Alles mündet in die Zusage, dass göttliche Schlüssel und Verordnungen den Zugang zur „Ruhe“ eröffnen – vorausgesetzt, das Volk empfängt sie willig. Joseph Smiths Offenbarung aktualisiert somit das biblische Drama von Verheißung, Treuebruch und erneuter Einladung und macht es zum Leitfaden für die Heiligen der Wiederherstellung. 

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Montag, 28. Juli 2025

Eine Offenbarung von Jesus Christus

 

Joseph and Emma moved into the Newel K. Whitney store from Hiram, Ohio in September 1832
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“Eine Offenbarung von Jesus Christus an seinen Diener Joseph Smith Jr. und sechs Älteste, als sie ihr Herz vereinigten und ihre Stimme zum Himmel erhoben.” (Lehre und Bündnisse 84:1). 

„Eine Offenbarung … über das Priestertum“ – der historische Rahmen von Lehre und Bündnisse 84 

Als Joseph Smith am 22. September 1832 in einem kleinen Zimmer über dem Laden von Bischof Newel K. Whitney in Kirtland, Ohio, zu diktieren begann, lagen bewegte Monate hinter ihm. Nur ein halbes Jahr zuvor, in der eisigen Nacht vom 24. März 1832, war er zusammen mit Sidney Rigdon auf der John-Johnson-Farm in Hiram von einem Mob brutal misshandelt worden. Joseph erholte sich relativ rasch, doch Sidney, dessen Kopf über gefrorenen Boden geschleift wurde, litt dauerhaft unter körperlichen und seelischen Nachwirkungen. Diese Verletzungen, verbunden mit depressiven Neigungen, sollten in den kommenden Monaten immer wieder aufflammen und die Führungsarbeit der jungen Kirche belasten. 

Trotz dieser Erschütterungen reiste Joseph bereits wenige Wochen später nach Missouri. In Independence versuchte er, die dortigen Führer mit den Kirtlander Brüdern zu versöhnen, das neu gegründete wirtschaftliche „Vereinigte Unternehmen“ zu ordnen und den bereits 1831 bestimmten Tempelplatz (LuB 57) weiterzuentwickeln. Auf dem Rückweg ereignete sich Anfang Juni ein weiterer Rückschlag: Die Pferde der Postkutsche scheuten, Newel K. Whitney sprang ab, verfing sich im Rad und brach sich Bein und Fuß mehrfach. Joseph blieb vier Wochen in Greenville, Indiana, um den verletzten Bischof zu pflegen. In dieser Abgeschiedenheit notierte er in einem Brief an Emma sein Ringen mit Schwäche und Schuld ebenso wie sein Vertrauen, dass „der Tröster denen gesandt wird, die glauben und sich demütigen“. 

Kaum wieder in Kirtland angekommen, erreichten ihn neue Spannungen. Ein Brief von John Corrill aus Missouri warf den Präsidierenden in Ohio Bevorzugung und Machtmissbrauch vor; kurz darauf stürzte Sidney Rigdon in eine Krise und erklärte öffentlich, „die Schlüssel seien diesem Volk entrissen“. Joseph eilte nach Kirtland, enthob Sidney vorübergehend seines Amtes, stellte ihn aber nach Reue und Klärung schon drei Wochen später wieder in die Erste Präsidentschaft ein. Neben all diesen Turbulenzen arbeitete Joseph an der Bibel-Übersetzung, begann erstmals seine Geschichte niederzuschreiben und reflektierte über die zweifache Priestertumsvollmacht, die ihm durch Engelsdienst verliehen worden war. Gerade die nur spärlich dokumentierte Wiederherstellung des Melchisedekischen Priestertums beschäftigte ihn zunehmend. 

Währenddessen erfüllten rund zwei Dutzend Älteste den Missionsauftrag aus LuB 75 (Januar 1832) und predigten im Osten der USA. Im September fanden sie sich nach und nach in Kirtland ein und erstatteten Bericht. Diese „Freudenzeiten“, wie Joseph sie bezeichnete, bildeten den direkten Auslöser für seine Bitte um weitere Offenbarung. In den späten Abendstunden des 22. September, wahrscheinlich im Kreis mehrerer zurückgekehrter Missionare, diktierte er den ersten Teil dessen, was später LuB 84 werden sollte; am 23. September folgte eine zweite, abschließende Passage. Früheste Abschriften von Frederick G. Williams und John Whitmer setzen nach den heutigen Vers 102/103 einen deutlichen Abschnittswechsel und vermerken das Datum des Folgetages – ein starkes Indiz für die Zweiteiligkeit der Eingebung. 

Die Wahl des Schauplatzes – dem Whitney-Store-Loft – war dabei nicht zufällig. Seit Anfang September bewohnte Joseph mit Emma diese provisorische Wohnung, nachdem sie in seiner dreimonatigen Abwesenheit in wechselnden, oft beengten Quartieren hatte auskommen müssen. Kirtland war 1832 das Verwaltungs- und Ausbildungszentrum der Kirche: Hier befand sich die Druckerei, hier wirkte Bischof Whitney als Ökonom des Vereinigten Unternehmens, hier liefen die Fäden der Missionen zusammen. Gerade deshalb war der Kontrast zum verheißenen Zion in Missouri schmerzlich spürbar. Die Frage lautete: Wie sollte das Priestertum – seine Macht, seine Bündnisse, seine Sendung – dazu beitragen, Tempelbau, Sammlung Israels und weltweite Verkündigung zusammenzuführen? 

Die Offenbarung antwortete, indem sie den Begriff „Priestertum“ ins Zentrum rückte. Josephs Geschichtsschreiber notierten sie schlicht als „Revelation … on Priesthood“. Der Text verknüpft die frühere Anweisung, in Independence einen Tempel zu errichten, mit einer ausführlichen Darstellung der beiden Priestertumsordnungen, ihrer Stammlinien von Aaron und Moses bis Adam sowie ihrer bestimmenden Rolle bei der „Vollmacht der Gottheit“. Gerade der scheinbare Exkurs der Verse 7–31 – Moses’ Versuch, Israel an das Angesicht Gottes heranzuführen, und das daraus resultierende „Zorn-Moment“ des Herrn – erklärt, warum Tempelwerk ohne Priestertum seine aufhebende Kraft nicht entfalten kann: Wo das Volk die höhere Gabe verweigert, bleibt nur ein reduziertes Gesetz. 

Historisch bedeutsam ist ferner die in LuB 84 erneuerte Beauftragung zum Tempelbau und zur Predigt. Zwar sollte in Kirtland selbst erst Ende 1832 mit konkreten Tempelplänen begonnen werden; doch der Wahrheitskern blieb: Die Fülle des Melchisedekischen Priestertums müsse, so heißt es, in einem geweihten Haus offenbart werden, um die Heiligen auf das Kommen Christi in Zion vorzubereiten. Gleichzeitig verpflichtete der Herr die Ältesten, „hinzugehen in alle Welt“ (LuB 84:62). Damit verband er unmittelbare Missionspraxis – die in Kirtland greifbar vor Augen stand – mit dem großen eschatologischen Bild einer versammelten, priesterlich bevollmächtigten Menschheit. 

Dass die Umsetzung nicht geradlinig verlief, zeigen die Folgejahre. Weder in Independence noch im aufziehenden Konflikt mit den Missouriern ließ sich ein Tempel verwirklichen; Kirtland wurde zum ersten realisierten Standort. Doch LuB 84 blieb für die Führungsebene ein Schlüsseltext. Er erhöhte Josephs Bewusstsein für das Priestertum als „Bindeglied zwischen Erde und Himmel“ und trieb die Suche nach weiteren weihehaften Ordinanzen voran, die im Kirtland Tempel 1836 ihren Auftakt fanden. Zugleich beeinflusste er die Entwicklung des Vereinigten Unternehmens und die Einführung des Gesetzes der Weihung, indem er materielles Handeln – etwa die Bestellung von Bischofsläden – klar mit geistlichen Verpflichtungen verknüpfte. 

Auch persönlich prägte die Offenbarung mehrere Teilnehmer. Für Bischof Whitney begann bald nach Vers 112 seine Reise mit Joseph nach New York, Albany und Boston, auf der wiederum Prophezeiungen erfüllt wurden; Orson Hyde und Hyrum Smith verfassten, wie in Vers 76 geboten, eine wohlformulierte Zurechtweisung an die Führer Missouris; und Sidney Rigdon fasste langsam wieder Fuß im Amt, obwohl sein Gesundheitszustand angespannt blieb. Die Verknüpfung von Priestertumsvollmacht, Missionsauftrag und gegenseitigem Dienst wurde also unmittelbar gelebt. 

Die Frage, warum Joseph gerade den Begriff „Priestertum“ als Überschrift wählte, beantwortet sich damit aus der Erfahrung jener Monate: Tempel, Sammlung, Evangeliumspredigt, Gesetz der Weihung – all diese Themen kulminieren in der Vollmacht, die Menschen aus der Sterblichkeit erhebt und sie vor das Angesicht Gottes führt. In Greenville hatte Joseph noch bitter über seine eigene Unzulänglichkeit geklagt; in Kirtland vernahm er nun eine umfassende göttliche Zusicherung, dass Priestertumsbündnisse die Schwächen des Einzelnen überwinden können, solange dieser bereit ist, „das ganze Gesetz zu empfangen“. 

So steht LuB 84 – entstanden zwischen Spätsommerhitze, Missionsberichten und dem ersten Herbstlaub Nord-Ohios – an einer historischen Wegscheide: Es schließt eine Periode schwerer Bewährung ab und eröffnet eine Phase intensiver Belehrung über Tempelumkehr, Bundestreue und geistige Vollmacht. Dass die Heiligen 1832 die Vision von Zion noch nicht verwirklichen konnten, mindert nicht den Stellenwert dieser Offenbarung. Vielmehr erwies sie sich als theologisches Fundament, auf dem spätere Tempel- und Priestertumslehren systematisch aufbauten. Aus der Rückschau zeigt sich, dass die rauen Erfahrungen der Monate vor September 1832 den Boden für eine der weitreichendsten Doktrinen der Wiederherstellung bereitet hatten – eine Doktrin, die bis heute das Selbstverständnis des Priestertums und die Hoffnungen auf das Neue Jerusalem trägt. 

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Samstag, 26. Juli 2025

Witwen und Waisen sollen versorgt werden

 

(Bild: Quelle)

“Und das Vorratshaus soll durch die Weihungen aus der Kirche erhalten bleiben; und Witwen und Waisen sollen versorgt werden, ebenso die Armen. Amen.” (Lehre und Bündnisse 83:6). 

Vers-für-Vers-Kommentar zu Lehre und Bündnisse 83 im Lichte der Bibel 
 

Die Offenbarung eröffnet mit dem Hinweis, sie sei „zusätzlich zu den Gesetzen der Kirche in Bezug auf Frauen und Kinder“ gegeben (L&B 83:1). Schon zuvor hatte der Herr im Weihe­gesetz (L&B 42) allgemeine Fürsorgeregeln formuliert, doch jetzt wendet er das Prinzip ausdrücklich auf diejenigen an, „die ihren Ehemann oder Vater verloren haben“. Der biblische Hintergrund liegt im alttestamentlichen Schutzgebot für „Witwen und Waisen“ (5 Mose 24,17; Ps 146,9). Darin erscheint Gott selbst als Anwalt der Entrechteten: „Vater der Waisen und Richter der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung“ (Ps 68,6). Joseph Smiths Frage in der Ratsversammlung spiegelt somit eine uralte Tora-Thematik: Wer vertritt die Schwächsten, wenn die natürliche Schutzkette reißt? 

Vers 2 legt fest, dass Frauen Anspruch auf den Unterhalt ihres Mannes haben, „bis ihr Mann weggenommen wird“. Das Wort Anspruch (engl. claim) klingt juristisch und verleiht der Fürsorgepflicht rechtliche Schärfe. Paulus bekräftigt denselben Grundsatz, wenn er schreibt: „Wer aber für die Seinigen, zumal für die Hausgenossen, nicht sorgt, der hat den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Ungläubiger“ (1 Tim 5,8). In beiden Texten steht das patriarchale Ideal des Versorgers, doch schon die Formulierung „bis ihr Mann weggenommen wird“ signalisiert, dass diese Ordnung endlich ist. Stirbt oder verschwindet der Ernährer, muss die Gemeinschaft einspringen. Der Vers fügt außerdem eine geistliche Dimension hinzu: Treue Frauen „sollen Gemeinschaft in der Kirche haben“. Damit wird ihrer Würde im Glaubensbund Rechnung getragen; sie bleiben nicht nur Nutznießerinnen eines Sozialfonds, sondern vollwertige Bundesgeschwister. 

Vers 3 enthält eine bemerkenswerte Ausgleichs­klausel. Untreuen Frauen wird die Gemeinschaft entzogen, doch „sie dürfen gemäß den Gesetzen des Landes auf ihrem Erbteil verbleiben“. Hier kollidieren kanonisches Recht (Ausschluss von der Kirche) und säkulares Eigentumsrecht. Schon Mose hatte geboten, einem armen israelitischen Schuldner sein Pfand über Nacht zurückzugeben (2 Mose 22,25–26); ähnlich respektiert dieser Vers die zivilen Besitzrechte, selbst wenn die geistliche Mitgliedschaft ruht. In Missouri des Jahres 1832 bedeutete das konkret: Eine Witwe, die den Glauben verließ, konnte nicht ohne Weiteres von ihrem Hof vertrieben werden, weil Gerichte ihr Besitzrecht stützten. Die Offenbarung akzeptiert diese Rechtslage, anstatt sie mit kirchlichem Zwang zu überschreiben – ein Beispiel pragmatischer Trennung von Heilsgemeinschaft und Staatsbürgerschaft. 

Vers 4 weitet das Unterhaltsgebot auf alle Kinder aus: Sie „haben Anspruch auf ihre Eltern … bis sie mündig sind“. Das hebräische Denken kennt dieselbe Priorität: „Kinder sind eine Gabe des HERRN“ (Ps 127,3) und damit Verantwortung der Eltern. Paulus mahnt Väter, ihre Kinder zu nähren „in der Zucht und Ermahnung des Herrn“ (Eph 6,4). Im zeitgenössischen US-Recht waren Minderjährige in erster Linie Erben männlichen Vermögens; L&B 83 geht hier weiter, indem es nicht Besitz, sondern laufenden Unterhalt als Anspruch definiert. Sobald Kinder jedoch das Erwachsenenalter erreichen, wechselt die Zuständigkeit: Sie dürfen – falls nötig – die Ressourcen der Kirche beanspruchen. 

Damit sind wir bei Vers 5, der die Brücke vom Familienverband zur Gemeindekasse schlägt. Ist kein Erbteil vorhanden, haben junge Erwachsene „Anspruch … an das Vorratshaus des Herrn“. Dieser Begriff erinnert an Mal 3,10, wo der Herr Israel auffordert, den Zehnten in sein Vorratshaus zu bringen, „auf dass in meinem Hause Speise sei“. Auch im Gesetz Mose gab es neben dem Zehnten ein Armenzehnt-Jahr (5 Mose 14,28–29), in dem Abgaben ausdrücklich für „Waisen und Witwen“ bestimmt waren. Die Offenbarung verknüpft diese mosaische Sozialkasse mit dem weihegesetzlichen Vorratshaus in Zion und überträgt das biblische Modell auf eine moderne Kirchenökonomie. 

In Vers 6 mündet die Regelung in eine verpflichtende Gemeindesolidarität: „Das Vorratshaus soll durch die Weihungen aus der Kirche erhalten bleiben; und Witwen und Waisen sollen versorgt werden, ebenso die Armen.“ Die spezifische Nennung von Witwen und Waisen spiegelt wörtlich Jak 1,27: „Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst … ist, Witwen und Waisen in ihrer Trübsal zu besuchen.“ Zugleich erweitert der Schlussausdruck „ebenso die Armen“ den Kreis auf alle Bedürftigen. Hier begegnet das Schlüsselprinzip des messianischen Reiches, wie es Jesaja verheißen hatte: „Dem Armen bringt er Gerechtigkeit“ (Jes 11,4). 

Weil sich das Vorratshaus ausschließlich „durch die Weihungen aus der Kirche“ füllt, steht Vers 6 in unauflösbarer Wechselwirkung mit Vers 2: Wer Versorgung empfängt, ist zuvor selbst ge­ru­fen, nach Fähigkeit beizutragen. Somit etabliert die Offenbarung einen reziproken Kreislauf von Geben und Empfangen, der urchristliche Praxis widerspiegelt: „Es hatte auch keiner Mangel, denn jeder, der Äcker oder Häuser besaß, verkaufte sie … und man teilte sie jedem aus, so wie einer es nötig hatte“ (Apg 4,34–35). 

Zusammenfassend betrachtet bildet L&B 83:1–6 eine miniaturisierte Sozial-Charta. Verse 1–4 definieren Zuständigkeiten innerhalb der Kleinfamilie, während Verse 5–6 die Verantwortung der größeren Bundesfamilie festlegen. Indem die Offenbarung beide Ebenen miteinander verschränkt, bewahrt sie einerseits das biblische Ideal der Selbst- und Familienverantwortung, andererseits verwirklicht sie das Liebesgebot Jesu in institutionalisierter Form. Die Stoßrichtung ist eindeutig: Gottes Reich soll dort greifbar werden, wo ökonomische Schwachstellen durch Glaubensbund ausgeglichen werden. 

Historisch erwies sich das Konzept als tragfähig. Noch 2012 erinnerte Dieter F. Uchtdorf bei der Einweihung des weltweiten Bischofs­lagerhauses daran, dass seine eigene Familie im Nachkriegsdeutschland Nahrung, Kleidung und Bettzeug aus einem solchen Vorratshaus erhielt – eine direkte Frucht der hier begründeten Struktur. Der Grundton sämtlicher Verse bleibt dabei theologisch: Versorgung ist kein bloßes Fürsorgeprogramm, sondern ein sakramentaler Akt, denn wer dem Bedürftigen gibt, leiht „dem HERRN“ (Spr 19,17). 

Die Bibel liefert damit nicht nur Parallelen, sondern auch Autorität für jede einzelne Klausel dieser Offenbarung. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Überzeugung, dass Wahre Religion sich an der Fürsorge für die Verwundbarsten beweist. L&B 83 übersetzt diese Überzeugung in verbindliches Kirchenrecht und hält die Heiligen bis heute dazu an, das Vorratshaus des Herrn mit Freuden zu füllen, damit „niemand unter euch arm sei“ (5 Mose 15,4). 

findechristus.org

Freitag, 25. Juli 2025

Frauen haben an ihren Mann Anspruch auf ihren Unterhalt

 

(Bild: Quelle)

“Frauen haben an ihren Mann Anspruch auf ihren Unterhalt, bis ihr Mann weggenommen wird; und wenn sie nicht als Übertreterinnen befunden werden, sollen sie Gemeinschaft in der Kirche haben.” (Lehre und Bündnisse 83:2). 

Lehre und Bündnisse 83 – Historischer Hintergrund 

Als Joseph Smith Ende April 1832 von Kirtland nach Missouri reiste, lagen bewegte Monate hinter der jungen Kirche. Erst wenige Tage zuvor, am 26. April, hatte der Prophet im Rahmen einer hohen Priesterversammlung in Independence Abschnitt 82 diktiert, der die Heiligen an ihre Bundespflichten gegenüber der „Armen“ erinnerte. Vier Tage später, am 30. April 1832, versammelte er sich erneut mit Kirchenführern in Independence, als die Frage aufkam, wie die bereits eingeführten Regeln der Weihe­gesetze konkret auf Frauen und Kinder anzuwenden seien, die ihre Ernährer verloren hatten. In dieser Beratung empfing Joseph die Offenbarung, die heute als Abschnitt 83 überliefert ist und den Anspruch von Witwen, Waisen und minderjährigen Kindern auf die Ressourcen der Kirche festschreibt. (josephsmithpapers.org) 

Der unmittelbare Anlass war offenbar ein Besuch Josephs bei den aus Colesville (New York) stammenden Heiligen, die sich zwölf Meilen westlich von Independence im Kaw Township am Big-Blue-River niedergelassen hatten. Joseph vermerkte über dieses Treffen, er habe dort „einen Willkommensgruß empfangen, wie ihn nur Brüder und Schwestern empfangen können, die in demselben Glauben vereint sind“—eine Formulierung, die später in den Geschichtswerken wortgetreu auftauchte. (josephsmithpapers.orgdoctrineandcovenantscentral.org)  

Unter den Colesville-Heiligen waren wenigstens zwei verwitwete Frauen: Phebe Crosby Peck, Mutter von vier Kindern, und Anna Slade Rogers mit ihrer Tochter. Beide hatten ihre Ehemänner bereits 1829 verloren, also noch vor Verkündigung des Weihegesetzes; Josephs persönliche Verbundenheit mit ihnen wird in der historischen Forschung als möglicher Auslöser für seine Anfrage an den Herrn gewertet. (josephsmithpapers.orgdoctrineandcovenantscentral.org) 

Seit Februar 1831 galt in der Kirche das „Gesetz in Bezug auf die Weihung von Eigentum“ (L&B 42), das verlangte, dass jedes Gemeindemitglied überschüssiges Eigentum dem Bischof als Treuhänder weiht, damit „jedermann nach seinem Bedarf reichlich versorgt werde“. Doch die Bestimmungen nannten ausdrücklich nur „individuals“—ein Begriff, der damals im juristischen Sprachgebrauch meist Männer meinte. Ob und wie Frauen, die kein eigenes Vermögen besaßen, aus dem Vorratshaus bedient werden durften, blieb unklar. (josephsmithpapers.org) 

Hinzu kam der Widerspruch zwischen kirchlichem Weihegesetz und weltlichem Eigentumsrecht. Nach den Statuten Missouris hatte eine Ehefrau lediglich ein Dower-Recht: Sie konnte ein Drittel des Grundbesitzes ihres verstorbenen Mannes beanspruchen, während übrig­bleibende bewegliche Habe anteilsmäßig unter ihr und den Kindern aufgeteilt wurde. Doch was geschah, wenn der Mann sein Land bereits an die Kirche übertragen hatte? Die Landtitel waren in der Regel auf seinen Namen ausgestellt, und eine Rückübertragung an die Witwe war nicht automatisch vorgesehen. Die Offenbarung vom 30. April 1832 griff genau diese Lücke auf und erklärte unmissverständlich, dass „Witwen und Waisen … Anspruch auf das Vorratshaus des Herrn“ hätten (L&B 83:6). (josephsmithpapers.orgscripturecentral.org) 

Die Formulierung, Abschnitt 83 sei eine „addition to the laws“, unterstreicht, dass es sich nicht um ein völlig neues soziales Programm handelte, sondern um eine Aus­bau­stufe des bereits existierenden Weihesystems. Während L&B 42 vor allem die Pflichten der Spender definierte, ergänzt L&B 83 ausdrücklich die Rechte der Empfangenden. Der Text verschiebt das Augenmerk von der Frage, wer geben soll, hin zu der Frage, wer empfangen darf—und schafft damit Rechtssicherheit für die verletzlichsten Mitglieder der Gemeinde. (doctrineandcovenantscentral.org) 

Interessant ist auch die Überlieferungsgeschichte der Offenbarung. Das früheste erhaltene Manuskript befindet sich in den Nachlässen von Bischof Newel K. Whitney. Es trägt die Überschrift „as to Women & children; Inheretance at Zion 30 ap l. 1832“, ist jedoch in der Handschrift Sidney Rigdons verfasst und vermutlich wenige Wochen nach dem Empfang abgeschrieben worden—ein Hinweis darauf, wie rasch praktische Richtlinien an die Amtsträger vor Ort weitergegeben wurden. (josephsmithpapers.org) 

Die Tatsache, dass eine Frauen- und Kinderfrage überhaupt auf höchster Ebene der Kirchenverwaltung diskutiert wurde, wirft ein Licht auf das Selbstverständnis der frühen Heiligen in Missouri. Bereits seit Juli 1831 betrachteten sie Jackson County als verheißene „Stadt Zions“; dementsprechend mussten ihre gesellschaftlichen Strukturen dem Ideal einer gottgeweihten Gemeinschaft entsprechen. Für Joseph Smith war es dabei selbstverständlich, biblische und buchmormoni­sche Maßstäbe anzulegen: Beide heiligen Bücher mahnen wiederholt, die „Vaterlosen und Witwen“ nicht zu übersehen (vgl. Jakob 2:17; Jakobus 1:27). Abschnitt 83 verankert diese alttestamentliche Sozialethik nun in der noch jungen Offenbarungs­sammlung des 19. Jahrhunderts. (josephsmithpapers.orgscripturecentral.org) 

Die Umsetzung blieb allerdings vorerst lokal begrenzt. Weder in Kirtland noch in anderen Ansiedlungen verfügte die Kirche 1832 über vergleichbar ausgebaute Vorratshäuser wie in Independence, wo Bischof Edward Partridge die Güter patrimonial verwaltete. Erst Jahrzehnte später entwickelte sich daraus das bekannte Wohlfahrtsprogramm der Kirche. Dennoch war die in L&B 83 fest­gehaltene Rechtsidee zukunftsweisend: Sie schlug eine Brücke zwischen familiärer Eigenverantwortung („Frauen haben Anspruch auf ihre Männer … Kinder auf ihre Eltern“) und kollektiver Fürsorge („und danach … auf die Kirche“), ein Modell, das sich im weiteren Verlauf der Kirche immer wieder bewährte. (josephsmithpapers.orgarchive.dev-bookofmormoncentral.org) 

Bemerkenswert ist ferner, wie stark das Dokument den patriarchalen Zeitgeist seiner Entstehungs­periode spiegelt und zugleich transzendiert. Einerseits bestätigt Vers 2 die Unterhalts­pflicht des Ehemannes nach dem damals selbst­verständlichen Leitprinzip des männlichen Familienoberhauptes. Andererseits erhalten Frauen, sofern sie „nicht als Übertreterinnen befunden“ werden, “sollen sie Gemeinschaft in der Kirche haben” —eine Terminologie, die ihnen eine bewusst geistliche Identität zuspricht, anstatt sie lediglich als rechtliche Anhängsel ihrer Männer zu betrachten. Für die Kirche des 19. Jahrhunderts war das eine bemerkenswert fortschrittliche Nuance. (josephsmithpapers.org) 

Die Wirkung dieser Offenbarung zeigte sich schon bald in konkreten Beispielen von Hilfs­bereitschaft. Zeit­genossen berichten, dass Joseph Smith, wenn ihn Berichte von Not erreichten, oft als Erster in die Tasche griff—so auch in Nauvoo, als er „fünf Dollar“ für eine abgebrannte Hütte spendete und die Anwesenden aufforderte, ihr Mitleid in gleicher Weise zu zeigen. Solche Anekdoten illustrieren, wie stark sich der Prophet persönlich mit den Fürsorge­prinzipien identifizierte, die er wenige Jahre zuvor schriftlich empfangen hatte. (archive.dev-bookofmormoncentral.org) 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Abschnitt 83 entstand in einem Moment, da das Weih­egesetz praktisch erprobt, rechtlich aber noch unvollständig war. Indem die Offenbarung präzise regelt, dass auch diejenigen Anspruch haben, die am wenigsten Eigentum zur Weihe-Kasse beitragen konnten, stellt sie sicher, dass das zentrale Ziel des Gesetzes—„dass niemand unter euch arm sei“—nicht an einer restriktiven Auslegung scheitert. Zugleich verleiht sie den betroffenen Frauen und Kindern eine Stimme im ökonomischen Diskurs der Gemeinde. Historisch markiert L&B 83 somit einen entscheidenden Schritt vom Ideal zur institutionellen Praxis eines umfassenden Wohlfahrts­systems, das sich bis in die Gegenwart fortentwickelt hat. 

findechristus.org

Donnerstag, 24. Juli 2025

Von dem wird viel gefordert

 

(Bild: Quelle)

“Denn wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert; und wer gegen das größere Licht sündigt, der wird den größeren Schuldspruch empfangen.” (Lehre und Bündnisse 82:3). 

Einige der wichtigsten Lehren aus Lehre und Bündnisse 82 

Vergebung und Verantwortung unter Bundespartnern (Verse 1–4) 

Die Offenbarung in Lehre und Bündnisse 82 beginnt mit einem grundlegenden Prinzip im Umgang mit Sünde innerhalb des Bundesvolkes: „Insoweit ihr einander eure Verfehlungen vergeben habt, so vergebe ich, der Herr, euch auch“ (V. 1). Diese göttliche Zusicherung knüpft an den Grundsatz, dass Vergebung unter Menschen Voraussetzung für göttliche Vergebung ist – ein Thema, das auch in den Evangelien zentral behandelt wird (vgl. Matthäus 6:14–15). 

Doch zugleich betont der Herr die Ernsthaftigkeit der Sünde: „Doch gibt es unter euch welche, die über die Maßen gesündigt haben; ja, selbst ihr alle habt gesündigt“ (V. 2). Diese Verse wurden an führende Brüder der Kirche gerichtet, die trotz großer geistiger Gaben in Fehlverhalten gefallen waren. Vers 3 stellt ein machtvolles geistiges Prinzip dar: „Denn wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert; und wer gegen das größere Licht sündigt, der wird den größeren Schuldspruch empfangen.“ Dieses Wort erinnert daran, dass mit größerem Wissen und göttlicher Bevollmächtigung auch eine gesteigerte Verantwortung einhergeht. 

Der Herr warnt: Wenn Offenbarungen empfangen, aber nicht befolgt werden, wird man selbst zum Übertreter (V. 4). Licht ohne Gehorsam wird zu Gericht. 

Finsternis in der Welt und das neue Gebot (Verse 5–10) 

In den folgenden Versen wird die Dringlichkeit betont: „Seid wachsam, denn der Widersacher breitet seine Herrschaft aus, und Finsternis regiert“ (V. 5). Diese dramatische Beschreibung des moralischen Zustands der Welt schließt mit dem Urteil: „Niemand tut Gutes, denn alle sind vom Weg abgewichen“ (V. 6) – ein Echo aus Römer 3:12

Trotz dieser düsteren Einschätzung ruft der Herr zur Umkehr auf: „Ich werde euch keine Sünde zur Last legen; geht eurer Wege und sündigt nicht mehr“ (V. 7). Die Gnade ist vorhanden, aber sie setzt echte Umkehr voraus. Der Vers endet mit einer ernsten Warnung: Wer nach erneuter Sünde nicht umkehrt, auf den kehren frühere Sünden zurück. 

Vers 8 leitet über zu einem „neuen Gebot“, das den Willen des Herrn für die betroffenen Brüder offenbart. Die Betonung liegt auf göttlicher Führung zur „Errettung“ (V. 9). In Vers 10 folgt das oft zitierte Prinzip: „Ich, der Herr, bin verpflichtet, wenn ihr tut, was ich sage; tut ihr aber nicht, was ich sage, so habt ihr keine Verheißung.“ Es ist ein Schlüsselvers im theologischen Verständnis göttlicher Zusagen. 

Ein heiliger Bund zur Verwaltung des Eigentums (Verse 11–14) 

In Vers 11 nennt der Herr konkrete Namen: „Edward Partridge, Newel K. Whitney, A. Sidney Gilbert und Sidney Rigdon [...] Joseph Smith [...] John Whitmer und Oliver Cowdery und W. W. Phelps und Martin Harris“. Diese Männer werden aufgefordert, sich durch einen heiligen Bund zu verpflichten. Dieser Bund – der zur United Firm gehörte – sollte die Verwaltung kirchlicher Mittel und Eigentümer regeln, „um die Angelegenheiten der Armen [...] zu verwalten“ (V. 12). 

Die Absicht war sowohl geistlich als auch organisatorisch: Das Land Kirtland wurde als „Pfahl für Zion“ (V. 13) eingesetzt, der gestärkt werden sollte. Die Vision für Zion wird in Vers 14 ausgemalt: „Zion muss zunehmen an Schönheit und an Heiligkeit [...] seine Pfähle müssen gestärkt werden“. Dies betont die Ausdehnung des Werkes durch praktische Verwaltung auf Grundlage heiliger Bündnisse. 

Bindung durch Gesetz und Nutzen in der Ordnung Gottes (Verse 15–16) 

Mit Nachdruck bestätigt der Herr nochmals: „Ich gebe euch dies Gebot, euch mit diesem Bund bindend zu verpflichten, und es soll gemäß den Gesetzen des Herrn geschehen“ (V. 15). Diese Verpflichtung war mehr als ein organisatorischer Schritt – sie war ein heiliger Akt im Rahmen göttlicher Ordnung. Die Formulierung in Vers 16 macht klar: „Dies ist auch nach meiner Weisheit zu eurem Nutzen.“ 

Hier offenbart sich ein weiterer Aspekt der göttlichen Führung: Die Bündnisse des Herrn dienen nicht nur seinem Werk, sondern letztlich auch dem Nutzen und Wachstum derer, die daran teilnehmen. 

Gleichheit, Verwaltung und Talente (Verse 17–19) 

Die Ordnung, die nun eingeführt wird, baut auf Gleichheit: „Ihr sollt gleich sein [...] gleiche Ansprüche auf das Eigentum haben“ (V. 17). Dabei wird Gerechtigkeit als Maßstab genannt: „soweit seine Bedürfnisse gerecht sind“. Dieses Gleichheitsprinzip bezieht sich nicht auf Gleichmacherei, sondern auf die gerechte Versorgung gemäß Bedarf. 

Vers 18 verbindet dies mit dem Talentgleichnis: „Ein jeder soll sein Talent nutzbringend anlegen [...] damit sie in das Vorratshaus des Herrn eingeworfen werden.“ Dies erinnert an Matthäus 25 und zeigt die Verantwortung jedes Einzelnen, das ihm Anvertraute zur Stärkung der Kirche einzusetzen. 

Ziel dieser Verwaltung ist laut Vers 19: „Ein jeder soll auf das Wohl seines Nächsten bedacht sein und bei allem [...] das Auge nur auf die Herrlichkeit Gottes richten.“ Es ist ein Aufruf zu selbstloser, gottzentrierter Lebensführung. 

Eine immerwährende Ordnung mit Konsequenzen (Verse 20–21) 

Der Herr bekräftigt: „Diese Ordnung habe ich zu einer immerwährenden Ordnung für euch [...] insoweit ihr nicht sündigt“ (V. 20). Damit wird eine bleibende Struktur geschaffen, die auch kommende Generationen tragen soll. 

Wer sich dieser Ordnung widersetzt, der fällt nicht nur aus dem Segen, sondern wird den Konsequenzen des geistlichen Gesetzes übergeben: „Sie soll [...] den Schlägen des Satans überantwortet werden“ (V. 21). Dieser drastische Ausdruck macht deutlich, dass heilige Bündnisse mit echten Konsequenzen verbunden sind. 

Verwaltung des Mammon und göttliches Gericht (Verse 22–24) 

In Vers 22 folgt ein bemerkenswerter Satz: „Macht euch Freunde mit dem Mammon der Ungerechtigkeit“. Diese Formulierung erinnert an Lukas 16:9. Der Herr fordert hier nicht zur Weltlichkeit auf, sondern zum weisen Umgang mit materiellen Gütern im Dienst des Reiches Gottes. 

Der Richterspruch aber bleibt Sache des Herrn: „Überlasst mir allein den Richterspruch [...] ich werde vergelten“ (V. 23). Damit endet die Offenbarung mit einem Segensversprechen: „Denn schon jetzt ist das Reich euer [...] wenn ihr von eurer Standhaftigkeit nicht fallt“ (V. 24). Diese Zusage verbindet Verantwortung mit Hoffnung. 

Heutige Anwendung: Stärkung der Pfähle Zions 

Präsident Russell M. Nelson betonte: 

„Der Widersacher hört nie auf, anzugreifen. Wir dürfen also auch niemals aufhören, uns vorzubereiten! Je eigenständiger wir sind – zeitlich, seelisch und geistig –, desto eher sind wir bereit, die unerbittlichen Angriffe des Satans zu vereiteln.“ 
(Generalkonferenz Oktober 2020) 

Diese Aufforderung ergänzt die prophetische Vision in Vers 14: Zion muss an Heiligkeit und Stärke zunehmen – heute wie damals. 

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